Die Beziehung zwischen Mutter und Kind hat Höhen und Tiefen.© Foto: Getty Images
Die Beziehung zwischen Mutter und Kind hat Höhen und Tiefen.

Es gibt Sätze, von den man fest überzeugt ist, sie nie von seinem Sohn oder seiner Tochter zu hören zu bekommen. Und wenn es dann doch passiert, sind wir Eltern so fassungslos, als würde uns der Boden unter den Füßen weggerissen, Was kann denn da passiert sein?

Der kleine Julian, vier Jahre alt, kaut etwas lustlos auf seinem Frühstücks-Brötchen rum und sagt plötzlich völlig unvermittelt: "Mama, ich hab dich gar nicht mehr lieb" und dreht demonstrativ sein Köpfchen weg, als seine Mama ihm genauso demonstrativ ein Küsschen geben möchte.

Eltern lieben ihre Kinder. Kinder lieben ihre Eltern. Diese Gleichung geht aber nicht immer auf.

Marie, sechs Jahre alt, Erstklässlerin, findet Schule "megakrass" – auch wegen ihrer neuen Freundinnen. Von ihrer Mutter verabschiedet sie sich kuss- und grußlos mit einem "...und ich liebe dich nicht mehr, Mama."

Schule, Freundin, Lehrer - Marie´s neuer Lebensabschnitt verändert ihre Sichtweisen und deshalb sind die Eltern plötzlich auch nicht mehr allein Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens und ihrer Gefühle. Die Liebe sortiert sich neu und anders. Sie ist ungestüm, ungeschliffen, unerfahren.

Solch "Anti-Liebes-Sätze" von Kindern sind anders ausgesprochen als oft von Eltern verstanden. Der fällige Experten-Rat ist immer derselbe nichtssagende: "Sacken lassen, nicht spontan kommentieren und schon gar nicht emotional überreagieren. Die Wogen glätten sich fast von allein." Da ist sicherlich viel Wahres dran.

Auf diese Weise macht man sicherlich nichts falsch, aber auch nicht alles richtig. Es kann durchaus gefährlich sein, die Situation zu verniedlichen und zu verharmlosen, wenn man sie einfach auf sich beruhen lässt.

Kinder plappern viel und je nach Temperament, Lust und Laune munter drauflos. Aber beileibe nicht alles ist einfach nur so dahergeredet. Schon Vierjährige verblüffen ihre Zuhörer mit Entdeckungen und Erfahrungen, die ihnen sehr wichtig sind und in ihrem Gedächtnis eingemeißelt bleiben – und das geschieht vor allem dann, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.

Weitere wunde Punkte aus dem Blickwinkel von Kindern sind: mangelnde Aufmerksamkeit; wenig Zeit und kaum gemeinsame Unternehmungen; zu viele Verbote und fehlendes Verständnis für Begehrlichkeiten und Probleme. Kinder haben ein viel zu gutes Gedächtnis, um sich Dinge nicht merken zu können.

Marie hat eine liebevolle, aber auch sehr strenge Mutter, sie ist streng und schnell dabei mit Verboten wie "Das darfst du nicht". In der Schule gibt es diesen Satz nicht. Das gibt Marie trotz aller strikten Regeln eines intakten Schulbetriebs ein Gefühl von Freiheit und Eigenverantwortung. Sie darf...

Maries "Ich hab dich nicht mehr lieb" ist das Aufbegehren, sich aus der mütterlichen Umklammerung zu lösen. Um das zu erreichen, sagt sie intuitiv etwas, mit dem sie ihre Mutter "treffen" will. Und sie trifft – ins Herz.

Wenn Kinder ihren Eltern mit Liebesentzug zu Schulzeiten drohen, so ist das dem Alter geschuldet und in erster Linie ein sich freischwimmen wollen: "Lass mich bitte los". Und genau dieses Loslassen-Können ist für Eltern, insbesondere für Mütter, ein Problem – ihr Problem.

Die emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kindern steht allerdings erst dann auf dem Prüfstand, wenn die Kleinen schon ganz schön groß sind, und sich ab dem Teenager-Alter abnabeln. Es sind die spannenden und auch entscheidenden Momente, in denen sich zeigen wird, ob die Eltern-Kind-Beziehung auch intensive  "Liebes-Beziehung" bleibt.

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