Im Hier und Jetzt: Gemeinsam den Moment zu genießen ist ein Faktor, der Familien glücklich machen kann.© Foto: Freepik.com
Im Hier und Jetzt: Gemeinsam den Moment zu genießen ist ein Faktor, der Familien glücklich machen kann.

Würde man Eltern fragen, was sie sich am meisten für ihr Kind wünschen, wäre die Antwort sicherlich: dass es glücklich wird. In schwieri­gen Zeiten wie diesen wird jedoch besonders deutlich, wie selten wir im Alltag darüber nachdenken, was uns wirklich glücklich macht – und was Glück für unsere Kinder bedeutet. Viele Schülerinnen und Schüler wären jetzt glück­lich, wieder ganz normal in die Schule gehen zu dürfen. Gleichzeitig erinnern wir Eltern uns noch gut daran, dass unsere Kinder nicht immer glücklich aus der Schule nach Hause gekommen sind. Was macht Glück also aus? Wann fühlen wir es – und wie?

Was genau ist Glück?

Zunächst lohnt es sich, diesem seltsamen Gefühl ein­ mal grundsätzlich auf die Spur zu gehen. Der Duden definiert Glück als einen "Zustand der inneren Befrie­digung und Hochstimmung", eine "angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat". 

Schon zu Urzeiten versuchte man das Phänomen zu ergründen. Für die Philosophen galt Glück meist als Ziel einer tugendhaften bis hedonistischen Lebens­ weise. Heutige Wissenschaftler betrachten es als ein subjektives Wohlbefinden, das für jeden etwas anders sein kann. In der Psychologie ist das Glücksempfinden gekennzeichnet durch unterschiedliche, überwiegend positive Gefühle.

Was passiert da in unserem Kopf? Ende der 50er­ Jahre entdeckte James Olds an der University of Michigan mittels rauschauslösender Stimulation bei Ratten das Lustzentrum im Gehirn. Chemisch be­trachtet: Wenn etwas besser ist als erwartet, stoßen Hirn-­Neuronen das Glückshormon Dopamin aus, das wiederum euphorisch machende Stoffe produziert. Unsere Aufmerksamkeit wird durch das verschärf­te Empfinden dynamischer Glücksgefühle gesteigert und speichert das Ereignis als wohltuend ab.

Happy durch aktives Gestalten

Wie leicht es uns fällt, glücklich zu sein, wird Schätzun­gen von Forschern zufolge etwa zur Hälfte vererbt – in manchen Familien liegt eher Leichtigkeit, in anderen eher Missmut in den Genen. Weitere zehn Prozent hän­gen an Lebensumständen, die wir nicht verändern kön­nen. Zum Glück sind wir (und unsere Kinder) dem aber nicht hilflos ausgeliefert, denn immer noch 40 Prozent unseres Glücks haben wir selbst in der Hand. Glücksfaktoren können dabei zum Beispiel eine stabile Beziehung, Freundschaften, Geselligkeit, Gesundheit, Kinder, der richtige Job oder ausreichend Geld sein. Glücksforscher der Rotterdamer Erasmus-­Uni­versität haben außerdem festgestellt, dass glückliche Menschen aktiver und kreativer sind. Wer sich gefordert fühlt, steigert sein Selbstwertgefühl und senkt die Angst zu versagen.

Glück kann man lernen

In seinem Buch "Die Glücksformel" erklärt Autor Stefan Klein, dass Glück wie eine Fremdsprache lern­ und trainierbar ist. Lust, Freude, Neugier und Aufmerksamkeit seien untrennbar mit dem Lernen verbunden. Herausforderungen, menschliche Bezie­hungen sowie ein aktiver Alltag seien Etappen auf dem Weg zum Glück. Für kognitives Wohlbefinden und die Fähigkeit, positive Stimmungen wahrzunehmen, ist es unabdingbar, über ein gewisses Maß an Lebenszufriedenheit zu verfügen. Ein zu übereifriges Streben nach Glück macht allerdings eher unglücklich. Klein sieht die größte Glücksfalle darin, sich mit anderen zu vergleichen und zu hohe Erwartungen zu haben.

