
Das Ende Januar, kurz vor der Bundestagswahl, beschlossene UBSKM-Gesetz soll den Kinderschutz in Deutschland stärken, indem ein neues Amt eingeführt wurde. Es gibt ab sofort eine "Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs" (UBSKM).
Im Bundestag ist man sich über das neue Gesetz einig
Bundesfamilienministerin Lisa Paus ist froh über die Einigung. Täglich werden in Deutschland 50 Kinder sexuell missbraucht, darüber dürfe man nicht hinwegsehen, sagt sie.
Deshalb schaffen wir starke Hilfestrukturen, verbessern die Möglichkeiten zur Aufarbeitung und stärken den Betroffenenrat und die Aufarbeitungskommission, die Betroffene anhört und Institutionen unterstützt.
Schutzkonzepte an Schulen, in Sportvereinen und Kinder- und Jugendeinrichtungen sollen für mehr Prävention sorgen. Lisa Paus:
Dieses Gesetz ist ein starkes Signal an unsere Kinder: Ihr seid nicht allein. Ihr bekommt Hilfe, wenn ihr Gewalt erfahrt. Und wir tun alles dafür, dass Missbrauch verhindert, aufgearbeitet und bekämpft wird.
Auch die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Kerstin Claus sieht in der Einführung ihres Amtes einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Sie sagt:
Insbesondere die im Gesetz festgeschriebene regelmäßige Berichtspflicht gegenüber Bundestag und Bundesrat wird dazu beitragen, dass Politik durch das Gesetz künftig noch zielgerichteter agieren kann. Zudem wird die Bundesregierung verpflichtet, das UBSKM-Amt in alle relevanten Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen. Mit dem Gesetz nimmt Deutschland auch international eine Vorreiterrolle ein – und setzt einen wichtigen Impuls, dem hoffentlich auch andere Länder folgen werden.
Abschließend muss der Bundesrat das Gesetz verabschieden.
Quelle: bmfsj.de
Bei Instagram äußern sich im Rahmen der Kampagne "Schieb deine Verantwortung nicht weg" derzeit auch Promis zu diesem wichtigen Thema. Hier einige Beispiele:
Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" – einfach anrufen, auch im Zweifelsfall
(Anonym + kostenlos)
Mo, Mi, Fr 9 bis 14 Uhr; Di, Do 15 bis 20 Uhr
Tel. 0800/22 555 30
Internet: hilfe-portal-missbrauch.de
Viele trauen sich nicht, darüber zu sprechen
Ein großes Problem: Aus Scham, Angst oder Unsicherheit sprechen betroffene Kinder oft nicht darüber, wenn sie missbraucht wurden. So kann man ihnen nicht ausreichend helfen und Missbrauchsstrukturen bleiben zum Teil über Jahre bestehen.
Anzeichen und Alarmsignale werden leider oft übersehen: das plötzliche Bauchweh etwa oder Kopfschmerzen, Veränderung der Sauberkeitsentwicklung (wieder Einnässen im Bett) oder auch das Nachspielen des Erlebten. Allerdings: "Eltern dürfen nie den Kindern eine Lüge unterstellen. Papa und Mama müssen offen bleiben und behutsam nachfragen, die Kinder einfach erzählen lassen – auch wenn sie wissen, dass Kinder auch gefallen wollen", so Präventionsexpertin Ulli Freund. "Alle Antworten auf Fragen sind okay." Oberste Verhaltensregel: nie den möglichen Täter zur Rede stellen. "Und sich nicht kirre machen, erst mal Unterstützung holen", rät die Expertin.
Eltern sollten sich bei einem Verdacht – so rät auch Dr. Astrid Helling-Bakki – vor dem Gespräch mit ihren Kleinen "von außen qualifizierten Rat holen", wie und was sie fragen. Ein wichtiger Anlaufpunkt ist dabei das zentrale Hilfetelefon (0800/22 555 30). Die Anfragen können bei allen Beratungsstellen auch anonym gestellt werden. Übrigens auch bei der Polizei. In der Kita sollte nach einem Schutzkonzept gefragt werden (das seit 2010 jede Einrichtung haben sollte): Darin muss z. B. ein Verhaltenskodex beim Wickeln in der Krippe oder bei Ausflügen ins Schwimmbad geregelt sein. "Wenn es so ein Konzept nicht gibt, können Eltern es einfordern", so Ulli Freund, die Kitas in Präventionsfragen berät.
