
Wer kennt es nicht: Papa findet feste Regeln wichtig, Mama drückt oft ein Auge zu. Für Papa sind Süßigkeiten total okay, Mama besteht auf zuckerfreie Ernährung. Einschlafbegleitung ist für Mama sinnvoll, für Papa totaler Unfug. Jeder Elternteil fährt einen anderen Kurs und schon steht man vor der Herausforderung, mit Unterschieden umgehen zu müssen. Aber sollten Eltern nicht konsequent an einem Strang ziehen? Wir haben bei Familiencoach Cristina Sandner nachgefragt, ob Eltern immer einer Meinung sein müssen.
Selbstverständlich muss man das – nicht! Zwar bilden Eltern naturgemäß eine Einheit, gleichzeitig bleiben sie Individuen mit verschiedenen Prägungen, Temperamenten und Bedürfnissen. Zum Glück, denn diese Vielfalt birgt einen großen Ressourcenschatz. So profitieren Kinder von der kreativen Herangehensweise der Mutter beim Zubettgehen, auch wenn sie für den Vater übertrieben lange scheint. Und gleichzeitig von der präzisen Erklärweise des Vaters, wenn es um Mathe oder Sachkunde geht, auch wenn die Mutter findet, dass die Kinder ihre Hausaufgaben selbstständig erledigen sollten.
Unterschiedliche Erziehungsansichten sind okay
Euer Kind darf ruhig erleben, dass es okay ist, verschiedener Meinung zu sein – vorausgesetzt, ihr geht respektvoll miteinander um. Auf diese Weise lernt euer Nachwuchs für eigene Beziehungen und Freundschaften, wie man fair diskutiert und auch mal Uneinigkeit aushält. Guter Umgang mit Andersartigkeit stärkt das Selbstbewusstsein eures Kindes und macht es robuster.
Allerdings: Auch wenn völliger Gleichklang weder möglich noch erstrebenswert ist, bleibt es unerlässlich, bei wichtigen Themen wie Gesundheit oder (Medien-)Konsum gemeinsame Werte zu definieren. Auch um die Kinder nicht unbewusst dazu zu motivieren, euch gegeneinander auszuspielen.
Verschiedene Erziehungsstile: Zuständigkeiten können helfen
Es kann auch sinnvoll sein, Verantwortlichkeiten festzulegen. So kann derjenige, der die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule bringt, auch fürs ins Bett bringen zuständig sein. Sollte euer Kind nämlich unausgeschlafen und schlecht gelaunt sein, weil Mama langes Aufbleiben erlaubt, darf Papa, der es morgens für den Kindergarten fertig macht, das nicht ausbaden müssen. Oder ihr probiert ein Wechselmodell: Diesen Monat bringt Mama die Kinder ins Bett und Papa ist für die Hausaufgaben zuständig, nächsten Monat wird getauscht. Zieht nach einem Monat Bilanz und findet heraus, wer künftig für welchen Bereich am besten geeignet ist. Positiver Nebeneffekt: Der andere erlebt, wie anspruchsvoll vermeintlich einfache Aufgaben sein können. Das steigert gegenseitigen Respekt.
Wenn ihr euch als Eltern in der Erziehung uneinig seid – schreibt wichtige Dinge auf
Einem ewigen Streitpunkt könnt ihr auch so begegnen. Jeder notiert für sich, was er mit dem Thema verbindet: Was ist mir wichtig? Was glaube ich, ist dem anderen wichtig? Wo bin ich bereit, von meinem Standpunkt abzuweichen? Wo gibt es nichts zu rütteln? Beim Austausch über die Notizen stellt ihr vielleicht fest, dass ihr gar nicht so weit voneinander entfernt seid. So kann etwa bei der oft umstrittenen Frage "Schul- oder Alternativmedizin?" her-auskommen, dass die Kinder zwar geimpft werden sollen, ihr aber trotzdem einen naturheilkundlich oder homöopathisch praktizierenden Kinderarzt suchen wollt.
Unsere Autorin

Cristina Sandner ist Systemische Familien- und Paartherapeutin und frischgebackene Mama einer Tochter. Sie berät ihre kleinen und großen Klienten in ihrer Praxis in München sowie online.
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