Nach Jon Kabat-Zinn

Tschüss Mental Load: Mit diesen 7 Tipps wird Achtsamkeit zum Kinderspiel

Übervolle Terminkalender, kranke Kinder, Job, Haushalt, Hobbys, Freunde – diese Liste, was wir als Eltern alles im Alltag wuppen, ließe sich endlos fortsetzen. Wie gut ist es da, wenn man es gar nicht erst zu einer Überforderung kommen lässt, weil man rechtzeitig Achtsamkeit walten lässt. Das kann ganz einfach sein ...

Glückliche Familie draußen mit Baby.© Pexels/Anastasia Shuraeva
Ein wenig Achtsamkeit kann den Elternalltag ganz schön erleichtern.

Wünschen wir uns das nicht alle – eine endlose Kraftquelle, aus der wir schöpfen können? Die gute Nachricht: Es gibt sie. Und sie liegt bereits in uns, wir müssen sie nur aktivieren. Ein kleines bisschen regelmäßige Praxis kann da schon Wunder wirken.

Kinder sind Meister der Achtsamkeit

"Wie viele Punkte hat ein Marienkäfer?" Kinder lieben solche Fragen, denn Kinder sind kleine Forscher und begeben sich ganz aus sich selbst heraus jeden Tag aufs Neue auf Entdeckungstour. Was das mit Achtsamkeit zu tun hat? Unglaublich viel. Kinder sind wahre Meister darin. Sie gehen ganz in dem jeweils aktuellen Moment auf, leben voll und ganz im Jetzt. Davon können wir als Eltern uns gut und gerne etwas abschauen – und unsere Kinder auch als unsere Lehrer ansehen. Denn das sind sie ganz automatisch. Wie wunderschön kann es sein, mit unseren eigenen Kindern viele Momente erneut ein erstes Mal zu erleben?! Die Welt mal wieder wie durch Kinderaugen zu betrachten, kann vieles in Perspektive rücken und uns neue Sichtweisen eröffnen. 

Achtsamkeit ins Leben mit Kindern integrieren

Die internationale Beraterin für Transformationen, Autorin und Coach für Achtsamkeit und Lebensgestaltung, Lilian Güntsche-Hilgendag, hat ein neues Buch – "Gelassen und agil dank Kindern" (siehe Buchtipp unten) – geschrieben, mit dem sie Eltern Impulse für mehr Gelassenheit und mentale Gesundheit in ihrem eigenen Alltag geben möchte. Eine wichtige Basis, um Achtsamkeit wirklich in unserem Leben zu verankern, sind die sieben Grundhaltungen nach Jon Kabat-Zinn, auf die wir hier etwas genauer eingehen wollen. Wir müssen dafür nicht mit dem Meditieren anfangen, aber mithilfe dieser Impulse können wir alle etwas Achtsamkeit in unser Leben mit Kind/ern integrieren. Die Autorin zeigt, wie wir die Grundhaltungen mit dem Elternsein kombinieren können.

Die 7 Grundhaltungen der Achtsamkeit

  1. Anfängergeist beibehalten
  2. nicht (be-)werten/(ver-)urteilen
  3. Vertrauen
  4. Loslassen
  5. Akzeptanz
  6. Geduld
  7. Müheloses Tun

Bei Jon Kabat-Zinn gehören eigentlich noch zwei weitere dazu:

  1. Dankbarkeit
  2. Großzügigkeit

Anfängergeist

Neues bewusst erleben – dabei helfen uns Kinder immer wieder. Wir können uns als Eltern vornehmen, unsere Kinder bei ihren vielen Situationen, in denen sie etwas Neues erleben, ganz bewusst zu beobachten. Zum Beispiel, wenn ein Kind das erste Mal eine neue Obstsorte probiert. Es wird das mit allen Sinnen tun: Es nimmt die Blaubeere (als Beispiel) zwischen die Finger, schaut sie sich ganz genau an, hält sie sich vielleicht sogar ans Ohr, drückt möglicherweise auf ihr herum, riecht daran, nimmt sie in den Mund und nimmt ganz bewusst den Geschmack wahr, bevor es sie herunterschluckt. Diese Grundhaltung der Achtsamkeit können wir also sehr gut von unseren Kindern lernen – und auf diverse andere Bereiche übertragen. Dem Anfängergeist geht es um das Sein, das Erleben und Entdecken – nicht um das Tun und Erreichen.