Auch wenn die Annahme häufig eine andere ist: Die Statistik zeige, gut 25 Prozent der Missbrauchsfälle finden in der Kernfamilie statt, 50 Prozent im sozialen Umfeld. Dazu gehören der Freundes- und Bekanntenkreis der Familie, die Nachbarschaft.
Sexueller Missbrauch geschieht oft zu Hause
Experten wie die Präventionsexpertin Ulli Freund wissen aus jahrelanger Erfahrung: Nur wenige Täter sind den betroffenen Kindern wirklich fremd. Zwar kommt es z. B. über das Internet zu sexuellem Missbrauch durch Fremde, doch auch diese bauen im Vorfeld oft strategisch Beziehungen auf, sodass sie den Kindern zumindest vertraut erscheinen. Für die Diplom-Pädagogin ist der beste Schutz, "präventiv zu erziehen". Kinder müssten wissen, dass sie Selbstbestimmung haben, also z. B. selbst über ihren Körper bestimmen dürfen. Und dass sie die Grenzen ziehen. Falsch sei es, "wenn Erwachsene bestimmen, wann geschmust wird oder nicht akzeptieren, dass Kitzeln dem Kind unangenehm ist". Denn diese Vorerfahrung der Kinder mache es den Tätern leicht, übergriffig zu werden.
Ulli Freund betont noch mal: "Es dürfen im Umfeld der Kinder keine Defizite entstehen." Wenn sie niemals nach ihrem Wohlbefinden gefragt werden, empfinden sie das plötzliche Interesse des Täters oder der Täterin an ihnen quasi als Wertschätzung. "Kinder spüren sehr genau diese geänderte Atmosphäre bei Missbrauchshandlungen – auch wenn sie in Zärtlichkeiten eingebettet sind." Da die meisten Missbrauchstäter sehr geschickt vorgehen, z. B. Geschenke machen und so ein Vertrauensverhältnis aufbauen, seien die Kinder bereit, "auch Stillschweigen und Geheimhaltung durch den handelnden Erwachsenen zu akzeptieren."
So können sich Eltern bei sexuellem Missbrauch verhalten – schon bei einem Verdacht aktiv werden
- Aufmerksam sein
Verschließt Augen und Ohren nicht, sprecht mit Nachbarn oder Menschen, die mit dem Kind, um das ihr euch Sorgen macht, zu tun haben. - Bleibt ruhig
Zuallererst an das Kind denken – und nie eurem Ärger ungebremst Luft machen. Sprecht den Verdächtigen vorerst nicht an, das kann zu einer Eskalation zulasten des Kindes führen. Es muss geschützt sein, bevor der mögliche Täter davon erfährt. Sonst besteht das Risiko, dass er oder sie das Kind unter Druck setzt. Das gilt leider auch für Menschen aus der eigenen Familie. - Lasst euch beraten
Ruft als Erstes eine Beratungsstelle an und fragt, was ihr tun könnt. Die Beratung ist kostenfrei und auf Wunsch anonym. - Jugendamt und Polizei anrufen
Nehmt Kontakt zum örtlichen Jugendamt auf, wenn ihr befürchtet, dass ein Kind akut Opfer wird. Ruft die Polizei an, wenn ihr glaubt, dass Leib und Leben eines Kindes in Gefahr sind. - Macht andere auf Hilfsangebote aufmerksam
Flyer oder Plakate von den Beratungsstellen können ausgelegt oder aufgehängt werden. Ihr könnt auch Nachbarn, bei denen ihr vermutet, dass es dort familiäre Probleme gibt, einen Flyer in die Hand drücken, z. B. mit der Ausrede: "Ich habe von denen heute so viele bekommen – habe einen über." - Andeutungen ernst nehmen
Selbst, wenn diese nur sehr vage ausfallen. Viele Kinder machen Andeutungen, um zu sehen, wie der Erwachsene reagiert. Gerade jüngeren Kindern ist es nicht möglich, das Geschehene in Worte zu fassen, die Erwachsene richtig verstehen. Hört auch jenen Kindern zu, die Andeutungen oder Erzählungen von anderen weitergeben. - Vermittelt dem Kind, dass es wichtig ist
Das Kind soll erzählen, aber es ist auch wichtig, ihm Wertschätzung zu zeigen ("Ich merke, dass es dir nicht gut geht"). - Baut Brücken
Bleibt behutsam, gebt nicht auf. Und schafft Vertrauen – z. B.: "Ich verspreche dir: Ich werde nichts hinter deinem Rücken tun."
Autor: Christian Personn

