Entscheidungshilfe

Nabelschnurblut einlagern: Was Eltern wissen sollten

Im Nabelschnurblut eines Babys schlummert ein Schatz: Es enthält Stammzellen, die später eventuell einmal Krankheiten heilen können. Wir fassen die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Nabelschnurblut einlagern zusammen.

Nach der Geburt haben Eltern die Option das Nabelschnurblut ihres Kindes einlagern zu lassen. © Foto: Getty Images
Nach der Geburt haben Eltern die Option das Nabelschnurblut ihres Kindes einlagern zu lassen.

Nabelschnurblut einlagern – ja oder nein?

Diese Frage stellen sich viele Eltern in spe. Im besten Fall sollten sie sich vier bis sechs Wochen vor der Geburt bzw. dem errechneten Geburtstermin entscheiden, ob sie diese Option in Anspruch nehmen möchten oder nicht. Beschließen sie sich für eine Einlagerung bei einer privaten Stammzellbank, bekommen sie nach abgeschlossenem Vertrag vom Anbieter eine Entnahmebox zugeschickt, die sie mit in die Klinik nehmen müssen (am besten in die Kliniktasche stecken, damit sie nicht vergessen wird!). Vor der Entbindung wird sie dem Klinikpersonal übergeben, die sich um die Entnahme des Bluts nach der Geburt und die Weiterleitung an eine Stammzellbank kümmert.

Kann es passieren, dass das Nabelschnurblut des Kindes gespendet wird?

Nicht, wenn es sich um eine Eigenspende handelt. Bei dieser sogenannten autologen Aufbewahrung stehen die Stammzellen ausschließlich für das eigene Kind oder ggf. für ein Geschwisterkind zur Verfügung. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Nabelschnurblut zu spenden. Diese Fremdspende, auch allogene Spende genannt, gibt es schon seit 1988, die Eigenspende ist in Deutschland erst seit 1997 möglich. Gespendetes Nabelschnurblut bzw. das daraus gewonnene Stammzellpräparat wird anonym beim Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) registriert und steht dann  für die Behandlung von Patienten, die z. B. an Leukämie erkrankt sind, weltweit zur Verfügung.

Wie wird Nabelschnurblut entnommen?

Die Entnahme ist nur in zugelassenen Kliniken mit entsprechend geschultem Personal möglich. Das ist inzwischen aber in vielen Einrichtungen der Fall.  Der Entnahmevorgang selbst dauert nur wenige Minuten: Der Arzt oder die Hebamme klemmt die Nabelschnur nach der Geburt zügig ab und punktiert diese mit einer Hohlnadel. Für Mutter und Kind ist das völlig schmerzfrei und risikolos. "Die Entnahme des Nabelschnurbluts muss die Geburt nicht stören. Der ganze Vorgang dauert ein, zwei Minuten, und wenn's richtig gemacht wird, bekommt die Mutter nichts davon mit", erklärt Professor Dr. Tinneberg. Die Geburtshelfer können die Nabelschnur sogar auspulsieren lassen, bevor sie das Baby abnabeln, und das Blut abzapfen. Die Mutter hat durch die Blutentnahme den kleinen Vorteil, dass sich die Plazenta anschließend besser löst. Auch dem Baby schadet die Entnahme nicht. Allerdings haben Tests gezeigt, dass Kinder, deren Nabelschnur erst später abgeklemmt wurde, in den ersten Lebensmonaten bessere Eisenwerte im Blut hatten. Weil Frühgeborene und Mehrlinge besonders stark zu Blutarmut neigen, raten Experten dazu, deren Nabelschnur möglichst spät zu durchtrennen.

Wie wird Nabelschnurblut eingelagert?

Das Nabelschnurblut wird bei der Punktion in einem Beutel gesammelt. Innerhalb von 24 Stunden macht es sich in einem speziellen Transportbehälter per Kurier auf den Weg zur Nabelschnurbank. Nach der Ankunft wird im Eingangslabor die Temperatur kontrolliert, ob das Entnahmeset unversehrt und vollständig ist. Anschließend werden alle Angaben zu Mutter, Kind und Stammzellpräparaten erfasst und es wird eine ID-Nummer vergeben, die eine eindeutige Zuordnung ermöglicht. In sogenannten Reinraumlaboren werden die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut isoliert und ihre Gewebemerkmale festgestellt. Gut verpackt in einer Metallkassette werden die Stammzellen zunächst in speziellen Einfriergeräten auf minus 145 Grad heruntergekühlt und wandern dann in den sogenannten Cyrotank, wo sie bei minus 190 Grad in flüssigem Stickstoff konserviert werden. Studien haben gezeigt, dass Nabelschnurblut-Stammzellen ihre Eigenschaften bei entsprechender Lagerung auch noch nach 20 Jahren beibehalten.

Was ist an Nabelschnurblut bzw. embryonalen Stammzellen so besonders?