Viele Erwartungen an ein Kind

Spätestens das führt direkt zu unseren Kindern. Wie können sie glücklich werden, wenn ihr Alltag so wenig selbstbestimmt ist? Wer aufwächst, muss sich zunächst einmal anpassen – und vergleichen lassen. In der Familie sind ein gewisses Maß an Folgsam­keit und Einfühlungsvermögen nötig, in der Schule Disziplin und Leistung, die sich in Noten widerspie­geln. Und in den sozialen Medien vergleichen Jugend­liche ständig ihr Aussehen, ihre Kreativität und ihren Humor. Wenn Kinder solchen Anforderungen nicht gewachsen sind, drohen sie zu zerbrechen.

Immerhin: Einer Salzburger Studie zufolge sind Kinder überwiegend glücklich. Dabei definiert jeder sein Glück für sich. Für Theo, 7, ist es "drau­ßen Fußball spielen", für Rebecca, 9, "wenn Mama vorliest", Lillie, 16, ist glücklich, wenn sie ein gutes Stück Fleisch gegessen hat, und Emelie, 18, wenn sie sich motivieren kann, für ihre Ziele immer weiterzu­machen. Je älter und mündiger Kinder werden, des­to stärker sinkt jedoch ihre Glückskurve. Während Sechsjährige noch zu 80 Prozent glücklich sind, sind es bei den 13-­Jährigen nur noch 40 Prozent.

Was Kinder glücklich macht

Für Simone Langendörfer, psychologischer Coach und Spezialistin für Bewusstseinsentwicklung, zeigt sich Glück als "eine bewusste Lebenseinstellung: Dank­barkeit für die kleinen Dinge. Leichtigkeit, Zuversicht, Vertrauen, Liebe und Respekt allem Leben gegenüber. Glücklich sind wir dann, wenn wir in diesem Moment sind und wahrnehmen, wofür wir dankbar sein dürfen."

Langendörfer zufolge erfahren Kinder Glück durch liebevolle Beziehungen, Nähe und Geborgen­heit, nicht durch ein Tablet oder Smartphone. Auch Glücksforscher Stefan Klein zufolge liegt kindliche Lebensfreude in der "Wechselwirkung mit der Außen­welt" – verborgen in den kleinen Begegnungen, Be­rührungen und Erfahrungen des Alltags wie in einer Vorlesegeschichte, einer Umarmung, im Naturerle­ben, dem gemeinsamen Lachen und Spielen.

Was brauchen Kinder also zum Glücklichsein? "Entschleunigung", sagt Langendörfer. "Raus aus dem kognitiven Druck, weg mit dem Bulimie­lernen, das heute sowieso keinen Sinn macht. Kinder brauchen das Gefühl, dafür geliebt und anerkannt zu werden, weil sie unsere Kinder sind, und nicht, weil sie gute Schulnoten mit nach Hause bringen." Leistungsgebundene Liebe kann Langendörfer zufolge niemals glücklich machen: "Gestresste Eltern verursachen gestresste Kinder. Kinder sind von sich aus glücklich, wenn sie spüren, dass sie vertrauen können und geliebt werden."

Eltern, die das Glück ihrer Kinder fördern möchten, rät die Glücksforscherin, "im Alltag Stress und Druck zu minimieren. Ein liebevoller und geduldiger Umgang miteinander vermittelt Sicherheit. Schulnoten und Leistungsdruck sollten nicht das Alltagsleben beherrschen, Eltern sollten gelassener werden und sich einfach auch mal raushalten. Glück entsteht, wenn Eltern und Kin- der zusammen den Moment genießen. Einfach so – ohne Termine, Kontrolle und Planung." Das feine Gespür von Achtsamkeit und Empathie spielt dabei für Langendörfer eine entscheidende Rolle.

Autorin: Antonia Müller

Lade weitere Inhalte ...