Promi-Interview

Annika Blendl: "Ich hatte keine Angst vorm Kinderkriegen"

Seit 2001 steht Annika Blendl vor der Kamera, auch als Dokumentarfilmerin ist sie inzwischen bekannt. Hier erzählt sie exklusiv von ihrem Familienleben und was sie – vor allem von ihrem großen Sohn – gelernt hat.

Annika Blendl ist zweifache Mutter.© Foto: ©Dirk Ossig
Annika Blendl ist zweifache Mutter.

Annika Blendl – zur Person

Die Schauspielerin und Regisseurin Annika Blendl (geboren 1981) ist einem größeren Publikum seit 2019 durch ihre Rolle als Ermittlerin der Mordkommission Leipzig in der ZDF-Krimireihe "das Quartett" bekannt geworden. Vorher hat sie in diversen TV-Serien mitgespielt ("Donna Roma", "Kommissar Stollberg"). Sie wurde auch bekannt mit der Dokumentation "Mollath – und plötzlich bist du verrückt". Mit ihrem Lebensgefährten, dem Schauspieler Alexander Beyer (geboren 1973), hat sie ein Kind. Aus einer früheren Beziehung hat Blendl noch einen Sohn.

Auf das Wesentliche achten

27. Februar 2020: Das Größte habe ich sofort gelernt. Und das ist, auf das Wesentliche zu achten, nämlich auf Liebe, Gesundheit und Familie. Als mein Sohn ein halbes Jahr alt war, habe ich angefangen, an der Filmhochschule München Regie zu studieren. Die Leute dort waren alle hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt, und ich habe gemerkt: Das ist für mich anders. Mein Kind hat mich belehrt, gerade zu sein, schnell zu sein, effektiv zu sein, sich selber nicht immer als Erstes zu sehen. Ich würde sagen, mein Kind hat mich als Mensch und auch als Künstlerin nach vorne gebracht. Das Leben mit einem kleinen Kind hat alle stumpfsinnigen Gedanken, den ganzen Weltschmerz, den man so hat, ein Stück weit verschwinden lassen. Die Lektion war klar: Lebe in dem Moment!

Keine große Umgewöhnung

Ich hatte überhaupt keine Angst vorm Kinderkriegen und Erziehen. Ich habe fünf Geschwister, zwei ältere Schwestern, drei kleinere Brüder – wir sind in einer Riesenhorde aufgewachsen. Dadurch, dass meine Schwestern schon Kinder hatten, war das alles sehr nah an mir dran. Dieses Gefühl, nicht vorbereitet zu sein, nicht alles bedenken zu können, das hatte ich nicht. Mein älterer Sohn ist jetzt zehn Jahre alt, mein jüngster Bruder 26, aber dazwischen liegt noch mein ältester Neffe mit 15 – das hat etwas von einem gleitenden Übergang zur neuen Generation und passt zu meiner Familie, in der das alles sehr verbindend, nah und eng ist. Meine Brüder sind meine engsten Vertrauten, und sie sind toll als junge Onkel.

Frei und großartig denken

Ich habe mein erstes Kind mit 26 gekriegt. Für mich war es großartig, dass es relativ früh war. Ich sehe es so, dass wir Eltern unsere Kinder auf dem Lebensweg mitnehmen. Ich habe keine 180-Grad-Drehung gemacht, mein Leben komplett auf den Kopf gestellt und plötzlich gesagt: "Jetzt bin ich Mutter!" Wir haben gegenseitig voneinander gelernt. Meine beiden Kinder sind jetzt zehn und sechs, und es kommen immer mehr eigene Interessen und Ideen. Ich finde es absolut spannend und auch schön, dass man dabei immer wieder überrascht wird und nie ganz ergründen kann, woher all diese Ideen kommen.

Mein großer Sohn ist ein Erfinder und Techniker und hat wunderbare Ideen und Vorstellungen. Er zeigt einem jetzt schon, wie frei und großartig man denken kann. Er macht seine ganzen Erfindungen am Computer und ist da schon richtig fit. Er möchte Sachen erschaffen und bauen. Er war immer schon wahnsinnig flink, aber natürlich auch, weil wir ihn von Anfang an überall hin mitgenommen haben und er irgendwie klarkommen und sich schnell auf neue Situationen einstellen musste.

Meinungsfreiheit

Mein Sohn ist jetzt gerade aufs Gymnasium gekommen und hat uns deutlich gesagt: Er geht nicht in die Nachmittagsbetreuung – er ist jetzt zehn Jahre alt und fühlt sich nicht mehr betreuungspflichtig. Da wird man selber wachgerüttelt und fragt sich, ob man sich da ganz fair verhalten hat. Wir haben ihm immer ziemlich viel zugemutet, und da müsste man ihm jetzt eigentlich fairerweise sagen: "Du hast die Grundschule alleine gemeistert, wir haben nicht ein einziges Mal Hausaufgaben mit dir gemacht, sondern du hast alles im Hort erledigt, und warum solltest du jetzt, im Gymnasium, auf uns hören?"

Selbstständig und Eigenständig

Wir haben die Kinder zur Selbständigkeit und zur Eigenständigkeit erzogen und dürfen uns jetzt auch nicht wundern, wenn sie mit ihrem eigenen Kopf daherkommen. Gut, dann geht er jetzt eben mit zehn mit seinem eigenen Schlüsselchen von der Schule nach Hause, auch wenn ich es sehr früh finde. Und deshalb muss er leider auch ein Handy kriegen, auch wenn ich weiß, dass er darauf herumdaddeln wird. Aber man kann nicht verlangen, dass das Kind selbständig denkt und handelt und ihm dann sagen, er müsse alles genau so befolgen, wie es die Eltern wollen. Für mich heißt das auch zu hinterfragen, wie man Entscheidungen fällt. Natürlich aus dem eigenen Denken heraus, während man auch an das Kind denkt. Natürlich besteht die Gefahr, dass man damit falsch liegt.

Kinder wissen, was sie wollen

Wir hatten ihn im Gymnasium bei Latein angemeldet, und das bedeutet, Latein geht vor und Englisch, was er liebt und schon toll spricht, fällt hinten rüber. Er ist zu Hause so derartig auf uns losgeschossen und rief: "Ich mache Latein, weil das für euch interessant ist, und nicht, weil ich es möchte!" Das lasse er sich nicht bieten und würde alles dafür tun, Latein nicht machen zu müssen! Das fand ich beeindruckend, von ihm gesagt zu bekommen: "Ich weiß, warum ihr das macht: weil ihr es interessant findet!" Man sollte sich davor hüten, dass das Kind das leben soll, was man selber gern gemacht hätte. Wir haben das mit der Fremdsprache dann auch tatsächlich wieder geändert.

Aufgezeichnet von Rolf von der Reith

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