Expertenstimme

"Nicht so schlimm, wenn ich meine Kinder mal anschreie ..." – Doch!

Vierfachmama und Eltern-Coach Jana Alles erklärt in diesem Gastbeitrag, warum wir Eltern an unserer Wut arbeiten sollten – um sie nicht an unseren Kindern herauszulassen.

Eine Mutter, die mit ihrer Tochter schimpft.© iStock/chameleonseye
Wenn Mütter immer wieder von ihrer Wut überollt werden, kann das tiefere Gründe haben ... 

Viele Mütter kennen das Szenario: Immer wieder geraten sie an ihre Belastungsgrenze und haben ihre Gefühle kaum noch im Griff. Ein typisches Beispiel ist der morgendliche Stress, wenn das Kind sich weigert, sich anzuziehen – und die Mutter ohnehin schon unter Zeitdruck steht, um zur Kita und Arbeit zu kommen. Trotz der inneren Anstrengung, die die Mütter dann machen, um ihre aufsteigende Wut zu unterdrücken, gelingt dies nicht. 

Die Wut bricht heraus und die Mutter verliert die Kontrolle, was sich unter anderem in Schreien und Drohen äußert. Wer annimmt, dass Kinder solche Ausbrüche einfach verarbeiten, irrt sich gewaltig. Das Verhalten belastet das Kind nachhaltig, wenn die Ursachen der Wut nicht bearbeitet werden. In diesem Beitrag wird erläutert, warum solche Wutanfälle bei vielen Müttern auftreten, weshalb einfache Lösungen oft nicht ausreichen und wie Mütter das Problem grundlegend angehen müssen.

In diesen Situationen kommt es schnell zu Wutausbrüchen

Der Alltag mit Kindern birgt viel Potenzial für Konflikte. Ob Kinder, die auch nach der zehnten Aufforderung ihre Schuhe nicht anziehen möchten, das Zähneputzen verweigern oder einfach nicht schlafen wollen; heftige Wutanfälle, die aus dem Nichts kommen und in den Augen der Mutter kaum gerechtfertigt sind; Kinder, die häufig jammern; oder aber ständiger Geschwisterstreit – der Druck in der Mutter steigt mit jeder Minute in einer solchen Situation. 

Zwar gelingt es den meisten Eltern zunächst, Geduld und Ruhe zu bewahren, doch solche Situationen ziehen sich oft in die Länge und sind nicht schnell gelöst. Ein schreiendes Kind, das 45 Minuten lang nicht zu beruhigen ist, ein Streit, der den ganzen Tag überschattet oder ein abendliches Ritual, das Stunden dauert, bringt viele an ihre Grenzen. Schließlich entsteht ein Gefühl von Überforderung und die Mütter explodieren förmlich vor Wut.

Warum Schreien, Schimpfen oder Liebesentzug Kinder langfristig schadet

Wenn die Wut die Oberhand gewinnt, reagieren viele Mütter auf ähnliche Weise. Häufig schieben sie die Schuld für die Situation auf ihre Kinder. Typische Aussagen wie "Du bist selbst schuld, dass ich jetzt mit dir schreien muss!" oder "Hättest du dich anders benommen, wäre es gar nicht so weit gekommen!" dienen oft als Rechtfertigung für das eigene Verhalten. Darüber hinaus werden die Emotionen des Kindes häufig heruntergespielt oder abgewertet, etwa durch Sätze wie "Jetzt hör doch auf mit dem Theater" oder "Für so etwas musst du doch keine halbe Stunde weinen!"

Manche Mütter reagieren zudem mit Liebesentzug, verweigern ihren Kindern die Aufmerksamkeit und beginnen, sie bewusst zu ignorieren. Im schlimmsten Fall überschreiten sie Grenzen, indem sie schreien, Drohungen aussprechen oder sogar körperlich reagieren – Verhaltensweisen, die das Kind langfristig emotional und psychologisch schädigen.

"Es ist nicht schlimm, wenn ich ab und an die Kontrolle verliere" – warum Eltern niemals so denken sollten

Schreit eine Mutter ihr Kind regelmäßig an oder setzt es auf egal welche Weise unter Druck, hat dies langfristige Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Oft übernehmen Kinder unbewusst die Verantwortung für die Schwierigkeiten ihrer Eltern. Solche negativen Erfahrungen, insbesondere das häufige Angeschrienwerden, schwächen das Selbstwertgefühl des Kindes und begünstigen die Entwicklung belastender Verhaltensweisen. Das kann sich in verschiedenen Formen äußern, etwa durch übermäßige Anpassung, Angst vor Verlusten, Kontrollzwang oder eine starke Harmoniesucht. Auch psychische Probleme wie Depressionen oder Burnout können die Folge sein. Viele Kinder entwickeln zudem das Bedürfnis, es allen recht machen zu müssen und vernachlässigen dabei ein Leben lang ihre eigenen Bedürfnisse. 

So kann man die Wut grundlegend aufarbeiten

Um Verantwortung für die eigenen Kinder zu übernehmen und die eigenen Grenzüberschreitungen zu vermeiden, ist es entscheidend, den Ursprung der Wut zu verstehen. Die Gefühle, die Mütter in solchen Momenten erleben, sind Impulse des Gehirns und ein passiver Prozess, der nicht kontrollierbar ist, sondern einfach passiert. Manche schaffen es zwar, ihre Wut immer wieder zu unterdrücken, doch auch bei ihnen entlädt sie sich irgendwann. Dahinter steckt ein Auslöser, ein sogenannter Trigger.

Ein Trigger ist ein Reiz, der bestimmte Reaktionen auslöst. Er kann zum Beispiel auf ein Gefühl, einen Geruch, einen Gedanken, ein Geräusch oder eine Farbe zurückgehen. Solche Trigger wirken wie Warnsignale und versetzen das Gehirn in den Überlebensmodus. In diesem Zustand reagiert der Körper mit Kampf, Flucht oder Erstarren. Daraus folgt: Die Wut hat ihren Ursprung in den unverarbeiteten Ursachen des Triggers. Nur wer diese Ursachen und die dahinterliegenden Glaubenssätze auflöst, kann sich dauerhaft von Triggern lösen.

Es genügt daher nicht, lediglich nach kurzfristigen Maßnahmen wie Atemübungen zu suchen, um die Wut im Moment zu bewältigen. Solche Methoden lindern zwar die Symptome, greifen aber nicht an der Wurzel des Problems. Stattdessen ist es notwendig, die tief verankerten Verhaltensmuster und Trigger zu reflektieren und aufzuarbeiten. Nur so können Mütter ihre Kinder auf ihrem Weg durch alle Entwicklungsphasen begleiten und ihnen das Gefühl von Sicherheit geben, das sie selbst vielleicht vermisst haben.

Unsere Expertin:
Jana Alles

Mit Smart Parents bietet Jana Alles ein Coaching an, das an der Ursache der Wut der Mütter ansetzt. Gemeinsam mit den Frauen geht sie Schritt für Schritt auf die Suche nach der Ursache ihrer Glaubenssätze. Es geht darum, den Ur-Schmerz aus der eigenen Kindheit sowie der Ahnenreihe und darüber hinaus zu finden. Das Ziel ist, dass die Mutter ihre Kinder empathisch, bewertungsfrei und bedürfnisorientiert begleiten kann. Nur so kann das Kind mit Selbstwert und Selbstbewusstsein durchs Leben gehen und eine starke Verbindung zwischen Mutter und Kind bestehen.