
Seit der Corona-Pandemie ist eines klar: Homeoffice ist immer gängiger geworden. Der Spagat zwischen Kinderbetreuuung im Krankheitsfall und Arbeit ist dadurch aber nicht unbedingt leichter – oder!? Immerhin gibt es Kinderkrankentage. (2023 sind das sogar noch mehr als normal.) Aber eines bleibt doch irgendwie trotzdem der ständige Begleiter: das schlechte Gewissen dem Arbeitgeber gegenüber. Aber warum eigentlich?
Früher war alles besser
Noch vor drei oder vier Jahrzehnten hätte uns die Pandemie zumindest in Sachen Kinderbetreuung deutlich weniger hart getroffen. Frauen übernahmen in aller Regel die Care-Arbeit, kümmerten sich um Haushalt und Kinder. Männer sorgten derweil für ein geregeltes Einkommen. Daran hat sich bis heute erstaunlich wenig geändert – außer dass die meisten Frauen mittlerweile zusätzlich noch arbeiten gehen.
In den letzten zehn Jahren stieg die Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kleinkind (d.h. bis drei Jahre) um über zehn Prozent auf 56,2 Prozent. Sind die Kinder älter, gehen über Dreiviertel aller Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. Die meisten (ca. 66,2 Prozent) in Teilzeit. Zum Vergleich: Von den Vätern gehen ca. 90 Prozent einer Erwerbstätigkeit nach, lediglich 5,8 Prozent in Teilzeit. (Quelle: Statista)
Krank wegen der Kinder? Schwach!
Das Erstaunliche: Obwohl in vielen Familien beide arbeiten, haben die wenigsten Eltern ihre vom Staat aufgestockten Kinderkrankentage in Anspruch genommen. Stattdessen versuchen sie den Spagat irgendwie anders zu regeln. Die Gründe dafür sind vielfältig: Das Gehalt wird für diesen Zeitraum reduziert, die Krankentage sind trotzdem nicht unendlich (ganz im Gegensatz zu so mancher Kinderkrankheit) – und irgendjemand muss die Arbeit ja nun mal machen.
Doch der häufigste Grund ist ein ganz anderer: Viele Eltern haben ein furchtbar schlechtes Gewissen, wenn sie aufgrund ihrer Kinder ausfallen. Sie verstehen es als Zeichen des Versagens. Wir haben es uns doch schließlich selbst ausgesucht, dann müssen wir da jetzt eben durch. Äh... nö.
Leider wird kinderbedingter Ausfall auch oft von Kollegen und der Chefetage eher mit einem genervten Augenrollen oder abfälligen Kommentaren quittiert. Die Deadline kann nicht eingehalten werden? Die Kollegin muss Arbeit übernehmen? Mails werden nicht asap beantwortet? Schämt euch! Aus Angst, im Job als nicht belastbar, nicht verlässlich oder was auch immer abgestempelt zu werden und sich so die weitere Karriere zu verbauen, bemühen sich viele Eltern so zu arbeiten, als gäbe es ihre Kinder nicht – und bewegen sich damit in großen Schritten Richtung Überlastung. Früher aufstehen, abends bis in die Puppen noch mal ran und tagsüber im Wechselmodell zwischen Kindern, Haushalt und Schreibtisch: Das geht für einige Wochen oder auch mal Monate gut, aber sicher nicht über Jahre.
Nieder mit dem schlechten Gewissen
Deshalb: Hört auf euch zu schämen! Eure Kinder gibt es nun mal und spätestens wenn es um ihre Rente geht, werden eure kinderlosen Kollegen euch dafür danken. Jetzt, da sie noch klein sind, muss sie aber nun mal jemand betreuen. Wenn das Netz aus Kita und Schule wegfällt, die Familie nicht eingebunden werden kann – dann bleibt "nur" noch ihr!
Das alles ist nicht allein euer Problem, sondern auch das eures Arbeitgebers. Es ist nämlich seine Aufgabe, sein Unternehmen so zu organisieren, dass Ausfälle mindestens kurzzeitig überbrückt werden und Eltern ohne schlechtes Gewissen Kinderkrankentage einreichen können. (An dieser Stelle ein dickes DANKE an meine Kolleginnen und Kollegen, dass wir bei "Leben & erziehen* dieses schlechte Gewissen NICHT haben müsen!)
Übrigens: Eltern unter 40 Jahren haben durchschnittlich nur zwei bis drei Tage Krankentage mehr als ihre kinderlosen Kollegen. Eltern über 40 Jahren (und tendenziell älteren Kindern) fehlen sogar seltener. (Quelle: RND) Und von den zehn Kinderkrankentagen, die Eltern jeweils zustehen, beanspruchen sie im Schnitt nicht einmal drei (Stand 2018, AOK).