Ganz schön temperamentvoll

Was ihr noch nicht über übermütige Kinder wusstet – aber wissen solltet

Das Temperament unserer Kinder zu verstehen hilft uns, einen guten Umgang mit ihnen zu entwickeln und sie optimal zu unterstützen. 

Kleiner Junge auf hohem Klettergerüst.© iStock/Evgenii And
Manche Kinder wagen sich hoch hinauf – vielleicht zu hoch?

Manchmal ist es schwer zu glauben, wie unterschiedlich Kinder sein können. Während die einen immer in Mamas oder Papas Nähe bleiben, nutzen andere jede Gelegenheit, um auf die Straße zu rennen, irgendwo herunterzufallen oder sich zu rangeln. Das Temperament unserer Kinder kennenzulernen, einzuordnen und entsprechend zu handeln ist eine Grundvoraussetzung für ein gutes Miteinander. Eine Psychologin hat Tipps parat, was man über übermütige Kinder wissen sollte.

Typisch übermütiges Kind

Hat euer Kind einen besonders starken Willen und ist übermütig? Spielt es ausgelassener als andere, überschätzt es sich oft und kann es nie genug haben? Wenn das zutrifft, hat es möglicherweise ein "überbordendes Temperament". Diese Kinder sind überschwänglich, scheinen an Energie überzuschäumen sind sind oft schwer zu "bändigen". 

Das Temperament ist quasi die Grundlage unserer Persönlichkeit und beschreibt die Art und Weise, wie wir aus uns heraus agieren und reagieren. Wenn wir dieses verstehen, können wir die Stärken unserer Kinder bewusst stärken und Machtkämpfen mit ihnen Einhalt gebieten. 

Hoppla, gerade noch mal gut gegangen

Willensstarke Kinder haben eine Tendenz, unvorsichtig in Situationen reinzustolpern, kaum Angst zu haben und sich übermütig in brenzliche Situationen zu stürzen. Oft sind sie sehr körperlich und impulsiv – aber aufgrund ihrer starken Gefühle emotional auch leicht verletzlich. Der Begriff "stark" beschreibt sie insgesamt ganz gut: Sie haben eine starke Meinung, starke Gefühle, einen starken Charakter. Daraus lassen sich für später wichtige Stärken entwickeln. 

Entwicklungspsychologen haben sich viel mit verschiedenen Charaktertypen auseinandergesetzt. Dabei gibt es meist eine der beiden folgenden Tendenzen, die sich auch damit zusammenhängen, wie stark sich jemand selbst regulieren kann:

  • zurückhaltend, gebremst bzw. gehemmt, Angst vor Neuem, scheut Veränderungen, übervorsichtig, generell ängstliche Tendenz
  • forsch, ungebremst bzw. hemmungslos, geht aktiv auf neue Situationen und fremde Menschen zu, genießt es, die Welt zu erforschen, kleine Erfolge bereiten ihnen große Freude

Durchschnittlich haben die meisten Menschen von Natur aus ein gewisses Maß an Behutsamkeit – einige sehr stark, andere kaum ausgeprägt. Normalerweise reagieren Kinder erst mal vorsichtig-zurückhaltend auf fremde Menschen. In der Forschung wurden extrem schüchterne, ängstliche Kinder lange mehr berücksichtigt als vorlaute. Doch seit einiger Zeit rücken auch energische, überschwängliche Charaktere, die einen starken Willen an den Tag legen, mehr in den Fokus der Wissenschaftler. 

Um die Stärken dieser "wilderen", extrovertierteren Kinder zu fördern, brauchen sie eine sanfte Führung. 

4 Tipps, wie Eltern ihre willensstarken Kinder unterstützen

  1. Verstehen, dass euer Kind mit einem lebhaften Wesen und einem starken Willen ausgestattet ist. Forscher haben herausgefunden, dass Gehirne unterschiedlich arbeiten, je nachdem, ob man ein überschwängliches oder ein zurückhaltendes Wesen hat. Temperamentvolle Menschen haben demnach mehr Aktivität im linken Frontallappen, während zurückhaltende Menschen mehr Aktivität im rechten Frontallappen zeigen. 
    Das zu wissen, kann helfen zu verstehen, dass Kinder in bestimmten Bereichen einfach so sind, wie sie sind und nichts dafür können – auch wenn es bei willensstarken Kindern öfter zu Wutausbrüchen oder Trotzanfällen kommen kann. Eltern können so ihre Erwartungshaltung anpassen und entsprechend verständnisvoller auf die Kinder eingehen. 
     
  2. Den Fokus auf die Freude lenken. Ja, das Kind mag dickköpfig, intensiv und mitunter anstrengend sein, aber diese Kinder sind bei aller Impulsivität meist auch sehr fröhlich, enthusiastisch und unterhaltsam. Oft tendieren wir dazu, gewisse "Label" zu vergeben, die einen großen Einfluss auf unsere Erwartungshaltung haben. Da hilft ein Perspektivwechsel: Nennen wir es doch einfach 
    - statt fordernd lieber Führungsqualitäten
    - statt Widerstand lieber Unabhängigkeit
    - statt dickköpfig lieber beständig
    - statt beharrlich lieber zielstrebig
    Sicher fallen euch noch viele weitere Beispiele ein. Mit einer einfachen Fokusverschiebung verändern wir gleich unsere Erwartung und unseren Umgang. Solange die Selbstregulation bei diesen Kindern noch nicht vollständig entwickelt ist, kann es öfter mal frustrierend sein. Doch machen wir uns bewusst, dass diese lebhaften Kinder viele Tendenzen haben, die ihnen später helfen werden, kann uns der Umgang leichter fallen. Gerade in den frühen Kindheitsjahren brauchen sie ihre Eltern am meisten.
     
  3. Sanfter und spielerischer Umgang. Lebhafte Kinder lassen sich gerne mitreißen und begeistern. Eine tolle Möglichkeit für einen entspannteren Umgang sind gemeinsame Spiele. So kann sogar ein Kuscheltier zum Helfer werden, indem es das Kind bittet, sich die Zähne zu putzen. Viele Kinder sind dann viel eher bereit zu kooperieren. Bei größeren Kindern könnt ihr einen Plan für alltägliche Aufgaben aufhängen und euer Kind dazu auffordern, ihn eigenständig auszufüllen. Willensstarke Kinder lieben es, die Kontrolle zu übernehmen und Dinge selbst in der Hand zu haben. 
    Außerdem gilt: Gefühle und Impulse anerkennen und gleichzeitig klare Grenzen setzen. Bei einem Wutanfall zum Beispiel: "Ich verstehe, dass du wütend bist, aber es ist nicht okay zu schlagen."
     
  4. Selbstregulation fördern. Überschwängliches Verhalten geht oft einher mit Impulsivität und geringer Selbstregulation, was im späteren Leben auch schwierig werden kann. Doch wenn ihr Selbstregulation fördert, indem ihr euer Kind liebevoll unterstützt und begleitet, wird es sie Stück für Stück immer besser lernen.