Es sich selbst wert sein

Selfcare für Mamas: Trend oder Notwendigkeit?

Selfcare ist das Modewort für Mamas schlechthin. Nur: Wie lässt sich zwischen Windeln und Wäschebergen auch noch Zeit für Auszeiten finden? Kinderärztin Miriam Kirchhof erklärt, wie es funktioniert.

Schöne Frau liegt auf Wiese mit Blüten.© Pexels/Criativithy
Selfcare ist nicht nur ein Trend, sondern letztendlich hat die ganze Familie etwas davon, wenn Mama sich auch um sich kümmert.

Egal ob auf dem Badezusatz, dem Tagebuch-Cover oder der Körperpeeling-Verpackung – Selfcare ist einfach überall. Das Wort ist in den letzten Jahren zu einem echten Marketing-Begriff geworden, eng verwandt mit Me-Time und Mommy-Timeout, und fühlt sich daher oft mehr an wie eine leere Phrase. Denn Zeit für sich selbst und für die eigenen Bedürfnisse, die ist bei den meisten Mamas Mangelware.

Selfcare ist mehr als Marketing

Dabei ist Selfcare weit mehr als ein Werbeslogan. Selbstfürsorge ist sogar unerlässlich, gerade wenn der Schlafmangel, die ständige Verantwortung, die emotionale Achterbahnfahrt nach der Geburt zu einer Dauerbelastung zu werden drohen. Bei alledem die eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren, ist wichtig, um körperlich und psychisch gesund zu bleiben. Doch wie kann das im Alltag realistisch funktionieren?

Die Falle des Dauerstresses

Kinderärztin Miriam Kirchhof erklärt: "Auszeiten sind kein Luxus – vor allem nicht für Mütter! Sie stehen oft unter Dauerstress. Doch unser Körper ist nicht dazu gemacht, dauerhaft im Alarmmodus zu funktionieren." Die zweifache Mutter und Autorin ("Einfach gesund Mama sein") betont, dass es auch tagsüber wichtig ist, regelmäßig Pausen einzulegen – denn Schlaf als alleinige Regenerationsphase reicht nicht aus. Die Nacht, die oft von nächtlichem Stillen, Beruhigen und Überprüfen des Babys unterbrochen ist, bietet selten die tiefe, ungestörte Erholung, die der Körper dringend benötigt.

Die Last durch Mental Load und zu wenig Selfcare

Hinzu kommt das große Thema Mental Load – also das Planen, Organisieren, Erinnern und Verantwortlichsein für alle Belange des Familienlebens. "Meist sind es die Mütter, die als Familienmanagerin die Aufgaben, Termine und To-Dos der Kinder bzw. der Familie organisieren", weiß Miriam Kirchhof.

Die unsichtbare Last des Drandenkens ist tückisch: "Unser Geist kann nicht zur Ruhe kommen, wenn er tagsüber dauerhaft von Mental Load vereinnahmt wird und die Schlafqualität leidet," warnt sie. Die Folge sind Erschöpfung, Reizbarkeit und eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Belastungen.

Wege zur Entlastung

Die Expertin nennt konkrete Schritte, um die Mental Load zu reduzieren:

  • Feste Arbeitsteilung: Aufgaben und Verantwortlichkeiten sollten klar und gerecht zwischen den Eltern aufgeteilt werden.
  • Klare Zuständigkeiten: Jeder Elternteil sollte für bestimmte Bereiche des Familienlebens eigenverantwortlich sein.
  • Verantwortung vollständig abgeben: Es ist wichtig, Aufgaben nicht nur zu delegieren, sondern auch die Verantwortung für deren Ausführung abzugeben.
  • Kinder altersentsprechend miteinzubeziehen: Kinder können und sollten im Haushalt mithelfen, je nach Alter und Fähigkeiten. 

