Immer dieses schlechte Gewissen

7 Gründe, warum du als Mama immer wieder Schuldgefühle hast

Eltern sind wahre Weltmeister im Entwickeln von Schuldgefühlen. Doch wer sich ständig mies fühlt, kann die schönen Momente oft nicht ungetrübt genießen. Wie es gelingt, sich von den inneren Plagegeistern zu verabschieden. 

Mutter hält Sohn am Strand im Arm© iStock/SrdjanPav
Wenn es Eltern gelingt, Schuldgefühle über Bord zu werfen, kehrt auch die Leichtigkeit zurück.

Kaiserschnitt oder spontane Geburt, stillen oder Fläschchen, Kita ja oder nein – Eltern erfahren quasi ab der ersten Minute, was es bedeutet, Schuldgefühle zu haben. Immerzu gilt es, Entscheidungen zu treffen, die potenziell nicht die besten für die kindliche Entwicklung sein könnten. Dazu kommen all die Fallstricke im Alltag, die für Gewissensbisse geradezu prädestiniert sind. Wenn wir mal wieder laut geworden sind. Wenn wir es wieder nicht geschafft haben, frisch zu kochen. Wenn das Kind mal wieder zu lange vorm Fernseher saß. Es gibt tausende Gründe für Eltern, ein schlechtes Gewissen zu haben.

Doch wie umgehen mit diesen Schuldgefühlen? Wozu dienen sie überhaupt? Und warum leiden Eltern – und vor allem Mütter – so häufig unter permanenten Gewissensbissen? "Eltern haben eine unglaubliche Fähigkeit, sich wegen allem Möglichen schuldig zu fühlen", bestätigen Kommunikationswirtin Béa Beste und Journalistin Silke R. Plagge, die zu dem Thema ein Buch geschrieben haben ("Eltern sein ohne Schuldgefühle: Gemeinsam gelassen durch den Familienalltag").

Das sind die häufigsten Schuldgefühle bei Eltern

  1. Nicht genug Zeit haben: Arbeit, Haushalt und andere Verpflichtungen nehmen viel Zeit in Anspruch, und oft bleibt das Gefühl, den Kindern nicht gerecht werden zu können.
  2. Berufstätigkeit: Besonders berufstätige Mütter kämpfen mit dem schlechten Gewissen. Im Job haben sie das Gefühl, sie sollten sich mehr um ihre Familie kümmern, sind sie bei der Familie, haben sie das Gefühl, dem Arbeitgeber nicht gerecht zu werden. Arbeiten sie in Teilzeit, haben sie das Gefühl, sich nicht genug um die Karriere zu kümmern, in Vollzeit nagt das Gefühl, zu wenig für das Kind da zu sein. Egal wie, die eigene Erwartungshaltung und den ökonomischen und anderen Druck auszuhalten, ist ein Kraftakt. Und inzwischen ziehen auch die Väter diesbezüglich nach … 
  3. Überforderung und Ungeduld: Manchmal sind die Nerven einfach blank, und dann werden wir lauter oder ungeduldig. Das führt sofort zu Schuldgefühlen, weil wir doch eigentlich ruhig und liebevoll sein wollten.
  4. Fehlende Perfektion: Der Druck, alles perfekt zu machen – vom Bio-Essen über die pädagogisch wertvollen Aktivitäten bis hin zur perfekten Erziehung – kann überwältigend sein. Jede kleine Abweichung von diesem Ideal führt zu Selbstzweifeln und Schuldgefühlen.
  5. Vergleiche mit anderen Eltern: Die sozialen Medien sind voll von scheinbar perfekten Familien. Vergleiche mit diesen inszenierten Bildern lassen viele Eltern an sich selbst zweifeln und sich schuldig fühlen, weil sie meinen, nicht mithalten zu können.
  6. Zeit für sich selbst nehmen: Viele Eltern fühlen sich schuldig, wenn sie sich mal Zeit für sich selbst nehmen. Dabei ist Selbstfürsorge wichtig, um als Elternteil ausgeglichen und geduldig zu bleiben.
  7. Verpasste Momente: Manchmal fühlt man sich schuldig, wenn man wichtige Momente im Leben der Kinder verpasst – sei es das erste Wort, der erste Schritt oder ein wichtiges Schulereignis.