"Stammzellen sind die Bausteine des Lebens. Anders als beispielsweise ein Auto, bei dem man ein reparaturbedürftiges Teil austauschen muss, ist der menschliche Organismus in der Lage, sich selbst zu reparieren", so Professor Tinneberg. Stammzellen aus Nabelschnurblut haben die Fähigkeit, neue Blutbestandteile zu bauen. "Wenn wir Blut verloren haben, produziert unser blutbildendes System – das Knochenmark – neue Blutplättchen sowie rote und weiße Blutkörperchen und gleicht das Defizit aus." Wenn das nicht mehr funktioniert, weil ein Mensch an einer Leukämie oder an einer anderen Erkrankung des blutbildenden Systems leidet, kann eine Transplantation von fremden Stammzellen helfen, sein Blutsystem zu erneuern oder Regenerationsprozesse anzustoßen. Stammzellen aus Nabelschnurblut haben dabei entscheidende Vorteile gegenüber denen aus dem Knochenmark oder dem Blut von Erwachsenen. Sie können sich in fast allen Zelltypen des Körpers weiterentwickeln. "Ein weiterer Vorteil der noch jungen Nabelschnurblutstammzellen ist ihre bessere Verträglichkeit", ergänzt Dr. Alexander Schmidt, Geschäftsführer der öffentlichen DKMS Nabelschnurblutbank in Dresden. "Normalerweise müssen die Gewebemerkmale von Stammzellspender- und Empfänger identisch sein. Stammzellen aus Nabelschnurblut hingegen tolerieren Abweichungen. Die Gefahr einer Abstoßungsreaktion beim Empfänger ist geringer." Auch Geschwister können untereinander Stammzellen spenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gewebemerkmale dafür passen, liegt bei mindestens 25 Prozent.

Was kann mit Stammzellen therapiert werden?

Stammzellen aus Nabelschnurblut werden derzeit zur Therapie von mehr als 80 Krankheitsbildern eingesetzt. Dazu zählen z. B. Krebserkrankungen wie Leukämie, Neuroblastom oder Retinoblastom. Auch in der regenerativen Medizin kommen sie als Basis zur Wiederherstellung geschädigter Zellen, Gewebe und Organe zum Einsatz. Mittlerweile ist es sogar möglich, Gefäße wie Herzklappen und Luftröhren aus körpereigenen Zellen herzustellen, ebenso wie Haut, Knochen und Knorpel. Künstliche Haut, die aus Stammzellen gezüchtet wird, wird z. B. eingesetzt, um sie Verbrennungsopfern zu transplantieren.

Was kostet es, Nabelschnurblut einzulagern?

Nabelschnurblut zu spenden ist kostenlos. Anders sieht es bei der Einlagerung in einer privaten Nabelschnurbank aus – die Kosten für die Aufbereitung und Lagerung tragen Eltern selbst. Dafür steht das Blut ausschließlich ihnen bzw. einem Geschwisterkind zur Verfügung.

  • eticur: 2.595 Euro für 25 Jahre, 1000 Euro für weitere 25 Jahre
  • Deutsche Stammzellenbank: ab 1.890 Euro für 18 Jahre
  • Vita 34: einmalig 1.990 Euro plus 60 Euro pro Jahr Einlagerungsgebühr oder 2.695 Euro für 25 Jahre

Die Preise beziehen sich immer auf eine bestimmte Laufzeit, die je Anbieter variieren. Um die Kosten miteinander zu vergleichen, sollten daher alle Kosten auf einen Monat runtergebrochen werden. Häufig gewähren die Nabelschnurbanken auch Rabatte für Mehrlinge oder Geschwister an. Auch Finanzierungen für die Einlagerung werden häufig angeboten.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Die Einlagerung von Nabelschnurblut gehört nicht zum Leistungskatalog gesetzlicher Krankenkassen, somit gibt es auch keine Übernahme oder Zuschüsse. Bei einer gerichteten Spende für ein erkranktes Geschwisterkind werden die Kosten ggf. von der Krankenkasse übernommen. Private Krankenversicherungen bezuschussen die Einlagerung teilweise oder haben ein Kooperationsverhältnis mit einer privaten Nabelschnurbank, das einen Kostenvorteil bringen kann. Am besten gezielt nachfragen, ob und was die Krankenkasse anbietet.

Ist Nabelschnurblut einlagern sinnvoll?

Wenn man das Nabelschnurblut zur Spende freigibt, auf jeden Fall. Denn mit den Stammzellen können viele kranke Patienten behandelt werden. Ob Eltern in eine Eigenspende investieren wollen, müssen sie letztlich für sich und ihre Kinder persönlich abwägen. Wichtig zu wissen: Ob Stammzellen das eigene Kind später bei einer möglichen Krankheit wirklich heilen können, ist nicht garantiert. Bei bestimmten Krankheiten, wie z. B. Krebs, greift man in der Regel nicht auf die eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen zurück, da sie die Krankheit oft schon in sich tragen. Nicht zuletzt, weil fremde Stammzellen den körpereigenen Kampf gegen die Krebszellen verstärken, nimmt man auch hier fremde Transplantate. Allerdings schreitet die Stammzellmedizin immer weiter voran. Experten setzen große Hoffnung in Studien zur Behandlung von Erkrankungen wie Parkinson, Diabetes, Alzheimer, Autismus oder multiple Sklerose. Wie die Behandlungsmöglichkeiten in 10, 20 oder 30 Jahren aussehen, lässt sich aber nur schwer voraussagen.

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