Hohe Unfallgefahr statt Laufenlernen

"Gehfrei"-Lauflernhilfen für Kinder sollten verboten werden!

Vorsicht vor diesen Plastikgestellen auf Rollen! "Gehfrei"-Lauflernhilfen führen jährlich zu rund 6000 Unfällen, die laut Experten zu 100 Prozent vermeidbar wären: Kein Kind braucht ein solches Produkt! Im Gegenteil, denn mit den sogenannten "Babywalkern" lernen Kinder das Laufen nicht.

Babys mögen die vermeintliche Freiheit in ihrem "Gehfrei"-Mobil vielleicht, aber sie zahlen dafür auch oft einen hohen Preis ... © Foto: iStock/UntitledImages
Babys mögen die vermeintliche Freiheit in ihrem "Gehfrei"-Mobil vielleicht, aber sie zahlen dafür auch oft einen hohen Preis ...

In Kanada sind sie bereits seit 2004 verboten! Sie dürfen weder importiert, noch verkauft oder beworben werden. Nicht mal auf Flohmärkten dürfen sie angeboten werden. Die Rede ist von "Gehfrei"-Lauflernhilfen. Man kennt die rollenden Plastikgestelle, in denen Babys angeschnallt werden, um "loszurennen", vielleicht noch aus dem ein oder anderen US-Film. Oder sogar aus dem Bekanntenkreis? Mittlerweile wissen zum Glück schon viele Eltern, dass diese "Babywalker" alles andere als empfehlenswert für ihren Nachwuchs sind. Sie suggerieren zwar, den Prozess des Laufenlernens zu unterstützen. In der Realität ist aber genau das Gegenteil der Fall: Die meist grellbunten Plastik-Lauflerner auf Rollen, in die Babys laut den Herstellern schon ab sechs Monaten geschnallt werden dürfen, verhindern sogar die natürliche motorische Entwicklung von Babys. "Kein Kind braucht dieses konzipierte Produkt, um laufen zu lernen. Alle Eltern können bestätigen, Kinder lernen es von ganz allein", unterstreicht auch Andreas Kalbitz, Geschäftsführer der BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e. V.). Der Verein warnt auf seiner Website ausdrücklich vor den Unfall-Risiken des Gestells: "Lauflernhilfen sollten grundsätzlich nicht gekauft und nicht genutzt werden!"

Fakt ist aber: Gehfrei-Lauflernhilfen werden verkauft – auf Amazon und in diversen Baby-Onlineshops. Ohne Warnung!

Was genau ist so gefährlich an "Gehfrei"-Lauflernhilfen?

  1. Die Babys bekommen darin richtig Speed: Die Geschwindigkeiten von bis zu zehn Stundenkilometer sind für Babys von sechs bis zwölf Monaten komplett unnatürlich und somit unkontrollierbar. Treppenstürze sind die häufigste Art der rund 6000 Unfälle pro Jahr (Schätzungen der BAG).
  2. Die Stürze sind so gefährlich, weil Babys meist mit dem Kopf voran fallen und sich dabei ernsthafte Kopfverletzungen, wie Schädelfrakturen und Gehirnerschütterungen zuziehen können. Außerdem können sie sich bei einem Sturz nicht selbst aus dem sperrigen Gerät befreien.
  3. Achtung: Babys sitzen darin höher als normal und haben somit auch einen "besseren" Zugriff zu Dingen, die eigentlich nicht für sie bestimmt sind, wie zum Beispiel Zigaretten, heiße Getränke, giftige Haushaltssubstanzen oder Medikamente. 
  4. Die "Babywalker" können Eltern durch vom Hersteller inkludiertes Spielzeug zusätzlich eine falsche Sicherheit vorgaukeln à la: "Mein Kind ist gerade sooo gut beschäftigt." Die Folge: weniger Aufmerksamkeit und noch mehr Unfallpotenzial.
  5. Laufenlernen? Von wegen! "Da natürliche Bewegungsabläufe stark eingeschränkt werden, wird die normale physiologische Entwicklung eher gebremst", erklärt der Kinderarzt Dr. med. Philip Fellner von Feldegg aus Münster auf seiner Website. "Außerdem lernen Kinder durch das Hängen in der Lauflernhilfe ein falsches Gangbild, was häufig behandlungsbedürftig ist. Es kann zusätzlich zu Fußfehlstellungen und Muskelverkürzungen kommen." Autsch! Zwillingsuntersuchungen ergaben sogar, dass Kinder mit einem "Gehfrei" erst später laufen als andere Kinder.

Die Expertenmeinung ist eindeutig: Finger weg vom "Gehfrei"!

Auch Stiftung Warentest spricht sich seit Jahren deutlich gegen die Lauflernhilfen aus. Ein Test aus 1997 hatte bereits alle untersuchten Produkte durchfallen lassen. Und auch 2021 titelte das Magazin wieder: "Über­flüssig, gefähr­lich – aber immer noch nicht verboten". 

"Die meisten Eltern, die ein solches Produkt kaufen, meinen es sicher nur gut und wissen gar nicht um die Gefahren", vermutet Andreas Kalbitz. "Deshalb sind Informationen über die Risiken umso wichtiger."

"Bereits 2009 forderte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ein Verbot von Lauflernhilfen bzw. Gehfrei-Geräten. Und 2010 haben die European Child Safety Alliance und die ANEC, ein Zusammenschluss mehrerer europäischen Gesellschaften, die sich mit Unfallprävention befassen, Eltern und Betreuern von Kindern dringend vom Gebrauch von Lauflernhilfen abgeraten. Doch manche Eltern unterschätzen immer noch das Sicherheitsrisiko dieser Geräte", bedauert Dr. Hermann Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in einer Pressemeldung.

Ein offizielles Verbot gibt es auch heute noch nicht, aber hiermit eine erneute und dringende Warnung vor "Gehfrei"-Lauflernhilfen!

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