Bauchgefühl

Intuition in der Erziehung: Wie Eltern lernen, auf ihre innere Stimme zu hören

Als frisch gebackene Eltern wollen wir alles richtig machen. Doch der Berg an Ratgebern, Tipps und gut gemeinten Ratschlägen kann schnell überwältigend sein. Was wirklich zählt? Das Bauchgefühl!

Mutter hält ihr Baby.© iStock/shurkin_son
Mit dem Bauchgefühl liegen Mama oft goldrichtig.

Ein Neugeborenes, das auf der Brust seiner Mutter schläft. Ein Sinnbild für Nähe, Ruhe, Geborgenheit. Nichts wirkt so innig, so vertraut, so natürlich. Und doch ist das oft nur der äußere Schein. Denn innerlich melden sich bei frisch gebackenen Müttern meist tausend Stimmen zu Wort: Trinkt es zu wenig? Trinkt es zu viel? Schade ich ihm, wenn ich es in seinem eigenen Bettchen schlafen lasse? Ist das Familienbett wirklich so gefährlich? 

Heutzutage prasseln neben den schlauen Ratschlägen von Familie und Freunden noch unzählige Tipps aus Blogs, Podcasts, Social Media und Ratgebern auf uns ein. Die innere Stimme? Kann sich kaum noch durchsetzen gegen den ganzen Lärm von außen.

Verbissenheit steht der Intuition im Wege

Schließlich wollen wir als moderne Eltern doch alles richtig machen. Das Credo: Selbstoptimierung – auch in Erziehungsfragen. Nur tun wir damit dem zarten Stimmchen, das sich auch Intuition nennt, nicht unrecht?
Sind wir nicht möglicherweise am besten beraten, wenn wir uns auf unser Gespür verlassen?

Karima Stockmann, Mutter einer sechsjährigen Tochter, Meditationslehrerin und Stressmanagement-Expertin, hat darüber ein Buch geschrieben ("Intuitives Muttersein: Mit gestärktem Bauchgefühl zu innerer Klarheit und Selbstvertrauen"). Sie rät Eltern dazu, ihrer inneren Stimme wieder mehr Vertrauen zu schenken.

Aber: Intuition – was ist das eigentlich?

"Intuition ist eine Form der inneren Führung, die uns hilft, Entscheidungen zu treffen und Antworten zu finden – auf die kleinen genauso wie auf die großen Fragen des Lebens", verrät uns Karima Stockmann. "Als Eltern sind wir nicht nur für uns selbst, sondern auch als engste Wegbegleiter für unsere Kinder verantwortlich. Unsere Intuition kann uns bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe zur Seite stehen und vertrauensvoll leiten, wenn wir wissen, wie wir sie gezielt befragen können."

Intuition als innerer Kompass

Warum weint mein Kind? Was braucht es in diesem Moment von mir? Was koche ich heute Abend? Die Antworten auf all diese kleinen Fragen des Alltags schlummern meist schon in uns – wenn wir nur genau hinhören.

Die Intuition kann Eltern wie ein Kompass durch den Tag führen – wenn wir sie erkennen. "Doch oft wissen wir gar nicht, welcher 'Berater' uns hier eigentlich gerade mitteilt, was zu tun ist: Ist es wirklich das intuitive Bauchgefühl oder nicht doch die Angst, also eine Emotion, die sich im Körper zeigt? Spricht gerade wirklich die Stimme meines Herzens zu mir oder vielleicht eher mein innerer Kritiker/Zweifler/Antreiber, dessen Worte meinem Verstand und seinen Glaubenssätzen entspringen? Genau deshalb ist es so wichtig, wieder zu lernen, wie sich unsere Intuition überhaupt ausdrückt und wie wir sie von Emotionen und Gedanken unterscheiden können", weiß die Autorin.

Innere Zerrissenheit überwinden

Das Überangebot an Informationen, das Eltern heutzutage zur Verfügung steht, kann dabei Fluch und Segen zugleich sein. "Informationen können natürlich je nach Quelle sehr wertvoll sein. Sie können uns aber in der Summe auch mental überfrachten, in die Irre führen und uns von uns selbst wegziehen. Qualität statt Quantität ist beim Wissensdurst also essenziell", so Karima Stockmann. "Wenn wir die Verbindung zu uns selbst und somit auch zu unserer Intuition stärken, können wir intuitiv wahrnehmen, ob uns bestimmte Artikel, Bücher, Podcasts oder auch Social-Media-Beiträge wirklich guttun, weiter bringen und mit uns in 'Resonanz gehen' oder eben nicht."

Deshalb sei es wichtig, dass Eltern die natürliche Stärke ihrer Intuition reaktivieren. "So können wir wieder öfter auf uns selbst vertrauen - auch dann, wenn fremde Meinungen uns vom Gegenteil überzeugen wollen. Letztlich steckt ja doch kein Experte und keine Expertin dieser Welt in exakt der gleichen Lebenssituation wie wir. Somit kann am Ende auch kein anderer Mensch wissen, welches Verhalten zum Beispiel als Mutter wirklich das 'Beste' für uns selbst und unsere Kinder ist."

Auch Papas können ihr Bauchgefühl trainieren

Aber haben Väter die gleiche Intuition wie Mütter? "Gerd Gigerenzer kommt in seinem Wissenschaftsbuch 'Bauchentscheidungen' zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich allen Menschen das Talent zum Intuitivsein innewohnt", sagt Karima Stockmann. "Unsere Intuition ist jedoch nicht rein angeboren. Im Gegenteil, ein sehr viel größerer Anteil unserer intuitiven Weisheit speist sich aus Erfahrungswerten und wird durch regelmäßiges Intuitionstraining gestärkt. Und da Frauen und Männer ihre Intuition oft ganz natürlich in verschiedenen Lebensbereichen trainieren, ist diese dann auch in diesen Bereichen unterschiedlich stark ausgeprägt. Jeder Mensch – unabhängig seines Geschlechts – kann sich also individuell entscheiden, wie und wo er seiner Intuition auf die Sprünge hilft."

Das sind doch gute Nachrichten! Es gibt also keine faulen Ausreden mehr: Wer nicht sowieso schon über eine gute Intuition verfügt, kann sie also jederzeit trainieren.