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Svenja Sörensen – zur Person
Nach einer Karriere als Bundeswehr-Offizierin fand Svenja Sörensen heraus, wofür sie wirklich brennt. Als Systemische Coachin und Traumapädagogin begleitet sie heute Frauen und Paare auf ihrem Weg – viele von ihnen führen eine offene Beziehung. Svenja (*1985) ist Mutter eines Sohnes und lebt seit zehn Jahren mit ihrem Mann Johannes zusammen (*1990). Seit etwa fünf bis sechs Jahren führen die beiden eine offene Beziehung – mit allen Höhen und Tiefen, die in jeder längeren Beziehung dazu gehören.
Eines klingt im Gespräch mit Svenja immer wieder durch: "Ich will mit Vorurteilen gegenüber offenen Beziehungen aufräumen!" Und davon gibt es jede Menge, das hat Svenja quasi am eigenen Leib erfahren. Sie reichen von Kommentaren wie "Ihr seid wohl nicht glücklich in eurer Beziehung und sucht nach einem Ausweg" bis zu Anfeindungen mit schlimmen Schimpfwörtern. Da muss man erst mal lernen, damit umzugehen. Svenja Sörensen hat ein Buch darüber geschrieben. Darin räumt sie mit Vorurteilen auf und stellt klar: "Auch in einer offenen Beziehung geht es um Vertrauen und Verbindlichkeit". Wie das? Lest selbst (hier im Artikel und im Buch, siehe unten).
Wie sag ich's meinen Eltern?
Natürlich kann es auch im Freundeskreis und in der Familie zu Unverständnis kommen – auch wenn in Svenjas Fall erst mal Sorge vorherrschte: "Meine Eltern sind zum Glück sehr verständnisvoll, aber anfangs dachte meine Mutter, ich würde das nur meinem Mann zuliebe machen." Wir alle haben das Bedürfnis nach Sicherheit und Anerkennung. Da kann es schwer sein, wenn liebe Menschen aus dem Umfeld unsere Entscheidungen ablehnen. Helfen können hier offene Gespräche – auch über eine offene Beziehung, sagt Svenja.
Doch was genau ist eigentlich eine offene Beziehung? Bei dieser Frage merkt man schnell, wie tabuisiert und stigmatisiert das Thema (noch immer) ist.
Definition offene Beziehung
Letztendlich muss jeder seine eigene Definition dafür finden bzw. sich mit seinem Partner (wenn es einen gibt) darüber verständigen. Für Svenja und ihren Mann Johannes sieht die Definition kurz zusammengefasst in etwa so aus:
"Wir führen eine Primärbeziehung. Gleichzeitig sind sexuelle Kontakte mit anderen bis zu einem gewissen Grad in Ordnung. Wir streben keine zweite Liebesbeziehung an, es soll eine emotionale Exklusivität geben. Wir tauschen uns regelmäßig aus und vereinbaren Absprachen."
Verliebt in jemand anderen
Und wenn es nun doch passiert, entgegen aller Absprachen? Wir sind schließlich nur Menschen, da kann es doch passieren, dass man sich in jemand anderen verliebt ... "Klar kann das passieren. Das ist in jeder Beziehung so. Nicht nur in einer offenen", davon ist Svenja überzeugt. "Monogamie ist doch nicht gleichzusetzen mit einer glücklichen Beziehung, da sollten wir als Gesellschaft mal die rosa-rote Brille abnehmen!" Die schöne heile Welt, die uns durch Filme und gesellschaftliche Idealvorstellungen vermittelt wird, existiere so nicht. Und Svenja hat entschieden, dass sie nicht in permanenter Angst leben will. Dafür ist viel Arbeit an sich selbt nötig. "Der Partner soll auch keine Lücke füllen", sagt Svenja. Es könne nicht sein, dass wir uns nur mit einem Partner "ganz" und "vollständig" fühlen und so eigentlich in einer permanenten Abhängigkeit leben. Viel wichtiger sei es, sich mit seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen auseinanderzusetzen, zu hinterfragen und zu reflektieren. Und letztendlich eine Fülle, Ruhe und Sicherheit in sich selbst finden, sodass der Partner hier nicht herhalten muss. Und wenn sich einer in jemand anderen verliebt, ist Innehalten geboten. Ganz wichtig auch hier: ehrlich und offen miteinander zu kommunizieren. Vor allem mit dem Partner, aber je nach Situation auch mit der dritten Person, die sich vielleicht doch mehr erhofft. So entsteht laut Svenja Vertrauen: durch gelebte Verbindlichkeit.
Das A und O in einer offenen Beziehung: Regelmäßiger Austausch, gute Kommunikation mit dem Partner
Und da ist Monogamie kein "one fits all"-Konzept. Liebe werde viel zu oft mit Besitz gleichgesetzt, sagt Svenja. Doch so funktioniere das nicht, wenn wir wirklich ehrlich sind. Wir seien Menschen mit individuellen Bedürfnissen, da sei es doch viel wahrscheinlicher, dass nicht all unsere Bedürfnisse mit denen unseres Partners übereinstimmen, als dass sie es täten. Im Umkehrschluss bedeutet das für Svenja und ihren Mann Johannes, dass sie sich die Freiräume zugestehen, eigene Bedürfnisse auch außerhalb der festen Paarbeziehung auszuleben. Mit festen Regeln, die aber bei Bedarf und nach Absprache dynamisch angepasst werden können, damit alle Beteiligten weiterhin glücklich sind. Beispielsweise könne man auch sexuelle Kontakte mit Freunden und Kollegen ausschließen und vereinbaren, dass man außerhalb der Primärbeziehung nicht mehrmals mit derselben Person intim wird.
