Drei Kinder am Spülbecken.© iStock/portishead1
Bei Aufschieberitis ist es einfacher, wenn alle mithelfen.

Auch wir Erwachsenen kennen das: Manchmal haben wir partout keine Lust, etwas zu tun, was eigentlich "dran wäre" und sein muss. Viele von uns kennen das nur zu gut: Die Steuererklärung bleibt liegen, bis auch die letzte Fristverlängerung verstrichen ist. Fenster putzen? Verschieben wir einfach. Selbst bei schönen Dingen wie der Urlaubsbuchung kann es sein, dass wir sie vor uns herschieben. Von daher sollten wir doch eigentlich verständnisvoll mit unseren Kindern sein, wenn sie keine Lust haben, die Spülmaschine auszuräumen oder die Hausaufgaben zu machen ...

Aufschieberitis bei Kindern

Ständiges Aufschieben kann sich allerdings zur richtigen Marotte ausprägen. Es geht dann gar nicht mehr in erster Linie darum, bestimmte Dinge nicht zu tun, sondern vielmehr kann es leicht zum Machtkampf ausarten, wenn Eltern ihre Kinder immer wieder dazu drängen, bestimmte Aufgaben doch bitte jetzt sofort zu erledigen. Dann wollen die Kinder oft erst recht nicht kooperieren. 

Chronische Prokrastination

Aufschieben nennt man auch prokrastinieren. Wie schon erwähnt, kennen wir alle dieses Phänomen, und es ist ganz normal, dass es hin und wieder vorkommt. Doch es gibt auch so etwas wie chronische Prokrastination. Hier sollten Eltern genauer hinschauen. 

Abhängig vom Alter ist es wichtig, dass Kinder bestimmte Dinge lernen. Sich selbst zu beruhigen, ihr Zimmer aufzuräumen oder mal den Tisch zu decken ... Sobald wir Aufgaben wie diese verteilen, ist auch die Gegenreaktion an der Tagesordnung. Sätze wie "Warte, ich spiele gerade", "Noch fünf Minuten", "Ich hab aber keine Lust" kennen wohl alle Eltern von ihren Kindern. Das ist auch erst mal nicht schlimm, sondern ganz normal. 

Aufschieberitis nach Alter

Psychologie-Professorin Caitlin Mahy forscht zu dem Thema an der kanadischen Brock Universität. Sie erklärt typisches Prokrastinationsverhalten nach Alter:

  • 2 bis 4 Jahre: Sehr beliebt in diesem Alter ist es, alltägliche Aufgaben wie das Anziehen oder Aufräumen hinauszuzögern. Eltern hören dann oft "Ich kann gerade nicht" oder "Keine Lust".
  • 5 bis 6 Jahre: Schulanfänger entwickeln schon ein Gefühl dafür, dass sie bestimmte Dinge tun müssen, auch wenn sie keine Lust haben. Eine typische Antwort: "Mache ich später". 
  • 7 bis 13 Jahre: Kinder in diesem Alter gewöhnen sich daran, mehr Hausaufgaben zu haben und für die Schule arbeiten zu müssen. Ein typisches Phänomen: Aufschieben bis auf den letzten Drücker. Das hat häufig damit zu tun, dass sie schlicht kein Interesse an den Aufgaben haben und sich nicht dazu motivieren können.  

Wenn Prokrastinieren zur Angewohnheit wird

Bei Erwachsenen kann chronische Aufschieberitis zu einem hohen Stresslevel führen und auch zu Angstattacken, die gesundheitliche Probleme mit sich bringen können. Schiebt man beispielsweise einen längst überfälligen Zahnarzttermin zu lange auf, kann einen das irgendwann einholen, so die Psychologin. 

Bei Kindern kann sich die Angewohnheit in nachlassenden schulischen Leistungen oder ständigem, täglichem Aufschieben zeigen, aber auch darin, dass sie es grundsätzlich ablehnen, Verantwortung zu übernehmen, nicht nur im Hinblick auf unbeliebte Aufgaben. Psychologin Mahy rät Eltern, sich nicht zu sehr zu sorgen, sondern auf ihre Kinder empathisch zuzugehen. 

Prokrastination – was ist das?

Prokrastination ist eine Form nicht funktionierender Selbstregulation, die wohl die meisten Menschen kennen. Man schafft es einfach nicht, bestimmte Aufgaben anzugehen. In vielen Lebensbereichen wird sie mit negativen Konsequenzen assoziiert.

Tipps, um der Aufschieberitis zu begegnen

  1. Rituale können helfen, überhaupt erst mal anzufangen. Denn das ist oft die größte Hürde und der schwerste Schritt. Unerwünschte Aufgaben können dann leichter zu bewältigen wirken. Beispiel: Vorm Zähneputzen von fünf herunterzählen. Oder einen Timer stellen, bevor eine Aufgabe erledigt werden soll. Das kann Kindern helfen zu akzeptieren, dass dann wirklich Handlung gefragt ist und kein Hinauszögern mehr.
  2. Ablenkung vermeiden. Sind Kinder von verlockenden, ablenkenden Dingen umgeben, fällt es schwerer anzufangen. Das ist bei uns Erwachsenen nicht anders. Noch mal schnell aufs Handy gucken, eben telefonieren ... Auch späte Deadlines verführen zum Aufschieben. Tipp: Zur Hausaufgabenzeit Spielzeug und Bildschirmgeräte wegräumen. Für Haushaltsaufgaben kürzere Deadlines setzen. Statt zu sagen "Bis zum Ende der Woche musst du dein Zimmer aufgeräumt haben" empfiehlt Mahy Sätze wie "Wir räumen jetzt dein Zimmer auf, dann sind wir in einer Stunde fertig".
  3. Große Aufgaben unterteilen. Die Anweisung, sich bettfertig zu machen, mag kleine Kinder noch überfordern. Besser: Putz dir die Zähne. Zieh dich um. Magst du noch eine Vorlesegeschichte aussuchen?
  4. Ein Spiel daraus machen. Schaffen Eltern es, aus Aufgaben Spiele oder kleine Wettbewerbe zu machen, sind Kinder oft viel eher bereit, mitzumachen. Statt einen negativen Fokus auf Aufgaben zu richten und eine Deadline zu setzen, können Eltern auch sagen: "Wie schnell schaffst du es, deine Spielzeuge wegzuräumen?" Oder: "Wollen wir mal schauen, wer schneller umgezogen ist?"

Nehmen Eltern oder auch Lehrkräfte prokrastinierendes Verhalten bei Kindern wahr, können sie ihnen helfen, eine gesunde Zielvereinbarung und Arbeitsmoral zu entwickeln.