Die langfristigen Folgen der Selbstvernachlässigung

Wenn Mütter permanent ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, hat das unmittelbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Chronischer Stress kann sich vielfältig auf die Gesundheit auswirken. Auf der körperlichen Ebene kann er eine Reihe von Beschwerden auslösen, darunter Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Verdauungsprobleme. Auch das Herz-Kreislauf-System und das Immunsystem können unter dauerhaftem Stress leiden. Die psychische Gesundheit ist ebenfalls stark gefährdet. Erschöpfung, Überforderung und das Gefühl der Isolation können zu ernsthaften Problemen wie Depressionen, Angstzuständen und Burnout führen. Nicht zuletzt beeinflusst die Belastung auch die zwischenmenschlichen Beziehungen. In der Partnerschaft kann es zu Spannungen und Konflikten kommen, und eine erschöpfte und gestresste Mutter hat möglicherweise Schwierigkeiten, einfühlsam und geduldig auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen, was sich negativ auf die Bindung auswirken kann.

Wirkungsvolle Auszeiten einlegen

Doch wie können junge Mütter dem Teufelskreis der Selbstvernachlässigung entkommen? Miriam Kirchhof betont, dass es nicht ausreicht, sich "nebenbei" ein paar Minuten zu gönnen: "Richtige Entspannung bzw. Regeneration für Körper und Geist kann nur dann stattfinden, wenn man sich bewusst Zeit dafür nimmt und nicht versucht, sie mal nebenbei im Multitasking Modus reinzupressen."

Die Qualität der Entspannung ist entscheidend. "Auf dem Sofa zu liegen und TV zu gucken oder auf dem Handy durch die sozialen Medien zu scrollen, sind dabei genauso wenig wirkliche Entspannung, wie in einen Fitnesskurs zu hetzen, der weder den eigenen körperlichen Bedürfnissen gerecht wird noch zeitlich in den vollen Mama-Alltag passt," erklärt sie. Diese Aktivitäten bieten zwar Ablenkung, aber keine echte Regeneration.

Die Suche nach der individuellen Entspannung

"Richtige Entspannung kann nur gelingen, wenn unser Geist wirklich zur Ruhe kommen kann, nichts tun oder denken muss oder wir eine Bewegungsform finden, die unseren Körper aktiviert und zugleich nicht überfordert. Meditation, Yoga, Rad fahren oder Spazieren – jede Mama darf für sich ihre eigenen Entspannungsmöglichkeiten finden," so Kirchhof.

Tägliche Routinen einführen

Miriam Kirchhof beobachtet, dass viele frischgebackene Mütter dazu neigen, die eigene Gesundheit zu vernachlässigen. Sie erklärt die möglichen Ursachen: "Frischgebackenen Müttern fehlt sprichwörtlich oft 'das Dorf, das es braucht, um ein Kind großzuziehen'. Wurden sie nicht durch die eigene Mutter oder Großmutter, Freundinnen oder enge Bekannte auf ihre Mutterrolle vorbereitet oder in dieser begleitet, führt die hormonelle Umstellung, die emotionale Achterbahn, die vielen neuen Aufgaben und Herausforderungen als Neu-Mama sowie die fehlende soziale Verbundenheit oft dazu, dass Mütter ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen und sich so Schritt für Schritt erschöpfen."

Sie empfiehlt tägliche Routinen, die sie flexibel anpassen kann: "Ich habe tägliche Routinen, die ich flexibel in meinen Tag einbauen und nach Bedarf in Dauer und Umsetzung variieren kann. Meine Grundpfeiler sind hier jedoch recht simpel: gesunde Ernährung, Bewegung und ausreichend Schlaf sowie Yoga und kleine Auszeiten. Meine 'MiMis – Mindful Minutes' (engl. = achtsame Minuten) dürfen hier nicht fehlen."

Unsere Expertin: Miriam Kirchhof
Miriam Kirchhof

Miriam Kirchhof ist Kinder- und Jugendärztin und arbeitet in der Kinderklinik in Fulda.