Was ist mit den Kindern?
Auch in einer regulären Beziehung bekämen die Kinder ja normalerweise nicht mit, wann die Eltern sexuell aktiv sind. Das sei in einer offenen Beziehung nicht anders. Svenjas und Johannes Sohn ist vier Jahre alt. Zum Glück mussten sie noch nicht erleben, dass Außenstehende ihren Sohn damit konfrontiert haben, dass seine Eltern eine offene Beziehung leben. Er ist ja auch noch klein. Aber aus ihrer Arbeit als Beziehungscoach kennt Svenja solche Situationen. Hier sei es wichtig, die Thematik mit dem eigenen Kind einzuordnen und dann die entsprechenden Erwachsenen in einem offenen Gespräch zu konfrontieren – auch wenn dazu erst mal eine ordentliche Portion Mut gehört.
Kann man als Eltern überhaupt eine offene Beziehung im Alltag umsetzen? Svenja und Johannes tun es. Wobei Svenja auch ganz klar sagt, dass es Grenzen gibt. So könne sie selbst sich nur richtig auf ein Date etc. einlassen, wenn sie ihr Kind gut betreut wisse, beispielsweise bei den Großeltern. Die Situationen, in denen es zu Intimkontakten außerhalb der Primärbeziehung käme, seien also eingeschränkt. Jede offene Beziehung ist im Optimalfall dynamisch und wird auch der jeweiligen Situation angepasst. So könne es auch in einer offenen Beziehung lange monogame Phasen geben, sagt Svenja. In Zeiten persönlicher Krisen, bei Krankheits- und Trauerfällen zum Beispiel, sei es ratsam, nach Absprache die offene Beziehung zu pausieren, also sich ganz auf die Primärbeziehung zu konzentrieren, bzw. voll für den anderen da zu sein. Man solle sich immer wieder selbst fragen, womit es einem im jeweiligen Moment gut gehe und das auch mit dem Partner kommunizieren.
Ist eine offene Beziehung reiner Egoismus?
"Kinder brauchen keine Monogamie-Eltern per se", sagt Svenja. Damit würden sich viele Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Kinder brauchen eine gute Bindung, Liebe und Vertrauen. Aber werden Kinder von außen mit dem Thema konfrontiert, dass ihre Eltern eine offene Beziehung führen, sei es wichtig, sie liebevoll aufzufangen und sie zu stärken – natürlich auch schon vorher. Auf kindgerechte Art und Weise solle man in der Familie möglichst tabulos sprechen können. "Kein Beziehungslabel der Welt verhindert Hänseleien", ist Svenja überzeugt. Daher müssen wir eine Akzeptanz entwickeln, dass wir unsere Kinder nicht vor allem beschützen können. "Wir machen moralisch gesehen nichts Verwerfliches", so Svenja. Das A und O sei in jeder Hinsicht eine gute Kommunikationskultur. Und in ihrer offenen Beziehung gehe es nicht in erster Linie darum, seine Triebe auszuleben. Das Sexualleben sei ja nur ein Aspekt, eine Säule der Beziehung. Man könne sich selbst besser kennenlernen, indem man auch immer wieder hinterfragt, warum man etwas will oder nicht will und welches Bedürfnis dahintersteckt. Die meisten von uns wollen geliebt und anerkannt werden, so Svenja. Es sei immer wieder wichtig, die Paarverbindung zu stärken und zu sichern.
Warum führen Menschen eine offene Beziehung?
Bei vielen Paaren ist die Motivation für eine offene Beziehung das unterschiedlich stark ausgeprägte Interesse an Sex. Oder auch das Ausleben bestimmter Praktiken, an denen die Partner in der Paarbeziehung unterschiedlich stark interessiert sind. Wovon Svenja abrät: Eine Beziehung aufgrund von Unzufriedenheit zu öffnen. Das könne leicht nach hinten losgehen. Es sei extrem wichtig, beständig eine stabile Brücke zwischen den Primärpartnern aufrechtzuerhalten, damit es funktioniert.
Die Sache mit der Eifersucht und: Was bedeutet Betrug in einer offenen Beziehung?
Svenjas eigenes Verhalten im Hinblick auf Eifersucht hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Anderen Menschen gibt sie den Tipp, die Eifersucht zu hinterfragen und zu verstehen, welche Bedürfnisse dahinterstecken. Auch in einer aufgeklärten, erfahrenen offenen Beziehung könne es immer mal wieder Gefühle von Eifersucht geben. Dann gelte es, sie anzunehmen und sich auch darüber mit dem Partner auszutauschen, sich vielleicht eine Art Rückversicherung zu holen.
Auch in einer offenen Beziehung könne es Betrug geben. Nämlich dann, wenn man sich nicht an Absprachen hält oder sich belügt. (Selbst-)Reflektion und ein guter, kontinuierlicher Austausch mit dem Partner seien enorm wichtig.
Wie kann man herausfinden, ob eine offene Beziehung zu einem passt?
Svenja hat dafür einen Test entwickelt. Wenn ihr bestimmte Fragen mit "Ja" beantwortet, könnte eine offene Beziehung zu euch passen. Hier kommst du zum Test, ob du der Typ für eine offene Beziehung bist. Das Wichtigste sei am Anfang laut Svenja, dass man sich langsam herantastet, im Gespräch bleibt und immer wieder "miteinander eincheckt", schaut, wie man sich dabei fühlt. "Macht kleine Schritte und stürzt euch nicht gleich komplett hinein", rät sie. "Bleibt offen, dass ihr eure Absprachen anpassen könnt, wenn sie für einen von euch doch nicht oder nicht mehr passen."