
Urlaub ohne Kinder ist ein wachsender Trend. Wir haben einen Generationenforscher gefragt, ob das gut oder schlecht ist – und woher man weiß, ob die eigene Familie bereit für die getrennte Auszeit ist.
Die Suchmaschine Google kennt die Reisewünsche der Deutschen: Die Anfragen nach "Erwachsenenhotels" sind zwischen 2015 und 2020 um mehr als 315 Prozent gestiegen (Quelle: tui.com). "Es wird immer normaler, dass Paare mit Kindern auch mal ohne Kinder Urlaub machen", sagt auch Marek Andryszak, Chef von Tui Deutschland, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Urlaub ohne Kind – das sind mögliche Vorteile
Das Verreisen ohne die eigenen Kinder verliert zwar zunehmend seinen gesellschaftlichen Tabu-Status – vollständig salonfähig ist es aber noch nicht. Dabei kann ein Urlaub ohne Kinder unter bestimmten Umständen für alle von Vorteil sein, weiß Generationenforscher Rüdiger Maas: "Für Eltern vor allem, um sich von den Strapazen des Alltags zu erholen und die eigenen Batterien aufzuladen."
Werden die Kinder von Oma und Opa betreut, profitieren auch diese beiden Parteien: Durch die intensive Zeit miteinander entsteht eine engere Bindung zwischen Großeltern und Enkeln. Das ist ohnehin ein Gewinn, aber vor allem in unvorhergesehenen Situationen wertvoll: "Die enge Bindung kann besonders dann förderlich sein, wenn beide Elternteile gerade nicht für ihre Kinder da sein können – aufgrund von Arbeit, Krankheit oder einem Unfall." Alternativ funktioniert es ggfs. mit Paten oder engen Freunden der Familie.
Urlaub ohne Kind: Ab wann kann das klappen?
Ob die Kinder bereit für die Abwesenheit der Eltern sind, muss jedoch individuell entschieden werden: "Besonders im jungen Alter sind die Entwicklungsunterschiede enorm." Dazu gilt es laut dem Experten, auch alle äußeren Umstände einzubeziehen: "Sind Geschwister dabei? Ist der Wohnraum auf Kleinkinder ausgerichtet? Und am wichtigsten: Haben die Kinder dort schon geschlafen?" Die Übernachtung ist laut Rüdiger Maas der schwierigste Teil, da dem Kind Rituale sowie die Nähe der Eltern fehlen: "Dies kann für ein vierjähriges Kind schon zu viel sein." Es sei immer eine Einzelfall-Entscheidung.
Ob der Nachwuchs bereit dafür ist, dass die Eltern ohne ihn in den Urlaub fahren, lässt sich am besten durch ein Probewochenende (oder eine Übernachtung) austesten, bei dem man sich am besten nicht all zu weit entfernt. "Tatsächlich ist ausprobieren und loslassen lernen der richtige Weg, und zwar für beide Seiten", rät Rüdiger Maas. "Denn oft wundern sich Eltern, wie viel möglich ist – oder wie wenig."
Fahrt ihr ohne eure Kinder in den Urlaub?
JA: "Wir nehmen uns endlich Zeit für uns als Paar"

Mona (36), Firmenkundenberaterin mit Bano (36), Eventmanager aus Hamburg, zwei Söhne (8 und 5):
"Wir machen diesen Sommer zum ersten Mal einen Kurzurlaub ohne die Kinder und besuchen ein Festival in Portugal, fünf Tage sind wir dafür unterwegs. Und ich muss gestehen: Ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen! Ich weiß, dass die beiden gut aufgehoben sind bei meinen Eltern. Und ich freue mich, rauszukommen! Als berufstätige Vollzeiteltern macht man sich 24 Stunden am Tag Gedanken, vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Jetzt nehmen wir uns endlich Zeit für uns zu zweit – und auch jeder Zeit für sich. Ganz rational dachte ich zuerst: Ich als 36-jährige Mama zweier Kinder gehöre nicht auf ein Festival. Aber nun freue ich mich wie ein kleines Kind auf diese Auszeit! Und fühle mich dabei ein bisschen wie damals, als mein Mann und ich uns kennengelernt haben: Wir schaffen gemeinsame Erinnerungen, die nichts mit dem Familienalltag zu tun haben – denn es gibt ja nach wie vor uns beide als Paar. Und dann kommen wir wieder und freuen uns umso mehr auf die Kinder!"
JA: "Urlaub ohne Kinder ist eine Win-Win-Win-Situation"

