Kolumne

"Liebe Freundin, ich denke an dich … auch wenn ich mich im stressigen Mama-Alltag nicht melde"

Unsere Autorin hat ein schlechtes Gewissen: Viel zu selten meldet sie sich bei ihrer Freundin. Kita, Schule, Job: Manchmal fehlt in all dem Mama-Wahnsinn sogar die Zeit für eine Sprachnachricht. Zum Glück gibt es Menschen, die einem das nicht vorhalten. Ein kleiner Dankesbrief an alle verständnisvollen Freundinnen.

Trotz Zeitmangel in Gedanken mit der Freundin verbunden.© Foto: Getty Images/Guido Mieth
Trotz Zeitmangel in Gedanken mit der Freundin verbunden.

Liebe Freundin, danke für deine Sprachnachricht! Ich wollte dir sofort antworten, aber ich war viel zu spät dran. Wie immer. Mit allem. Als ich deine lieben Worte abgehört hatte, stand ich schon vor der Glastür der Kita-Garderobe, zwölf Minuten zu spät. Da kommt es auf zwei Minuten mehr auch nicht drauf an, dachte ich noch. Doch bevor ich meine Antwort an dich aufnehmen konnte, dröhnte eine Kinderstimme durchs Gebäude: "MINAAA, ABGEHOOOLT!" Ich wurde von einem anderen Kind entdeckt – und, wie es in Kita-Garderoben nun einmal üblich ist, sofort lautstark verraten.

Als meine Tochter Mina um die Ecke gepest kommt, lasse ich das Handy in meiner Jackentasche verschwinden. Dort bleibt es erst einmal. Bis ich es wieder herausholen werde, habe ich vergessen, dass ich dir noch antworten wollte. Und auch wenn es sich anhört wie die Ausrede einer unzuverlässigen Freundin: Ich denke an diesem Tag trotzdem immer wieder an dich – auch wenn ich mich nicht melde.

Liebe Freundin, ich denke an dich – auch ohne WhatsApp

Ich denke an dich, als wir beim Bäcker sind. Aber ich kann dir jetzt nicht antworten, weil meine Tochter wegen der Rosinen im Milchbrötchen einen Wutanfall bekommt.

Ich denke an dich, als ich meinen Sohn von der Schule einsammle. Aber ich kann dir jetzt nicht antworten, weil er mich sofort mit "Ich habe Hunger! Hast du was zu essen dabei?" überfällt.

Ich denke an dich, als ich ihn und seine Freunde auf ihren Rollern zum Fußballtraining bugsiere. Aber ich kann dir jetzt nicht antworten, weil ich fünf Kinder durch den Straßenverkehr manövriere.

Ich denke an dich, als ich die Jungs beim Training abgeliefert habe. Aber ich kann dir auch jetzt nicht antworten, weil meiner Tochter wieder die Rosinen im Brötchen einfallen.

Ich denke an dich, als wir an deinem Lieblings-Blumenladen vorbeikommen. Aber ich kann dir jetzt nicht antworten, weil meine Tochter mit dem Roller stürzt und ich schnell Tränen trocknen muss.

Ich vergesse kurz, an dich zu denken, als ich nach Hause komme und erst einmal das Chaos in der Küche beseitigen muss. Und im Flur. Und im Kinderzimmer. Jetzt ist es fast 17 Uhr, ich muss schnell E-Mails lesen und in einer halben Stunde schon wieder los und den Sohn vom Fußball abholen. Dann Essen machen, Kinder umziehen, Zähneputzen, Vorlesen, Küche aufräumen, noch mal E-Mails checken. Atmen. Irgendwo zwischen Kartoffeln schälen und Alte-Brotdosen-Auspacken fällt mir ein, dass ich dir noch antworten wollte. Doch da brüllt eins der Kinder aus ihrem Zimmer, und ich verliere den Gedanken wieder.

Was bin ich für eine furchtbare Freundin?

Als ich das nächste Mal an dich denke, ist es kurz vor Mitternacht und mir fallen schon die Augen zu. Ich stelle den Wecker für den nächsten Tag, der ähnlich ablaufen wird wie der heutige, dann lege ich das Handy beiseite. Morgen werde ich dir antworten, nehme ich mir vor, ganz bestimmt. Dann schlafe ich ein.

Das alles ist nicht etwa gestern passiert – sondern vor über einer Woche. Mittlerweile habe ich mich seit neun Tagen nicht bei dir gemeldet. Neun! Wenn ich dir jetzt antworte, muss ich ja erstmal erklären, was bei mir los war. Aber was war denn los? Ich denke angestrengt nach, was ich dir sagen soll, um mich zu erklären. Aber mir fällt nichts ein, was in den letzten neun Tagen anders war als an all den anderen Tagen. Es war der ganz normale Mama-Wahnsinn. Alltag mit zwei Kindern, Job, Haushalt. Und in dem bist du irgendwie hintenüber gefallen. Was bin ich nur für eine furchtbare Freundin?!

Erlösende WhatsApp-Nachricht

Da piept mein Handy. Eine Nachricht von dir: "Na, wieder ne anstrengende Woche? Ich schick dir Durchhalte-Power!" Dahinter ein Kuss-Smiley und ein Muskel-Emoji. Mir schießen sofort die Tränen in die Augen.

Was habe ich für ein Glück, dass du meine Freundin bist! Dass du mir nichts vorwirfst, sondern im Gegenteil noch Verständnis dafür hast, dass ich zwischen Kita-Terminen und Schul-Stundenplan, zwischen Kinderbetreuung, Haushalt und Job manchmal die einfachsten Dinge nicht auf die Reihe bekommen. "Du bist großartig. Danke." antworte ich. Dieses Mal innerhalb weniger Minuten. Und morgen, nehme ich mir vor, da melde ich mich in Ruhe bei dir und rufe dich endlich mal wieder an.

Und es tut so wahnsinnig gut zu wissen, dass du nicht sauer sein wirst – auch wenn ich es morgen wieder nicht schaffe. Ich danke dir.

Autorin: Silke Schröckert

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