Eltern setzen sich heute mehr unter Druck

Sind Schuldgefühle ein Phänomen unserer Zeit – oder haben sich auch Generationen von Müttern vor uns mit Selbstzweifeln und schlechtem Gewissen geplagt?

"Mit Sicherheit wurde vieles weniger reflektiert und als gegeben hingenommen. Vor allem aber wurde über Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen genauso wenig gesprochen, wie über andere Gefühle", erklären die Autorinnen. "Ganz sicher aber haben Frauen, die vor 100 Jahren danach strebten, auch berufstätig zu sein oder in den 60er Jahren ihr Kind stillen wollten, es nicht leicht gehabt."

Erschwerend hinzu kommt, dass auch die gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter hoch sind. "Wir haben in Deutschland leider schon sehr lange ein Mutterbild, der sich aufopfernden Heiligen, die immer alles schafft. Das Bild ändert sich, aber es gab schon immer Mütter, die eben dem perfekten Bild nicht entsprachen und sich schwer taten." Problematisch ist, dass heute oftmals die Unterstützung fehlt, und viele Frauen mit der Kinderbetreuung mehr oder weniger auf sich allein gestellt sind. Wenn dann noch ein übergroßer Perfektionismus hinzukommt, sind Schuldgefühle quasi vorprogrammiert. "Es gab früher mehr ein 'Ist jetzt so' und oft mehr Schultern im Dorf, auf denen Verantwortung ruhte. Der eigene Anspruch und eigene Zweifel sind gewachsen."

Welche Glaubenssätze Eltern hinter sich lassen sollten

Um Schuldgefühlen wirksam zu begegnen, lohnt es sich, die folgenden Glaubenssätze zu hinterfragen und loszulassen:

"Ich muss immer stark sein." 

Wirklich? Wer hat dir das erzählt? Die Wahrheit ist, niemand ist immer stark. Schwäche zu zeigen ist kein Zeichen von Versagen, sondern von Menschlichkeit. Eure Kinder lernen durch eure Ehrlichkeit und Verletzlichkeit, dass es okay ist, nicht immer perfekt zu sein. Also, lasst die Tränen fließen, wenn es nötig ist, und zeigt euren Kids, dass echte Stärke im Mut liegt, authentisch zu sein.

"Gute Eltern machen keine Fehler."

Ist das wirklich wahr? Jeder macht Fehler – auch gute Eltern. Fehler sind unvermeidlich und sogar notwendig. Sie bieten Chancen für Wachstum und Lernen – für euch und eure Kinder. Statt euch für jeden kleinen Fehltritt zu verurteilen, fragt euch: "Was kann ich daraus lernen?" Eure Kinder werden sehen, dass das Leben eine Lernreise ist, auf der jeder mal stolpert.

"Ich muss es allen recht machen."

Kann das überhaupt funktionieren? Der Versuch, es allen recht zu machen, ist die beste Methode, um sich selbst zu verlieren. Setzt klare Grenzen und kommuniziert sie. Eure Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die eurer Familie. Sagt ab und zu "Nein" und gönnt euch Pausen. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. 

"Vergleiche sind hilfreich."

Ist das wirklich hilfreich? Schluss mit dem ständigen Blick auf die Nachbarn, die perfekten Instagram-Familien oder die Super-Eltern aus dem Freundeskreis. Vergleiche führen nur zu Unzufriedenheit und Selbstzweifeln. Eure Familie ist einzigartig, und das ist wunderbar so. Feiert eure eigenen Erfolge und die kleinen, besonderen Momente, die nur ihr erlebt.