Silke (38), Journalistin aus Hamburg, ein Sohn (8) und eine Tochter (5):
"Mein Mann und ich sind 2018 das erste Mal ohne unsere Kinder weggefahren, da waren die beiden
vier und zwei Jahre alt. Wir waren auf Island, sind in großartigen Fischrestaurants essen gegangen, haben bei Bustouren die herrliche Aussicht genossen, um dann kilometerweit durch die beeindruckende Natur zu wandern. Nichts davon wäre mit unseren Kleinkindern gut möglich gewesen (geschweige denn, dass es ihnen gefallen hätte). Stattdessen hatten sie vier wunderbare Tage bei Oma und Opa, wurden von vorn bis hinten betüdelt – und fanden es so toll dort, dass sie gar nicht wieder weg wollten. Am schönsten aber war die Freude von Oma und Opa: Meine Eltern waren so stolz und glücklich, ihre Enkel ganz für sich zu haben, dass sie seitdem regelmäßig längere Auszeiten allein mit ihnen verbringen. Mal, weil mein Mann und ich im Urlaub sind, mal, weil sie selbst mit ihren Enkeln losfahren. Glücklich sind am Ende alle: Eltern, Kinder, Großeltern. Eine Win-Win-Win-Situation."
NEIN: "Ferien sind doch wie Weihnachten und Ostern"

Alexander (37), Schichtleiter Textilmanagement und Natali (34), Kauffrau im Einzelhandel aus Berlin, eine Tochter (8) und ein Sohn (4):
"Ich finde wichtig, dass man die Begriffe 'Urlaub' und 'kindfrei' trennt. Dass man eine Auszeit von seinen Kindern braucht, sollte nicht als Schwäche gelten. Im Gegenteil: Meiner Meinung nach ist es ein Zeichen von Stärke, wenn man mal Energie für die Familie tanken möchte. Auch unsere Kinder waren schon für ein paar Tage bei Oma und Opa. Der tatsächliche Urlaub aber, in dem wir neue Orte besuchen und Abenteuer erleben – das ist für uns ein absolutes Familiending wie Weihnachten und Ostern! Wir möchten an diesen Tagen einfach mit unseren Kindern zusammen sein. Im Urlaub liegt unser Fokus auf den Abenteuern der Kinder, die sie mit uns zusammen erleben können. Ich konnte so meiner Tochter in Ruhe das Schwimmen beibringen, ganz ohne Hausaufgaben oder Schlafenszeiten im Hinterkopf. Und abgesehen davon: Wann sonst kann man mal sieben Tage am Stück mit den Kindern auch die alltäglichen Dinge wie das Frühstücken, Mittag- und Abendessen begleiten? Das möchten wir nicht missen."
NEIN: "Lieber Nordsee mit Kind als allein nach New York"

Michaela (36), Medizinisch-technische Radiologieassistentin aus Knüllwald (Hessen), ein Sohn (2,5):
"Unser Sohn ist im Urlaub auf jeden Fall dabei! Denn Zeit mit unserem Kind ist wertvoll. Wir Eltern verbringen in der Woche viele Stunden bei der Arbeit – ich tue das durch meinen Job auch am Wochenende und bis zu 24 Stunden am Stück – und unser Kind verbringt viel Zeit im Kindergarten und bei den Großeltern. Wieso sollten wir also die längste und wahrscheinlich beste Freizeit des Jahres ohne unseren Sohn verbringen? Urlaub ist für uns ein Luxusgut. Warum sollten wir unserem Kind vorenthalten, was wir uns selbst gönnen? Im Urlaub erlebt man gemeinsam Dinge, an die man sich noch lange zurückerinnert und von denen man noch lange zehren kann. Diese besonderen Momente möchten wir mit unserem Kind teilen. Es soll die Welt genauso entdecken und kennenlernen dürfen, wie wir es tun. Auch wenn das für uns bedeutet, dass wir vorerst eher an die Nordsee reisen als nach New York."
Autorin: Silke Schröckert