
Juliane Klüß ist eigentlich Hochzeitsfotografin. Doch in diesem Jahr hat sie ein ganz neues Feld für sich entdeckt: Sie setzt Narben in Szene. Aber nicht irgendwelche. Frauen nach Kaiserschnitten und mit Dehnungsstreifen kommen zu ihr, aber auch Frauen mit Brustkrebsnarben. Die Botschaft der Bilder ist der Rostockerin dabei besonders wichtig: "Ihnen allen kann ich zeigen, wie schön und vollkommen ganz sie sind!" Aber auch das Shooting selbst soll heilend wirken. Dabei spricht die Fotografin aus eigener Erfahrung und mit ganz persönlicher Motivation ...
"Ich fühlte mich wie ein zerbrochener Krug ..."
Denn Juliane Klüß trägt, seitdem sie 16 Jahre alt, ist selbst Brandnarben an ihrem Körper. Sie erlebte eine Explosion im eigenen Haus, erlitt mehrere Brüche im Gesicht, kochend heißes Wasser verbrannte große Teile ihres Oberkörpers und ihres rechten Arms. "Die Ärzte meinten, ich hätte ein riesiges Glück gehabt, das überlebt zu haben", erzählt die heute 41-Jährige. Lange Zeit haderte sie mit ihrem Aussehen, versteckte ihre Narben, vor allem im Sommer. Zwar akzeptierte sie ihr neues Ich mit den Jahren, gewöhnte sich an die neugierigen Blicke und doch blieb etwas in ihr anders.
Es fühlte sich noch immer so an, als wäre ich nicht 'heil'. Als wäre die äußere Veränderung meiner Haut ein Zeichen dafür, wie tief ich im Inneren noch verletzt bin. Es ist wie ein zerbrochener Krug, der wieder zusammengesetzt wurde. Man nimmt ihn noch immer als Krug wahr, aber er ist nicht mehr derselbe wie vor dem Zerbrechen.
Narbenfotografie als Traumabewältigung
Nach 23 Jahren, die sie mit diesen Gefühlen lebte, kam der Tag, an dem sie eine für sich enorm heilsame und kraftvolle Erfahrung machte: Sie bemalte ihre Narben mit Goldstaub. Verzierte sie. Ursprünglich eine japanische Technik, um gebrochenes Porzellan zu reparieren, die sich Kintsugi nennt. Währenddessen wurde sie von ihrer Freundin fotografiert. Viele alte, vermeintliche akzeptierte Gefühle kamen dabei hoch – und sie ließ es zu:
Ich malte, fühlte und sah hin. Das tat so gut. Es war unbeschreiblich schön!!
Rückblickend sagt Juliane Klüß über diese Intensive Erfahrung, dass sie unglaublich wichtig für sie in der Aufarbeitung ihres Traumas gewesen sei. "Sie trug maßgeblich dazu bei, mich mehr zu akzeptieren und aus dem Schmerz Kraft zu ziehen."
Diese Erfahrung möchte sie auch anderen Frauen nicht vorenthalten. Deswegen beschließt die Fotografin in diesem Jahr ihr Repertoire zu erweitern und "Narbenfotografie" ganz aktiv anzubieten.
Eine dieser Frauen ist Doreen Bräun, die sich im Sommer von Juliane Klüß fotografieren ließ. Sie trägt zwei Kaiserschnittnarben am Bauch. Für das Shooting verzierte sie diese golden. Zu verinnerlichen, dass alles gutgegangen ist, sie zwei gesunde Kinder zur Welt gebracht hat und selbst noch lebt, löst große Dankbarkeit in ihr aus. Und auch dafür sollen diese Fotos stehen. Die zweifache Mama möchte auch andere ermutigen: "Ich liebe es so sehr! Traut euch! Es ist unglaublich magisch. Und die Bilder von @julika_foto schaffen eine unvergessliche Erinnerung ✨"
Mehr zu Juliane Klüß und ihrer Fotografie findet ihr auf ihrer Website oder auf Instagram.