Teenager liegt nachdenklich auf dem Bett.© Pexels/Darina Belonogova
Thought Daughters sind oft in Gedanken versunken.

Ähnlich wie die klischeehafte "älteste Tochter" fühlt sich auch die "Thought Daughter", also auf Deutsch etwa gedankenvolle Tochter, tendenziell verantwortlich, besorgt und möchte anderen gefallen. 

Thought Daughter versus älteste Tochter

Doch während die älteste Tochter in der Regel eine starke Persönlichkeit ist, mit Hang zur Kontrolle, sind Thought Daughters eher introvertiert, wählen oft eine intellektuelle Herangehensweise und kennen endlose Gedankenschleifen. Das muss aber nicht zwangsläufig negativ sein, sagen Experten. 

Der Thought-Daughters-Trend

Bei Social Media sind Posts zu Thought Daughters viral gegangen. Doch woher kommt auf einmal dieser Hype, vor allem, wo sogenannte Thought Daughters das Rampenlicht an sich doch eher scheuen? Sie sind im Prinzip eine Gegenreaktion gegen einen ursprünglich anderen Begriff. Provokative Interviewer hatten, so heißt es, auf der Straße Leute gefragt, ob sie lieber einen schwulen Sohn, oder eine "Thot Daughter" ("thot" ist eine Abkürzung für einen herabwürdigenden Begriff wie "die Schlampe da drüben") hätten. 

Frauen haben bei Tiktok schnell reagiert und aus "thot" kurzerhand "thought" gemacht. So war eine neue Internet-"Bewegung" entstanden. Auf einmal tauchten diverse Thought Daughters auf, die die Gelegenheit nutzen, sich auf Social Media zu präsentieren. 

Was thought daughters ausmacht

Thought Daughters bei Tiktok beschreiben sich selbst als jemanden, der ständiges Gebrabbel im Gehirn hat. Nach jeder Situation müssen sie erst einmal analysieren, ob sie auch in einem guten Licht gesehen wurden. Sie fühlen sich in Bezug auf Medien zu dunkleren Inhalten hingezogen, weil sie sich dort wiedererkennen und sich gesehen fühlen. 

Die klinische Psychologin Dr. Nicolle Pacifico von der St. Joseph Heritage Medical Group, USA, sieht in den Thought Daughters ein langfristiges Phänomen. Sie beschreibt die Mädchen, die in der Zeit nach der Pandemie zu Jugendlichen werden, als welche, die sich häufig missverstanden und sozial isoliert fühlen, da sie nicht so tief verstanden werden, wie sie es brauchen oder sich wünschen. Diese Mädchen seien sehr gewissenhaft, haben intensive Gefühle, kümmern und sorgen sich sehr. Sie überanalysieren alles und fragen sich dann, ob sie etwas Falsches gesagt oder getan hätten und ob ihre Freunde sie wirklich mögen. Ihre ständig kreisenden Gedanken können schon mal überwältigen. 

Ein Hauptmerkmal sei das Bedürfnis, verstanden zu werden. Dafür ziehen sich Thought Daughters oft in Welten aus Büchern, Filmen oder Musik zurück. Besonders hilfreich ist es für sie, wenn Eltern, Freunde und Geschwister ihnen das Gefühl geben, sie zu verstehen und ihre Gefühle ernst nehmen. 

Im folgenden Tiktok-Filmchen erklärt eine Thought Daughter (auf Englisch) die Charakteristika, die sie ausmachen:

Wie Eltern mit Thought Daughters umgehen können

Um eine wirkliche Verbindung zu Thought Daughters aufzubauen, ist es essenziell, ihnen ihre Gefühle zuzugestehen, ohne sie zu kritisieren oder zu verurteilen. Experten empfehlen, eher Fragen zu stellen und zuzuhören, statt den Oberlehrer zu spielen und die eigenen Ängste auf die Jugendlichen zu projizieren. Es ist menschlich, starke Gefühle zu haben. Vor allem für Jugendliche können die auch wirklich mal sehr intensiv ausfallen. 

Ihre Gehirne befinden sich noch in der Entwicklung, daher können Teenager schon mal übertrieben emotional oder impulsiv reagieren und sind außerdem anfällig für Einflüsse von Gleichaltrigen oder eben Social Media. Oft können sie ihre eigenen Gefühle noch nicht so gut verarbeiten und regulieren. 

Eltern tun ihren Töchtern auch einen Gefallen, wenn sie ihre besonderen Eigenschaften wie das viele Nachdenken als Superkraft ansehen. Schließlich ist es ihnen wichtig, wie es anderen geht. Sie sind nicht gleichgültig. Ihre Fürsorglichkeit zeichnet sie aus und bringt eine Wärme und Weichheit in die Welt, die wir alle gut gebrauchen können, betont Dr. Pacifico. 

Oft haben diese Mädchen tolle Ideen und Einfälle, ein starkes Bewusstsein und eine erstaunlich reife Selbstwahrnehmung. Eltern sollten hellhörig werden, wenn die Kinder sich plötzlich von heute auf morgen stark verändern. Das kann ein Hinweis auf Einflüsse von außen sein, denen sie gerecht werden wollen. Auch hier empfehlen Experten, ins Gespräch zu kommen, genau zuzuhören, ohne zu bewerten oder zu verurteilen und am besten auf reife und intelligente Art und Weise zu diskutieren, wenn es angemessen scheint. 

Alle Teenager brauchen auch Zeit für sich. Das kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wenn Jugendliche sich komplett isolieren, keine Freunde mehr treffen, nicht mehr an Aktivitäten teilnehmen, sich ihr Schlafverhalten stark verändert, oder auch ihr Gewicht, sie regelmäßig schwere Stimmungsschwankungen haben, oder generell sehr ängstlich sind, kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.