"Ich muss alles alleine schaffen."

Ist das wirklich wahr? Das Leben als Elternteil kann überwältigend sein, und es ist völlig in Ordnung, Hilfe anzunehmen. Ob Großeltern, Freunde oder Nachbarn – baut euch ein Unterstützungsnetzwerk auf. Gemeinsam geht vieles leichter, und ihr müsst nicht die ganze Last allein tragen.

Wie wäre es mit: Zweifele an deinen Zweifeln? Es hilft enorm, Perspektiven zu wechseln, um neue Wege zu finden – um sich von alten, wenig hilfreichen Glaubenssätzen zu verabschieden.

Béa Beste und Silke R. Plagge

Wie sich ständige Schuldgefühle auswirken

Für Eltern ist es belastend, wenn Gewissensbisse zum ständigen Begleiter werden. "Deswegen ist es so wichtig, sich die eigenen Schuldgefühle anzugucken und auch als Wegweiser zu sehen. Warum fühle ich mich mies in einer bestimmten Situation. Und wie kann ich ins Handeln kommen? Einfach machen, statt zu zergrübeln?", raten die Expertinnen. 

Energie-Vampirismus: "Schuldgefühle saugen dir die Energie aus wie ein Schwamm, der das letzte bisschen Wasser aus einer Pfütze zieht. Du fühlst dich ständig ausgelaugt und erschöpft, weil dein Kopf nie zur Ruhe kommt. Statt die Energie für die wirklich wichtigen Dinge – wie eine spontane Kissenschlacht oder das gemeinsame Basteln – zu nutzen, hängst du in Grübelschleifen fest."

Der innere Kritiker wird zum Oberboss: "Dein innerer Kritiker kriegt einen VIP-Status. Er sitzt da mit einem Megafon und kommentiert alles, was du machst: 'Das war nicht gut genug! Hättest du besser machen können!' Manchmal will man ihn einfach in den Schrank sperren, aber der Typ findet immer wieder raus."

Paradies der Prokrastination: "Mit all den Schuldgefühlen im Gepäck wirst du zum Meister der Aufschieberitis. Anstatt Dinge anzupacken, drehst du dich im Kreis und denkst: 'Ach, ich mach das morgen, heute hab ich's sowieso schon vermasselt.' Zack, schon wieder eine Runde auf der Prokrastinations-Achterbahn gedreht."

Freudefresser: "Schuldgefühle sind wahre Freudefresser. Du hast einen tollen Moment mit deinem Kind, aber statt ihn zu genießen, denkst du: 'Hätte ich das nicht öfter machen sollen?' So wird jeder schöne Augenblick direkt mit einem bitteren Nachgeschmack serviert."

Perfektions-Parade: "Schuldgefühle treiben dich in den Perfektionismus. Du versuchst, alles hundertprozentig richtig zu machen, und das stresst ungemein. Aber mal ehrlich, selbst Superhelden brauchen mal eine Pause – und retten nicht rund um die Uhr Kinder vor brennenden Häusern."

Kinder nehmen die Schuldgefühle ihrer Eltern wahr

"Kinder sind wie kleine Seismographen, die die Stimmungen und Erwartungen ihrer Eltern genau spüren. Intuitionstierchen! Wenn Eltern einen zu hohen Anspruch an sich selbst haben, wirkt sich das auf ihre Kinder aus – und das ist manchmal ganz schön herausfordernd", erklären Béa Beste und Silke Plagge. Ständige Schuldgefühle können sich in dreierlei Hinsicht negativ auf die Kinder auswirken:

  • Emotionale Belastung: "Kinder merken sofort, wenn Mama oder Papa gestresst und unzufrieden sind. Es ist, als ob sie die Anspannung in der Luft schnuppern könnten. Das Problem? Sie nehmen diese Last oft auf sich und glauben, sie müssten etwas tun, um ihre Eltern glücklich zu machen. Statt unbeschwert zu spielen, machen sie sich Sorgen. Das ist ungefähr so gesund, wie auf einer Diät aus Zuckerwatte zu leben."
  • Wenig Raum für Spontaneität: "Ein perfektionistischer Alltag ist straff durchgetaktet und lässt wenig Platz für die spontanen Abenteuer, die Kinder so sehr lieben. Aber genau diese Freiheit, sich mal in einer Pfütze zu suhlen oder einen improvisierten Zirkus im Wohnzimmer aufzubauen, brauchen sie, um kreativ zu sein und sich zu entfalten. Wenn alles immer perfekt und geplant sein muss, geht diese wertvolle Kindheitserfahrung flöten. Kinder werden zu kleinen Erwachsenen und vergessen, einfach Kind zu sein."
  • Angst vor Enttäuschung: "Kinder wollen ihre Eltern stolz machen und spüren den Druck, den hohen Erwartungen gerecht zu werden. Wenn das Gefühl entsteht, dass nur Perfektion reicht, entwickeln sie Angst davor, zu enttäuschen. Diese Angst kann sie ein Leben lang begleiten – wie ein unsichtbarer Rucksack voller Steine. Wer will schon ständig das Gefühl haben, nicht gut genug zu sein? Ein bisschen wie der ewige Zweitplatzierte in einem Wettrennen, bei dem es eigentlich nur um Spaß gehen sollte ..."

3 Schritte, um Schuldgefühle abzulegen

Béa Beste und Silke Plagge raten zu dem folgenden Drei-Punkte-Plan, um das schlechte Gewissen zu überwinden:

Gefühle erkennen und benennen

"Der erste Schritt besteht darin, die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen und sie klar zu benennen. Frage dich: 'Was fühle ich wirklich?' Anstatt dich in einem Wirrwarr aus Schuldgefühlen zu verlieren, ist es wichtig, diese Gefühle zu erkennen und ihnen einen Namen zu geben. Dies hilft dabei, die emotionalen Wellen zu glätten und sich nicht überwältigen zu lassen. Es ist ähnlich wie bei körperlichen Schmerzen: Wenn du weißt, dass dein Bauch schmerzt, kannst du gezielt handeln. Das Gleiche gilt für emotionale Schmerzen … Dabei hilft auch: Das eigene schlechte Gewissen zu erkennen, vielleicht zu visualisieren, ihm einen Namen zu geben."

Das Bedürfnis hinter dem Gefühl als Kompass nutzen

"Gefühle, auch Schuldgefühle, können als wertvolle Wegweiser dienen. Sie zeigen oft, dass wir gegen unsere eigenen Werte und Bedürfnisse verstoßen haben. Indem du das Bedürfnis hinter dem Gefühl erkennst, kannst du dieses als Kompass nutzen. Frage dich: 'Welches Bedürfnis steckt hinter meinem Schuldgefühl?' Vielleicht hast du das Bedürfnis nach Anerkennung oder nach Ruhe und Entspannung. Dieses Bedürfnis als Kompass zu nutzen, hilft dir, deine Handlungen zu reflektieren und sie besser in Einklang mit deinen Werten zu bringen!"

Einen Blumenstrauß von Optionen entwickeln

"Sobald du deine Gefühle erkannt und das dahinterliegende Bedürfnis identifiziert hast, geht es darum, verschiedene Lösungen zu entwickeln. Stell dir vor, du hast einen Strauß voller Möglichkeiten in der Hand. Welche verschiedenen Wege kannst du einschlagen, um das Bedürfnis zu erfüllen und die Schuldgefühle abzubauen? Es gibt nicht den einen richtigen Weg, sondern viele mögliche Ansätze. Sei kreativ und offen für unterschiedliche Lösungen. Vielleicht hilft ein offenes Gespräch mit dem Partner, eine kleine Auszeit für dich selbst oder eine neue Organisation des Alltags."