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"Drei Mal schlafen, dann bin ich wieder da", sage ich zu meiner Tochter. Wir stehen in der Kita-Tür, drücken uns, einmal winken, dann drehe ich mich um und gehe. Ab jetzt bin ich frei für drei Tage. Es wird ein paar Stunden dauern, bis ich die Verantwortung abstreifen kann wie einen etwas zu voll gepackten Rucksack. Ich freue mich aufs Ausschlafen. Aufs Kaffee trinken, ohne, dabei "Angeln" zu spielen "Das rote Pferd" zu hören. Drei Tage bin ich in Oslo – ganz allein. Ob ich ein schlechtes Gewissen habe? Nein. Ich weiß, dass meine Tochter bei meinem Mann und meiner Mama bestens umsorgt wird. Das war schon letztes Jahr so, als ich mich allein in ein Wellness-Hotel für drei Nächte eingecheckt habe. Nur beim ersten Mal, als ich eine Nacht auswärts schlief und meine Tochter erst 15 Monate alt war, verdrückte ich ein paar Tränen, nachdem wir uns verabschiedet hatten. Ich wusste nicht, wie sie auf meine 24-stündige Abwesenheit reagieren würde. Aber infrage gestellt habe ich schon damals nicht, ob ich wegfahren darf. Denn ich wusste: Ich muss wegfahren, um wieder Energie zu tanken. Und aus diesem Grund, habe ich mir auch dieses Mal eine Auszeit genommen.
"Selbstfürsorge ist wichtig", sagt auch Mama-Coachin und Podcasterin ("Mamsterrad") Imke Dohmen aus Hamburg. "Denn wenn es der Mutter gut geht, geht es auch dem Rest der Familie gut. Merken wir als Mama, dass es an Energie fehlt, sollte diese aufgetankt werden." Wie das aussehen kann, ist für jeden anders und typabhängig. "Ob das ein Wochenende mit der Freundin ist oder ein Kinobesuch, ist egal. Wichtig ist nur, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse im Blick zu behalten."
Auch ich bin davon überzeugt, dass wir Mütter ab und zu muss raus müssen, um den Mama-Speicher wieder aufzufüllen. Ich finde das nicht egoistisch, sondern eine zwingende Notwendigkeit. Um Abstand zu bekommen von dem kleinen Menschen, den ich so liebe. Und der mir manchmal den letzten Nerv raubt, mich an meine mentalen und körperlichen Grenzen bringt (ich frage mich regelmäßig, warum zum Teufel dieses Elternding so ambivalent sein muss).
Die Verbots-Schilder setzen wir Mütter (und Väter) uns selbst. Mir ist bewusst, dass nicht jeder, der Kinder hat, den Luxus hat, sein Kind in andere, vertrauensvolle Hände zu geben, um sich eine längere Auszeit, auch über Nacht zu nehmen. Doch wenn diese Möglichkeit besteht, sie aber nicht genutzt wird, ist die Frage: Warum nicht? "Oft hindern uns negative Glaubenssätze oder Ängste daran, etwas zu tun und die Komfortzone zu verlassen", sagt Imke Dohmen. "Es gilt dann, diese aufzulösen."
Als ich meine Komfortzone verlasse, ahne ich noch nicht, dass ich schon bald auf andere Art an meine Grenzen kommen werde.
Tag 1 in Oslo: Die Anreise
Am Flughafen Gardermoen angekommen und 20 Minuten Bahnfahrt später, erreiche ich den Hauptbahnhof Oslo. Meine Unterkunft "Numa Oslo Hallen" (Die "Numa Oslo Topp" im Stadtteil Uranienborg ist ruhiger gelegen und daher empfehlenswert für Familien) liegt von dort fünf Minuten zu Fuß entfernt, der Check-in funktioniert problemlos mit einem Tür-Code. Das Appartement zum Innenhof ist modern eingerichtet, mit einer kleinen Küche und Sitzecke. Ich lasse mich aufs Bett fallen – und stehe an diesem Abend nicht mehr auf.

Tag 2 in Oslo: Munch und Musik
Als Langschläferin wundert es mich nicht, als ich am nächsten Tag feststelle, dass es bereits 10 Uhr ist. Um diese Zeit wäre ich an einem normalen Freitag seit vier Stunden wach, hätte gepuzzelt, gemalt, Frühstück zubereitet, ein Dutzend Fragen beantwortet, eine Zahnputz-Diskussion hinter mir sowie eine darüber, dass ein Pullover notwendig ist bei 12 Grad Außentemperatur und ein bis drei Wutanfälle begleitet.
Stattdessen trinke ich meinen Kaffee und lese Benedict Wells. Es regnet, aber das stört mich nicht. Ich beschließe ins Munch Museum zu gehen, das ausschließlich der Werke des norwegischen Malers gewidmet ist. Neben dem berühmten "Schrei" beherbergt das Museum viele weitere eindrucksvolle Bilder des Künstlers, die einen Besuch wert sind.

