Hättet ihr's gedacht?

Ernährungsexpertin: "Der Teller muss nicht leer sein, damit es Nachtisch gibt!"

Es lohnt sich doch immer mal, die Perspektive zu wechseln. Warum eine Ernährungsberaterin einen Nachtisch für Kinder völlig okay findet, auch wenn sie den Teller nicht leer gegessen haben, lest ihr hier.

Kleines Kind mit Schoko-Dessert streckt die Zunge raus.© iStock/Halfpoint
Manchmal hat man nur noch Lust auf Nachtisch – und das ist okay.

Mal ganz ehrlich: Kennt ihr das von euch selbst, dass ihr etwas esst und hinterher Lust auf etwas Süßes habt? Warum sollte es euren Kindern anders gehen. Was dahintersteckt und warum das alles andere als verwerflich ist, verrät uns die Diätassistentin Misava Macamo.

Lust auf unterschiedliche Geschmacksrichtungen ist ganz normal

Menschen können von einem bestimmten Geschmack oder einer bestimmten Art von Nahrung satt sein, jedoch für andere Geschmacksrichtungen weiterhin Hunger verspüren. Das zu wissen, ist laut Misava Macamo ganz entscheidend dabei, wenn man kindliche Ernährung verstehen will. Für dieses Phänomen gibt es sogar einen Fachbegriff: "selektiv rezeptorale Sättigung". Diese Funktion unseres Körpers ist evolutionsbiologisch bedingt und dient dazu, eine möglichst vielfältige Ernährung sicherzustellen. Durch das Wechseln zwischen verschiedenen Geschmacksrichtungen wird gewährleistet, dass der Körper eine breite Palette an Nährstoffen erhält. "Indem wir Kinder zwingen, ihren Teller leer zu essen, bevor sie Nachtisch bekommen, unterbrechen wir diesen natürlichen Prozess und könnten ihre Fähigkeit zur selbstregulierten Nahrungsaufnahme stören", betont die Expertin.

Lebensmittel bitte nicht in gute und schlechte einteilen

Weiter weist sie darauf hin, dass es Kindern gegenüber wichtig sei, die Einteilung von Lebensmitteln in "gut" und "schlecht" zu vermeiden. 

Wenn wir Nachtisch als Belohnung für das Aufessen des Hauptgerichts darstellen, verstärken wir diese Einteilung und fördern eine ungesunde Beziehung zu Lebensmitteln. 

Alle Nahrungsmittel sollten als Teil einer ausgewogenen und vielfältigen Ernährung betrachtet werden. Die Ernährungsexpertin erläutert: "Indem wir Kindern beibringen, dass bestimmte Lebensmittel erst nach dem Konsum anderer erlaubt sind, setzen wir unbewusst ein Zeichen, dass diese Lebensmittel von unterschiedlichem Wert sind, was zu einer verzerrten Wahrnehmung führen kann."

Autonomie und intuitive Ernährung fördern

Wir sollten Kinder dazu ermutigen, auf ihre eigenen Hunger- und Sättigungssignale zu hören und entsprechend zu handeln. Diese Selbstregulation ist laut Misava Macamo ein wesentlicher Bestandteil einer gesunden Ernährungsweise. "Wenn Kinder die Freiheit haben, zu entscheiden, wann sie satt sind, fördern wir ihre Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstregulation", sagt die Expertin. "Dies stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihr Vertrauen in die eigenen Körperbedürfnisse." 

Ein solches Umfeld, in dem Kinder ihre Essentscheidungen ohne äußeren Druck treffen können, fördert langfristig eine positive und gesunde Einstellung zum Essen.

Zeit lassen und keinen Druck machen

Druck und Zwang beim Essen können laut Misava Macamo zu stressbedingten Essstörungen führen. Kinder brauchen die Möglichkeit, sich Zeit zu lassen und in ihrem eigenen Tempo zu essen. Eltern sollten den Nachtisch nicht als Belohnung oder Druckmittel verwenden, sondern ihn als normalen Bestandteil der Mahlzeit sehen. Die Diätassistentin sagt:

Wenn Kinder wissen, dass der Nachtisch nicht von ihrem Verhalten beim Hauptgericht abhängt, können sie entspannter essen und sich besser auf ihr Sättigungsgefühl konzentrieren.

Abschließend rät Misava Macamo: "Es ist verständlich, dass ihr euch Sorgen macht, wenn euer Kind am liebsten den ganzen Tag nur Süßes essen würde. Die Versuchung, Zwang oder Belohnung einzusetzen, um das Hauptgericht attraktiv zu machen, ist nachvollziehbar. Jedoch gibt es gesündere und langfristig effektivere Ansätze, um das Essverhalten eures Kindes zu fördern."

So lernen eure Kinder gesundes Essverhalten

Dies sind weitere Tipps von Misava Macamo, welche Strategien ihr langfristig einsetzen könnt, um ein gesundes Essverhalten bei euren Kindern zu fördern:

  1. Vielfalt und Präsentation der Mahlzeiten: Bietet eine bunte und vielfältige Auswahl an Lebensmitteln an. Kinder sind oft neugierig und probieren eher neue Dinge, wenn sie visuell ansprechend präsentiert werden. Ein Teller mit verschiedenen Farben und Texturen kann appetitlicher wirken.
  2. Einbeziehung der Kinder: Lasst euer Kind bei der Essensvorbereitung mithelfen. Kinder, die in die Zubereitung ihrer Mahlzeiten eingebunden sind, sind oft stolz auf das Endergebnis und bereitwilliger, es zu probieren. Fragt euer Kind, welches Gemüse es in die Suppe geben möchte oder lasst es beim Tischdecken helfen.
  3. Positive Vorbilder: Kinder lernen durch Nachahmung. Esst selbst eine Vielzahl von gesunden Lebensmitteln und zeigt Freude daran. Wenn Kinder sehen, dass ihre Eltern Gemüse und andere gesunde Optionen genießen, sind sie eher geneigt, diese auch zu probieren.
  4. Regelmäßige Mahlzeiten und Snacks: Strukturiert den Tag mit regelmäßigen Mahlzeiten und gesunden Snacks. Dies kann helfen, den Heißhunger auf Süßes zu reduzieren. Wenn Kinder wissen, dass sie regelmäßig essen, fühlen sie sich sicherer und sind weniger geneigt, zu naschen.
  5. Kein Druck und keine Belohnung: Vermeidet es, das Essen zu einer Machtprobe zu machen. Druck und Belohnung können zu einer negativen Beziehung zu Lebensmitteln führen. Bietet stattdesseb das Essen ohne Zwang an und lasst euer Kind entscheiden, wie viel es essen möchte.
  6. Ermutigung zur Selbstregulation: Helft eurem Kind, auf seine Hunger- und Sättigungssignale zu hören. Fragt zum Beispiel: "Hast du noch Hunger oder bist du schon satt?" Dies fördert das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse und unterstützt eine gesunde Selbstregulation.