Eine Seifenblase, eine Blume, ein Marienkäfer, eine Matschpfütze, eine Baustelle. All das kann die Welt für ein kleines Kind bedeuten, während wir als Erwachsene schnell einfach an so etwas vorbeilaufen. Das bewusste Erfassen von 'Marienkäfermomenten', wie ich es nenne.

Lilian Güntsche-Hilgendag

Nicht werten

Zugegeben: Für uns ist es doch ganz normal, ständig zu bewerten, Dinge, Sachverhalte und Menschen in "gut" oder "schlecht" einzusortieren. Bei Kindern ist das anders. Sie gehen anfangs noch wertfrei, lediglich beobachtend, wahrnehmend und beschreibend durch die Welt. Wieder ein Punkt, in dem wir viel von unseren Kindern lernen können. Die Autorin weist darauf hin:

Wir tun auch unseren Kindern einen Gefallen, wenn wir ihnen unsere Weltanschauung nicht direkt auferlegen, sondern sie möglichst lange in diesem wunderbaren, urteilsfreien Zustand verweilen lassen.

Für uns als Erwachsene bedeutet es meistens wieder einiges an Übung, um das Bewerten und Verurteilen weniger werden zu lassen. Doch mit etwas Praxis können auch wir wieder zum Beobachter werden und den inneren Kritiker kleiner werden lassen. 

Lilian Güntsche-Hilgendag rät ebenfalls davon ab, zu unseren Kindern Sätze zu sagen, wie "Das ist zu schwer für dich" oder "Das kannst du noch nicht". Wir drücken ihnen damit ein Urteil auf, das gar nicht der Realität entsprechen muss, aber über kurz oder lang dazu führen wird, dass sich auch unsere Kinder Dinge nicht mehr zutrauen und unseren Filter übernehmen. Das hemmt sie in ihrer Kreativität. Auch hier dürfen wir also lernen, achtsamer zu werden.

Vertrauen

Ist euch schon mal aufgefallen, wie befreiend es sich anfühlen kann, einfach zu vertrauen? In sich selbst, in die Kinder, in das Leben an sich. Die Autorin geht in ihrem Buch auf drei Vertrauensebenen ein:

  1. Vertrauen in uns selbst und unseren Körper
  2. Vertrauen in unsere Kinder und das Vertrauen, das wir von ihnen lernen können
  3. Vertrauen, das wir anderen (großen) Menschen schenken

Wenn wir es schaffen, das ein wenig mehr in unseren Alltag zu integrieren, werden wir bald merken, wie vieles leichter wird und dass unsere Sorgen und Ängste einfach nachlassen. Sind wir bewusst mit unserem Körper verbunden und vertrauen ihm einfach, ohne dass ständig quälende Sorgen dazwischenkommen, können wir viel mehr Energie darauf richten, was wir gerade tun. Kinder sind noch sehr stark mit sich selbst in Verbindung und können uns auch hier wieder großartige Lehrer sein. Und auch das bringt uns wieder dazu, im Hier und Jetzt präsenter, achtsamer zu sein.

Loslassen

Wir müssen nicht immer etwas tun, wir dürfen auch einfach mal "nur" sein. Wir können auch nicht immer alles bis ins letzte Detail planen. Bzw. zumindest können wir mit Kindern definitiv nicht damit rechnen, dass alles nach Plan verläuft. Hier kann das Loslassen helfen. Runterkommen und wegkommen vom Perfektionismus, von überhöhten Ansprüchen, vom Druck. Uns selbst und unseren Kindern zuliebe. Bleiben wir offen und flexibel für Veränderung und Wandel, macht uns das insgesamt im Leben agiler. Wie oft fragen wir uns, was andere über uns denken, wenn wir beispielsweise das Fläschchen geben statt zu stillen. Oder viele andere Dinge. Letztendlich ist das, was zählt, doch einfach nur, dass es uns und unseren Kindern gut geht. Was andere davon halten, wie wir bestimmte Dinge tun oder lassen, kann uns wirklich egal sein – auch das ist Übungssache und wird mit der Zeit einfacher. Es hilft also, wenn wir versuchen, uns weniger über das Außen zu definieren und stattdessen mehr schauen, was wir und unser Kind gerade brauchen. Auch ganz wichtig: Wir dürfen uns auch verletzlich zeigen. Es muss nicht alles nach irgendwelchen Maßstäben "perfekt" laufen. Wir sind Menschen, und das ist gut so! Wir dürfen uns immer wieder selbst sagen, dass wir gut und genug sind. Dieses Loslassen kann sehr befreiend sein.

