Elterntypen

Eierschalen-Eltern erkennen: Das sind die Warnzeichen

Wenn Eltern aufbrausend und emotional unberechenbar sind, kann das tiefe seelische Wunden hinterlassen. Wie eine Kindheit mit sogenannten Eierschalen-Eltern das ganze Leben prägen kann.

Mädchen umarmt ihre Mutter.© iStock/Pixelimage
Wer mit emotional unberechenbaren Eltern aufwächst, hat oft das Gefühl, sich ständig auf Eierschalen zu bewegen.

Plötzliche Wutausbrüche, Stimmungsschwankungen, Launenhaftigkeit. Das Gefühl, dass es ständig in der Luft knistert und jeder unbedachte Satz, jede Ungeschicklichkeit alles zum Eskalieren bring. Manchmal sind gar nicht die lauten Streits am schlimmsten, sondern das Schweigen. Das Gefühl, für die Laune ihrer Eltern verantwortlich zu sein, kann die ganze Kindheit prägen. So aufzuwachsen kann sich anfühlen wie ständig auf Eierschalen zu laufen.

Emotional unberechenbare Eltern werden auch "Eierschalen-Eltern" genannt. Dieser Ausdruck ist kein offizieller, klinisch definierter Begriff in der Psychologie, beschreibt jedoch sehr gut eine bestimmte Art von Eltern und bestimmte Verhaltensmuster.

Hinweise auf eine "Eierschalen"-Kindheit

"Ein Eierschalen-Elternteil kämpft mit der Regulierung seiner eigenen Gefühle. Das führt dazu, dass Kinder sich ständig in Acht nehmen müssen, um keine Wutausbrüche auszulösen, Demütigungen zu vermeiden oder unrealistischen Erwartungen gerecht zu werden", erklärt Natalie Moore, Paar- und Familientherapeutin aus Kalifornien, gegenüber "HuffPost".

Der Begriff "Eierschalen-Eltern" beschreibt bestimmte Verhaltensweisen, ist jedoch keine Diagnose. "Am extremsten Ende des Spektrums stehen Eltern mit unbehandelten Persönlichkeitsstörungen, wie Narzissmus oder Borderline. Am anderen Ende finden wir emotional unreife Eltern", erklärt die Psychologin.

Mit einer Mutter oder einem Vater mit unberechenbaren Stimmungsschwankungen aufzuwachsen, hinterlässt tiefe Spuren, die oft ein Leben lang anhalten. Es gibt typische Anzeichen und Persönlichkeitsmerkmale, die immer wieder auch bei erwachsenen Kindern von "Eierschalen-Eltern" festgestellt werden. Die folgenden sechs Punkte können ein Warnhinweis darauf sein, dass die eigene Kindheit von ständiger Unsicherheit und Anspannung geprägt war.

1. Ständige innere Unruhe

"Wenn man mit einem solchen Elternteil aufgewachsen ist, entwickelt man oft eine ständige innere Anspannung", erklärt die klinische Psychologin Noelle Santorelli. Diese "Hypervigilanz" führt dazu, dass man den Raum ununterbrochen nach Anzeichen von Konflikten, Spannungen oder drohenden Gefühlsausbrüchen absucht.

Diese Überwachsamkeit, die durch den Umgang mit "Eierschalen-Eltern" entwickelt wurde, setzt sich oft in anderen Lebensbereichen fort, beispielsweise im Berufsleben. "Man sitzt vielleicht in einem Meeting und ertappt sich dabei, wie man instinktiv versucht, die Stimmung der anderen zu deuten. Es ist, als hätte man die Aufgabe, Konflikte im Keim zu ersticken," beschreibt die Therapeutin.

2. Der Wunsch, es allen recht zu machen

"Ein starkes Verlangen nach Harmonie ist eine häufige Folge einer Erziehung mit einem Eierschalen-Elternteil," so Natalie Moore. Betroffene sind ständig darauf bedacht, die Stimmungen und Bedürfnisse der Menschen in ihrem Umfeld zu erfassen und alles zu tun, um es jedem recht zu machen.

Dies führt oft dazu, dass eigene Bedürfnisse unterdrückt oder Meinungen zurückgehalten werden, um niemandem auf die Füße zu treten. Kinder lernen, sich dem "Eierschalen-Elternteil" anzubiedern und seine Laune durch besonders positives Verhalten zu beschwichtigen.

