
1998 veröffentlichten die Ärzte der American Association of Pediatricians ihre Bildungsrichtlinien. Schläge als Erziehungsmethode waren darin bereits ausdrücklich verboten. 20 Jahre später bekräftigen neue Studien und zusätzliche Forschungen diese Empfehlung.
Popo versohlen? Oder nur ein kleiner Klaps?
Diese Verharmlosung spielt die Folgen körperlicher Strafen gefährlich herunter. Amerikanische Kinderärzte gaben jetzt eine erneute Warnung vor dem Schlagen von Kindern heraus: Sie veröffentlichten eine Aktualisierung der Bildungsrichtlinien von 1998, in denen körperliche Strafen in der Erziehung bereits verboten waren. Im Vergleich zu vor 20 Jahren gibt es heute zusätzliche Studien und Forschungen, die alle eins belegen: Körperstrafe und verbaler Missbrauch sind als Erziehungsmaßnahme ineffektiv und verursachen neben den körperlichen auch psychophysischen Schäden.
In dem Update der Bildungsrichtlinien stellen die amerikanischen Kinderärzte fest: "Eltern sollten keine körperliche Bestrafung anwenden, auch nicht in Situationen der Wut als Bestrafung für Fehlverhalten." Die Empfehlung beschränkt sich dabei aber nicht nur auf körperliche Gewalt, sondern schließt auch die verbale Gewalt mit ein: "Ebenso sollten keine Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden, bei denen Worte verwendet werden, die Scham oder Demütigung hervorrufen."
Gewalt in der Erziehung ist sinnlos
Abgesehen von den körperlichen und seelischen Schmerzen, die diese Form der Bestrafung verursacht, haben Studien mittlerweile belegen können: Schläge und Beleidigungen sind als Erziehungsmethode vollkommen ineffektiv. Ein Versuch aus dem Jahr 2014 hat gezeigt: Kinder, die eine dieser Bestrafungen für ein Fehlverhalten erhalten hatten, kehrten wenige Minuten nach der Bestrafung zurück – um genau dasselbe noch einmal zu tun, wofür sie gerade bestraft worden waren.
Doch das Schlagen und Beleidigen der eigenen Kinder ist nicht nur eine vollkommen nutzlose Erziehungsmaßnahme: Es kann auch langfristig schwerwiegende Folgen bei den geschlagenen Kindern verursachen. So wurde eine Tendenz zur Aggression im Vorschul- und Schulalter sowie ein höheres Risiko für die Entwicklung psychischer Störungen bei betroffenen Kindern beobachtet. Eine weitere Studie hat zudem eine Verengung der Grauen Substanz in einigen Teilen des Gehirns und damit eine Verringerung des IQ belegt.
Kinder nicht schlagen: eine Selbstverständlichkeit?
"Ich würde mein Kind nie schlagen!" Das behaupten wohl die meisten Eltern von sich. Doch in Situationen der Wut oder der Hilflosigkeit ist es dennoch vielen schon passiert: Das Kind will nicht hören, nicht spuren, wird auch noch frech. Und irgendwann rutscht die Hand doch aus. Nur eine Ohrfeige, ein kleiner Klaps, mehr war da nicht. 40 Prozent (!) der befragten Eltern gaben noch 2011 in einer Umfrage in Deutschland an, ihrem Kind innerhalb der letzten zwölf Monate einen Klaps auf den Po gegeben zu haben.
Zehn Prozent der Mütter und Väter haben angegeben, ihr Kind bereits mit einer Ohrfeige bestraft zu haben. In den Vereinigten Staaten gaben laut einem Artikel 70 Prozent der befragten Eltern in einer Umfrage an, dass "ein guter Schlag manchmal notwendig ist, um ein Kind zu disziplinieren". Das war 2013. Trauriger Trost: Die Zahl ist bereits gesunken. Im Jahr 1984 stimmten noch erschreckende 86 Prozent der Mütter und Väter dieser Aussage zu.
Mit ihrer erneuten Warnung wollen die amerikanischen Kinderärzte Zahlen wie diese weiter senken.
Das empfehlen die Ärzte
"Gesunde Formen der Disziplin" lautet die Empfehlung der Ärzte. Aber was bedeutet das genau? Drei Beispiele:
- Die positive Stärkung des angemessenen Verhaltens
Anstatt Fehlverhalten zu bestrafen, wird das richtige Verhalten belohnt. Das bedeutet natürlich nicht, dass jedes Händewaschen oder Zimmeraufräumen mit einem Geschenk gefeiert werden soll. Aber ein ehrlich gemeintes Lob für das richtige Verhalten sorgt langfristig dafür, dass das Kind eben dieses Verhalten wiederholen wird. - Die Einführung von Grenzen
Grenzen müssen sein, keine Frage. Sie sind eine sinnvolle Orientierungsmöglichkeit für Kinder und sollten so klar und deutlich wie möglich formuliert werden. "Ich finde es nicht so gut, wenn du jetzt noch ein Stück Schokolade isst, weil du dann ja vielleicht gleich keinen Appetit mehr auf die Nudeln hast", ist für Kinder keine leicht verständliche Grenze. Mit einem klaren "Nein, es gibt vor dem Essen nichts Süßes mehr!", kann hingegen jedes Kind etwas anfangen. Verstößt es gegen eine solche eindeutige Regel, kann diese Grenzüberschreitung geahndet werden. Nicht mit Strafen, aber mit Konsequenzen. Zum Beispiel: heute kein Nachtisch nach dem Abendessen. Das Ziel: Das Kind soll lernen, Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen – auch für seine Fehler. - Das Schaffen von Vorbildern
Richtiges Verhalten lernen Kinder vor allem dann, wenn ihnen vorgemacht wird, wie es geht. Einfachstes Beispiel: Starren Mama und Papa beim Essen ständig auf ihr Handy, müssen sie sich nicht wundern, wenn ihr Sprössling eines Tages auch mit Smartphone in der Hand am Essenstisch sitzt. Die Eltern funktionieren als erste große Vorbilder natürlich am besten, sie bleiben aber nicht die einzigen: Oma und Opa, die großen Geschwister, Freunde und auch Helden aus Kinderbüchern und anderen Geschichten können "richtiges Verhalten" vormachen.