Natürliche Gastfreundschaft

Tirol mit Kindern entdecken: Griaß enk!

Unsere Redakteurin reiste mit dem Nachtzug klimafreundlich für einen Familienkurzurlaub von Hamburg nach Tirol. Sie durfte einem zauberhaften Sonnenaufgang auf dem Berg beiwohnen und hätte gefühlt fast einen Herzinfarkt bekommen bei einer E-Bike-Tour mit ihrem Sohn entlang steiler Abhänge ... 

Familie in Tirol am Mieminger Plateau.© Innsbruck Tourismus/Christian Vorhofer
Tirol ist für Familienurlaube perfekt (Symbolbild).

"Das ist soo cool hier!", ruft mein Sohn Finn (12), als wir abends um kurz nach 8 unser Nachtzugabteil in Hamburg-Altona beziehen. Er hat das obere Bett für sich, unten haben mein Freund und ich je eine Liege. Sogar einen Tisch hat er oben, nur aus dem Fenster schauen kann man von dort nicht. Aber lange wird es ohnehin nicht mehr hell sein. Etwas ruckelige und (trotz Ohrenstöpseln) nicht ganz geräuscharme 13 Stunden später kommen wir halbwegs ausgeschlafen in Innsbruck an, wo wir vom Shuttle abgeholt und ins Hotel Stern nach Obsteig am Mieminger Plateau, etwa 40 km westlich von Innsbruck, gefahren werden. Wer nicht mit dem Zug anreist, kann dort sein E-Auto kostenlos betanken. Uns erwarten ausgefüllte, actionreiche Tage, herzliche Gastfreundschaft und spektakuläre Einblicke – nicht nur ins Wood Wide Web. 
 

Umweltfreundliche Familien-Reisetipps Tirol

Das Hotel Stern im Sommer

Anreise: bequem mit dem Nachtzug. 
Unterkunft: Das inhabergeführte Hotel "Der Stern" in Obsteig steht durch und durch unter einem grünen Stern. Der Hotelchef fasst tatkräftig mit an und begrüßt und verabschiedet die Gäste auch schon mal persönlich. 
Preisbeispiel: 7 Tage Stern-Genuss mit ¾ Genießerpension, inkl. Abendgetränke, 5 Tage Natur-Kinderbetreuung, Streichelzoo, Übernachtung im Heu, Erlebnis-Spielstadel, Berg-Aktivprogramm, Öko-Hallenbad, Panoramasauna etc. im Familienzimmer für 2 Erwachsene und 2 Kinder (bis 11 Jahre): Euro 3.864 für alle(s) in den Sommerferien (minus 5 % Rabatt bei umweltfreundlicher Anreise mit Bahn oder E-Auto).
Mehr Info:hotelstern.at, innsbruck.info und gluckspilze.com

Foto: Hotel Der Stern

Schwimmbad? Natürlich klimaneutral!

Doch von vorne: Wir erkunden erst mal das Hotel mit Streichelzoo, Schwimmbad und Spielplatz. Es gibt Ziegen und Ponys, die täglich von Opa Toni mit den Kindern gefüttert werden. Finn will aber lieber in das runde Schwimmbad – für die Tierfütterung fühlt er sich schon zu groß. Mit Taucherbrille planscht er im Strudel und versucht unter Wasser einen Handstand. Für einen ausführlichen Besuch in der Spielscheune ist das Wetter dann aber doch zu gut und die Zeit zu kurz.

Lieber machen wir einen kleinen Spaziergang den Larchsteig entlang – auch wenn Finn anfangs etwas murrt. Doch als wir unterwegs immer wieder kleine Holzhütten entdecken, in denen alte Werkzeuge und Co ausgestellt sind, und Liegebänke aus Holz finden, ist auch Finn versöhnt. Es summt und schwirrt in der Luft – hier gibt es noch richtig viele Insekten, Käfer und Schmetterlinge. Es riecht nach intakter Natur. Wie wir später erfahren, werden die Wiesen, auf denen die Lärchen wachsen, regelmäßig gepflegt. Die Lärchen bieten das ganze Jahr über einen anderen Anblick – sie sind der einzige Nadelbaum, dessen Nadeln sich im Herbst bunt färben und im Winter abgeworfen werden. Das dient diesem Alpenbaum dazu, seinen Wasserbedarf zu reduzieren und ist also eine Überlebensstrategie. Für den Wohnbereich bieten Lärchen viele Vorteile. Das Holz ist besonders witterungsbeständig und langlebig.

Lärchenwald in Tirol© Innsbruck Tourismus/Markus Mair
Die Lärchenwälder sind typisch für diese Gegend.