3. Schwierigkeiten, eigene Gefühle auszudrücken

Kinder, die mit "Eierschalen-Eltern" aufwachsen, haben laut Noelle Santorelli oft eine ausgeprägte Angst davor, die eigenen Gefühle auszudrücken. "Sie haben gelernt, dass es am besten ist, ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken, denn starke oder gar gegensätzliche Emotionen führen nur zu weiteren Konflikten. Darum unterdrücken sie ihre Gefühle womöglich konsequent."

Wer nicht gelernt hat, seine Gefühle zu artikulieren oder zu verstehen, hat oft auch Schwierigkeiten, ihnen zu vertrauen. Kinder von Eierschalen-Eltern stellen daher häufig ihre eigenen Bedürfnisse in Frage, sagt Santorelli. Sie sind es gewohnt, ihre Gefühle zu verdrängen oder völlig zu ignorieren.

Viele Betroffene verfügen auch als Erwachsene nur über einen eingeschränkten emotionalen Wortschatz und es fällt ihnen schwer, ihre Gefühle zu benennen.

4. Übermäßiges Verantwortungsgefühl für die Gefühle anderer

Menschen, die von einem "Eierschalen-Elternteil" erzogen wurden, fühlen sich oft übermäßig für die Gefühle anderer verantwortlich. Das ist eine natürliche Reaktion – schließlich haben sie ihre Kindheit damit verbracht, den "Eierschalen-Elternteil" zufriedenzustellen. Dieses Muster setzt sich daher auch in anderen Beziehungen fort.

Sie übernehmen die Verantwortung für die Gefühle des anderen und gehen automatisch davon aus, dass sie Schuld an der schlechten Laune anderer sind und dass es ist ihre Aufgabe ist, das Problem zu lösen.

5. Unbehagen im Umgang mit dem "Eierschalen-Elternteil"

Auch im Erwachsenenalter bleibt der Umgang mit einem unberechenbaren Elternteil belastend. Viele Betroffene berichten von einem ständigen, diffusen Unbehagen in der Nähe dieser Person. Oft entwickelt sich ein Vermeidungsverhalten: Sobald eine Situationen unangenehm zu werden droht, wird instinktiv der Rückzug angetreten.

6. Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen

Kinder von "Eierschalen-Eltern" haben oft gelernt, die Gemüter um jeden Preis zu beschwichtigen. Dabei kommt es meist zu kurz, eigene Grenzen zu setzen.

"Der Versuch, Grenzen zu setzen, hätte wahrscheinlich zu heftigem Widerstand oder endlosen Streitereien geführt", erklärt die Psycholgin. "Im schlimmsten Fall hätte man sich sogar bedroht und emotional unsicher gefühlt."

Diese Erfahrung kann dazu führen, dass es auch im Erwachsenenalter schwerfällt, Grenzen zu setzen – sei es gegenüber dem "Eierschalen-Elternteil" oder anderen Personen.

"Verändern wir unser Verhalten und beginnen, Grenzen zu ziehen, ernten wir oft Widerstand", so Natalie Moore. "Menschen haben bestimmte Erwartungen an uns, und wenn wir diese durchbrechen, sind sie irritiert."

Gerade "Eierschalen-Eltern" gegenüber gestaltet es sich schwierig, Grenzen zu setzen, da sie oft sehr strikte Vorstellungen davon haben, wie man mit ihnen umzugehen hat. Wer sich widersetzt, verstößt gegen die ungeschriebenen Regeln.

Den Umgang mit Eierschalen-Eltern aufarbeiten

Oftmals ist es sinnvoll und erforderlich, dass Kinder von "Eierschalen-Eltern" ihre Erfahrungen mit professioneller Hilfe aufarbeiten. Auch eine vertraute Person, die Ähnliches erlebt hat, kann Unterstützung geben.

Um die belastenden Kindheitserfahrungen zu verarbeiten, ist Selbstmitgefühl von entscheidender Bedeutung, betont Noelle Santorelli. Auch Rückschritte gehören zum Heilungsprozess dazu, und es kann vorkommen, dass alte Verhaltensmuster wie das Bedürfnis, es allen recht zu machen, wieder aufleben oder dass man neu gesetzte Grenzen in Frage stellt.

Entscheidend ist, sich immer wieder klar zu machen: "Die eigenen Gefühle sind berechtigt. Man ist nicht und war nie für die Gefühle der Eltern verantwortlich", so Noelle Santorelli.