Akzeptanz

Schmerz, Verlust, Trauer, Krankheit – vor einigen Dingen im Leben können wir uns nicht immer schützen. Hier kommt die Grundhaltung der Akzeptanz ins Spiel. Diese können wir am besten durch Stille und Meditation erreichen, auch wenn das zunächst schwer oder sogar unmöglich erscheint. Daher bietet es sich an, dies schon früh zu üben, um im Bedarfsfall diese eigene innere Quelle der Kraft anzapfen zu können. Das funktioniert, indem wir uns hinsetzen und einfach nur beobachten, ohne verändern zu wollen. Wir können lernen, unsere Energie mehr auf das zu lenken, was wir beeinflussen können und weniger auf das, was wir nicht ändern können. Kennt ihr das bei Kindern: Sie tun sich weh, weinen kurz, im nächsten Moment ist alles wieder gut und sie können schon wieder lachen. 

Geduld

Kennt ihr das auch? Wir fragen uns voller Ungeduld, wann unser Kind sich endlich auf den Bauch drehen, sitzen, laufen etc. kann. Wann das erste Zähnchen sich endlich blicken lässt etc. Oft genug kann es uns nicht schnell genug gehen. Doch warum eigentlich? Wir eilen damit doch immer der Gegenwart voraus und sind nicht im gegenwärtigen Moment. So können wir gar nicht achtsam wahrnehmen, was eigentlich gerade Wunderbares schon da ist. Das Lächeln unseres Babys, die ersten Knospen an den Bäumen draußen zum Beispiel. Auch beruflich geht es uns oft nicht anders: Wir wollen endlich eine Gehaltserhöhung, fragen uns, warum wir noch nicht befördert wurden. Wenn wir immer etwas hinterherjagen, das wir nicht haben, macht das unzufrieden. Gleichzeitig haben wir jederzeit die Wahl zu entschleunigen und innezuhalten. Wie hilfreich ist da das Mantra "Alles kommt zu seiner Zeit"! Kinder sind auch in der Geduld wahre Meister und wertvolle Lehrer. Tagtäglich bekommen wir durch sie die Gelegenheit, uns in Geduld zu üben. Ein Beispiel dafür lest ihr auch im folgenden Artikel:

Müheloses Tun

Zielstrebigkeit ist schön und gut, doch wisst ihr, wie erholsam und wohltuend es sein kann, einfach mal nicht produktiv sein zu müssen?! Sich einfach dem Moment hinzugeben und zum Beispiel Marienkäferpunkte zu zählen ... Unserem Kind dabei zuzuschauen, was es gerade macht. Einfach ziellos mit dem Kinderwagen durch die Straßen zu schlendern. Sicher fallen euch noch 1.000 andere mühelose Dinge ein. Auch sie sollten Raum in unserem Alltag haben. Uns selbst und unseren Kindern zuliebe.

Unser Buch-Tipp

Ihr wollt mehr darüber wissen? "Gelassen und agil dank Kindern: Marienkäfermomente – ein Erfolgsgeheimnis zu mehr Achtsamkeit im Elternalltag" von Lilian Güntsche-Hilgendag will Impulse geben, statt zu belehren. Gerade das macht dieses Buch so wertvoll und hebt es von klassischen Ratgebern ab. Die sieben Grundpfeiler der Achtsamkeit nach Jon Kabat-Zinn bilden dabei eine fundierte Basis.