Blick hinter die Kulissen

Von Hotelchef René Föger, selbst vierfacher Familienvater, erfahre ich, dass er das Schwimmbad 2021 erst hat bauen lassen, als ihm dafür Klimaneutralität gewährleistet wurde. Ohnehin sind in diesem Hotel viele umweltfreundliche Aspekte bereits längst Standard, während andernorts noch nach Konzepten gesucht wird. 

Auch im Bereich der Küche kann das Hotel sich sehen lassen: Hier wird zu 100 Prozent mit Produkten aus der Region gekocht, immer saisonal. Dazu später mehr. Die Klimabilanz für den eigenen Aufenthalt kann man per Rechner auf der Hotel-Website herausfinden. Was uns dabei überrascht: Wir hinterlassen hier einen kleineren Fußabdruck als zu Hause. Und das, obwohl uns Naturschutz schon immer am Herzen liegt. Daher richten wir auch im Urlaub unsere Zeit bestmöglich darauf aus – hier wird einem das wirklich leicht gemacht. 

Tiroler Bergtour zum Sonnenaufgang mit Picknick

Am nächsten Morgen stehen wir um 4.15 Uhr auf – es steht eine Sonnenaufgangstour auf den Berg an, teils mit dem Mini-Bus, teils zu Fuß. "Ich heiße Patrick, und wenn etwas schiefgeht, Anton", stellt sich unser Guide vor. Alle lachen. 

Er stattet uns mit Stirnlampen aus – für den Fall der Fälle. Wir hören aber auf seinen Rat, sie auszulassen, um die Umgebung noch intensiver wahrzunehmen. Die Stimmung ist andächtig still. Die Vögel sind längst wach und singen aus voller Kehle, während wir den Hang hinaufkraxeln. Was mir schon bei unserer Ankunft besonders auffiel, ist die unfassbar klare und reine Luft. 

Wir wohnen hier auf etwa 1.000 Meter Höhe, unser Ziel für den Sonnenaufgang liegt auf etwa 1.700 Metern. Patrick hat für alles gesorgt: Sogar eine Tischdecke, Snacks und Getränke für ein Bergfrühstück hat er dabei, alles umweltfreundlich in Weckgläsern verpackt. Doch zunächst sind wir fasziniert von der Aussicht auf die Berge. Erst verfärbt sich der Himmel, allmählich wird es heller, noch sieht man den Nordstern. 

Dann werden die ersten Sonnenstrahlen deutlich über einem Berg sichtbar. Und plötzlich geht es ganz schnell: Schon ist die Sonne zu sehen, erst ein Teil, dann als Ganzes. Die ersten paar Minuten darf man sogar hineinschauen, ohne einen Augenschaden davonzutragen, klärt Patrick uns auf. Es ist unfassbar kühl so früh hier oben, und wir sind froh, für Finn eine Decke aus dem Hotel mitgenommen zu haben, in die er sich glücklich einkuschelt.

Sonnenaufgang Berg© privat

Ach, daher kommt also unser Essen

Auf dem Kartoffelacker am Nachmittag ist es bedeutend wärmer. Um die 50 Menschen – groß und klein – versammeln sich hier, um mit Elfie die ersten Kartoffeln zu setzen. Elfie ist eigentlich schon pensioniert, aber die Arbeit mit den Kindern bringt ihr so viel Spaß, dass sie weitermacht. Und sie ist wirklich zauberhaft! "Eine Mutterkartoffel bekommt vielleicht zehn Junge", erklärt sie den Kindern, die gebannt lauschen. Dann dürfen alle mit anpacken: Die Furchen sind bereits gezogen, im Abstand von ca. 35 Zentimetern legen die Kinder die Kartoffeln hinein. Ein anderes Kind harkt anschließend von beiden Seiten ordentlich Erde darüber. Die Kinder sind wirklich tatkräftig dabei, obwohl die Sonne brennt. Hinterher gibt es zur Belohnung ein Picknick am Acker – mit Sonnenschirmen, Kartoffelsalat und Würstchen. Ab Herbst dürfen die Hotelgäste "unsere" Kartoffeln dann essen. Was für ein schöner Kreislauf!

Elfie am Kartoffelacker© privat
Elfie weiß, wie's geht und zeigt uns, wie man Kartoffeln setzt.

Kreativität und Klimaschutz

"Mit Butz und Stingl" hören wir hier immer wieder. Übersetzt heißt es so viel wie "mit Kerngehäuse und Stiel", was bedeutet, dass möglichst nichts weggeworfen wird: Aus Karottenschale kann man Chips machen. Tiere werden von der Nase bis zum Schwanz verwertet und dem Bauern komplett abgenommen. Hier in Tirol ist die Verbindung zu Fleisch- und vor allem Milchbauern traditionell sehr eng. Im Hotel werden aber auch viele vegetarische Speisen angeboten. "Man muss sie nur reizvoll und kreativ anrichten", verrät Küchenchef Niklas uns Erwachsenen in einem Kochkurs.