Danach geht’s zurück zum Numa Hallen, das nur zehn Minuten vom Museum entfernt liegt. Ich ziehe Kleid und Boots an und fahre mit der U-Bahn zum Øya-Festival im Stadtteil Tøyen. Schon vor einigen Monaten hatte ich mir ein Tagesticket gekauft. Bei blauem Himmel und mit einem Bier in der Hand sehe die Band Air und frage mich, wann ich mich das letzte Mal so frei gefühlt habe. Das Leben vor drei Jahren, bevor ich Mutter wurde, war nicht besser oder schlechter als jetzt. Es war eben anders. Und dieses "anders", was mehr Freiheiten bedeutete, fehlt mir manchmal sehr.
Als die Sonne untergangen ist, steht Jack White (ehemals The White Stripes) auf der Bühne und ich in der achten Reihe, tanzend. Beschwingt und leicht beschwipst fahre ich in mein Bett zurück und schlafe zehn Stunden durch.

Tag 3 in Oslo: Ein Fjord und ein Tiefpunkt
Als ich aufwache, bin ich matschig. Alkohol am Vorabend und Kinderbespaßung sind eine nicht zu empfehlende Kombination, aber Alkohol am Vorabend und allein in einer fremden Stadt, sind es ebenfalls nicht. Die Euphorie des Abends ist futsch, ich schleppe mich unter die Regendusche, trinke Kaffee und schaue eine Netflix-Serie.
Mittags beschließe ich, mich heute treiben zu lassen. Mal keinen Plan für den Tag zu haben. Ich spaziere an der Akerselva entlang Richtung Grünerløkka, von den Einheimischen "Løkka" genannt. Ein Szeneviertel, ähnlich wie die Hamburger Sternschanze. In der "Kaffebrenneriet" trinke ich einen erstklassigen Cappuccino, rette meinen Aprikosen Scone vor einer Möwe und lese.
Gestärkt laufe ich weiter, merke dann aber, dass ich mich nach Natur und Ruhe sehne. Eine kurze Busfahrt später (inklusive Insel mit roten Holzhäusern), sitze ich auf einer Bank und schaue auf den einen Fjord, rieche das Salzwasser – und vermisse meine Familie plötzlich ganz arg. Es ist schön, alles nach eigenem Tempo machen zu können. Aber es ist auch schön, Erlebnisse zu teilen.
Ich schicke eine Nachricht an meinen Mann: "Was macht ihr?" Er antwortet: "Stadtpark, Spielplatz, Café, wie immer." Ich fische das mitgebrachte Kanelbullar aus der Tüte und freue mich, dass ich die Zimtschnecke allein und komplett essen kann.
Zurück in der City nehme ich mir im Sushi-Restaurant eine Poké Bowl mit und schaue einen Film in meinem Appartement. Doch dann liege ich wach. Der Tag fühlte sich nicht rund an. Hätte dieser Trip nicht perfekt sein müssen? Hätte ich lieber doch mit einer Freundin reisen sollen?

Tag 4 in Oslo: Die Abreise
Am nächsten Tag spüre ich: Es wird Zeit, nach Hause zu kommen. Drei Nächte reichten aus, um meine Batterien wieder aufzuladen. Aber bevor ich wieder in meine Rolle als Mama schlüpfe, gehe ich Pancakes frühstücken im zauberhaften "Spor av Nord"- Café um die Ecke. Als ich danach am Hafen vor der Oper stehe, auf das glitzernde Wasser schaue und die begrünten Berge, denke ich: Der Anspruch, die Erwartung, dass diese Mini-Zeit mit einem selbst (ob in Gesellschaft oder allein) vermeintlich perfekt sein muss, ist unrealistisch. Das erzeugt nur Druck. Denn es ist doch so: Hier bin ich zwischendurch auch gestresst von vielen Menschen und vielen Eindrücken. Schlafmangel gibt es auch jenseits meiner vier Wände. Doch der entscheidende Unterschied ist: Ich musste mich drei Tage um niemanden außer um mich selbst kümmern. Kein "Mama, guck mal, was ich kann", kein "Ich mag die Tomaten nicht", obwohl die Tomaten gestern noch geschmeckt haben. Keine Verantwortung für eine kurze Zeitspanne. Und das tut gut.
So ein Kurztrip ist vor allem eine Abwechslung vom ewigen elterlichen Hamsterrad. Er darf seine Höhen und Tiefen haben. Aus meiner Komfortzone auszubrechen, fiel mir schwer. Ein Trip allein in eine fremde Stadt, das ist mutig. Doch ganz gleich, ob allein oder in Gesellschaft verreisen, bei einer Freundin übernachten oder eine halbe Stunde lesen: Etwas für sich zu tun im stressigen und manchmal überfordernden Mama-Alltag ist lebensnotwenig. Am Ende ist es doch der Abstand, der dazu führt, den Blickwinkel zu erweitern und sich zu vergegenwärtigen, was wir haben: eine Familie. Auf die freue ich mich übrigens nun sehr. Und auf meine nächste Auszeit.