"Unser Veggie-Burger ist der Renner. Dafür wird sogar der Rinderrücken stehen gelassen." Um die Regionalität zu gewährleisten, machen wir eine Erbsen-Guacamole (ohne Avocado). Und sehen wieder einmal: Man muss nur Ideen haben – sie schmeckt wirklich köstlich. Die machen wir zu Hause auf jeden Fall nach. Die Kinder backen in der Kinderbetreuung währenddessen kleine Brötchen und Apfelringe im Teigmantel, die wir alle anschließend verkosten dürfen. Soo lecker!

Durch Events wie Kochkurs und Pflanzaktionen auf dem Acker möchte Hotelchef René für eine Multiplikatorwirkung sorgen. Es geht ihm nicht darum, dass die Menschen nur im Urlaub klimafreundlich unterwegs sind, sondern auch Anregungen mit nach Hause nehmen und im Alltag umsetzen. 

Ausflüge in die Umgebung – bei Pilzführung und E-Bike-Tour

Zu einem entsprechenden Bewusstsein tragen auch passende Ausflüge in die Umgebung bei. Zum Beispiel eine Pilzwanderung mit anschließender Verköstigung oder eine E-Bike-Tour über zwischendurch recht steile Trails mit Zwischenstopps bei Bauern aus der Region.

Lee-Roy ist Pilzexperte und arbeitet bei den "Tyroler Glückspilzen". Gerade am Morgen hat er eine seltene Morchel gefunden. Seine Leidenschaft merkt man ihm an, er sprüht in jedem Satz vor Begeisterung und hat viel Erstaunliches zu erzählen. Oder wusstet ihr, dass Pflanzen und Menschen Nährstoffe eigentlich nur mithilfe von Pilzen aufnehmen können? Eine stark vereinfachte, aber einleuchtende Erklärung dafür, warum gespritzte Pflanzen kaum noch Nährstoffe in sich haben.

"Man könnte sogar ganze Häuser mit Pilzen bauen", sagt Lee-Roy und hält als "Beweis" zwei Lagen eines getrockneten, harten Pilzes hoch, zwischen dem sich eine Sperrholz-ähnliche Schicht aus Papierresten befindet. Extrem leicht und dabei super stabil. Überhaupt werden die Pilze stark unterschätzt, vor allem, weil das Wissen darüber noch immer in den Kinderschuhen steckt. "Ein Stoff eines bestimmten Pilzes enthält Silizium. Jetzt wird erforscht, ob man das für Photovoltaikanlagen nutzen kann", berichtet Lee-Roy. Das sogenannte Wood Wide Web, über das alle Bäume über ihre Wurzeln miteinander verbunden sind, funktioniert nur mithilfe von Pilzen, die unter anderem für die Nährstoffaufnahme sorgen. Und natürlich Totholz im Wald immer wieder zu neuem, fruchtbaren Boden werden lassen.

Pilzexperte Tirol© privat
Lee-Roy ist Pilzexperte bei den "Tyroler Glückspilzen".

Hoch hinaus, tief hinab

Auf der E-Bike-Tour geht es rasanter zu. In der Gruppe führen uns Patrick und Hotelchef René durch das umliegende Gelände. Ich fahre weiter hinten in der Gruppe, steile Abhänge bin ich nicht gewohnt. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich meinen Sohn nicht sehen kann – die Angst um ihn könnte ich wohl kaum aushalten. 

In einer Kurve im Wald sehe ich zwei Bremsspuren. Hoffentlich war das nicht Finn, schießt es mir in den Kopf. War er doch, wie ich später erfahre. Zum Glück konnte er noch rechtzeitig vorm Baum bremsen, und mein Freund war bei ihm ... 

Versöhnlicher wird es beim Zwischenstopp bei der Bauernfamilie Grabner. Hier gibt es auch einen Hofladen, der von verschiedenen Betrieben aus der Umgebung bestückt wird. Ein Gemeinschaftsprojekt. Die Familie kredenzt uns Butterbrote mit Wildkräutern und selbst gemachte Limonade. Alle sind so gastfreundlich und lebensfroh. Nach der E-Bike-Tour sagt Finn: "Zuerst hatte ich Angst, aber dann hat es richtig viel Spaß gemacht!" Er kann wirklich kaum genug bekommen.

Die Abreise fällt uns schwer. Hausherr René schlägt vor: "Bleibt doch noch, wir holen die Koffer einfach wieder aus dem Bus raus." Wie gerne würden wir seinem Vorschlag folgen ...!

Picknick mit Kräuterbutter.© Hotel Der Stern
Picknick mit selbst gemachter Kräuterbutter.

Hinweis in eigener Sache: Die Reise unserer Testfamilie wurde vom Hotel "Der Stern" ermöglicht. Über die Inhalte in diesem Artikel entscheidet allein die Redaktion.