Ein Glas Milch am Morgen ist in vielen Familien leider aus der Mode gekommen.© Foto: Getty Images/Image Source
Ein Glas Milch am Morgen oder Abend ist in vielen Familien aus der Mode gekommen.

Erinnert ihr euch noch an die Schulmilch? Für mich als Grundschulkind der 80er-Jahre gehörte sie dazu wie der Tafeldienst oder die Fleißkärtchen. Sobald der Gong zur großen Pause schrillte, rannten wir Kinder zum Hausmeister. Herr Schrenker händigte jedem sein Trinkmilch-Päckchen aus. Weil Milch und Kakao monatlich vorbestellt wurden, ging das ruckzuck. Fast alle Kinder aus meiner Klasse hatten so ein günstiges Milch-Abo, für die mit mehr als zwei Geschwistern war es sogar umsonst. Im Hof tranken wir Mädchen unsere Milch aus den Plastikstrohhalmen und mümmelten das Pausenbrot dazu. Den Jungs gingen wir erst mal aus dem Weg. Denn deren größtes Vergnügen war, die leeren Milchkartons mit einem lauten Knall zerplatzen zu lassen. So fing bei uns jede große Pause an.

Und heute? Die Schulmilch gibt es immer noch. Nach wie vor staatlich subventioniert. Mit mehr als 9,6 Millionen Euro des EU-Schulprogramms (Stand 2022/23). Kakao oder andere gezuckerte Sorten werden mittlerweile nicht mehr von Staats wegen gefördert – zu ungesund. Und doch ist die Schulmilch ein Auslaufmodell. Die Nachfrage in den Schulen ist so gering, dass viele Molkereien die Lieferung eingestellt haben. Irgendwie ist Milch aus der Mode gekommen ...

Milchersatz wird immer beliebter

Langweilig schmeckt's, irgendwie fade, meinen viele Kinder. Und die Eltern stehen nicht mehr so richtig dahinter. Denn das einst blütenweiße Image der Milch ist angekratzt. Milch übersäuere den Körper, erhöhe das Krebsrisiko, lasse Kinder in die Höhe schießen, so die Negativschlagzeilen. Viele lehnen es aus ethischen Gründen ab, Milch zu trinken, und sind gegen Massentierhaltung. Und immer mehr bekommen ein Bauchgrummeln nach einem Glas Milch. Und ist nicht überhaupt alles Pflanzliche sowieso besser fürs Klima? So hat der einstige Muntermacher echte Rivalen bekommen: Drinks aus Soja, Mandel, Hafer oder Reis erobern die Frühstückstische. Undenkbar, den Chiasamen-Pudding mit schnöder H-Milch anzurühren. Oder die zuckerfreien Dinkel-Pops mit Vollmilch zu löffeln. Aber was bringen diese neuen Alternativen? Schmecken sie besser oder sind sie gesünder? Und vor allem: Sind sie auch schon für Babys und Kinder geeignet? Wir haben die gängigsten Sorten unter die Lupe genommen. 

Kuhmilch

Milch enthält Eiweiß, das Kinder zum Wachsen brauchen. Sie liefert Calcium, den wichtigsten Baustoff für die Knochen. Die wasserlöslichen Vitamine B2 und B12 sind ebenfalls vorhanden, gut für die Nervenzellen und die Bildung der roten Blutkörperchen. Außerdem bringt sie Vitamin A und D sowie Zink und Jod mit.

Hinweis: Nicht zu unterschätzen neben einer calciumreichen Ernährung ist aber auch ausreichend Bewegung für die Knochenentwicklung und -gesundheit von Kindern. 

Aktuelle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ):

12. Juni 2024: 

Die Ernährungskommission der DGKJ hat die Zusammensetzung einiger handelsüblicher Milchersatzprodukte betrachtet und in einer aktuellen Stellungnahme zusammengefasst. Die Quintessenz: Pflanzenbasierte Milchalternativen könnten nicht als gleichwertiger Ersatz für Kuhmilch angesehen werden. Insbesondere im Zusammenklang mit veganer oder vegetarischer Ernährung sei hier ein vertieftes Wissen über die Bestandteile und die Zusammensetzung einer gesunden Kinderernährung nötig, damit keine Nährstoffdefizite entstehen. Klare und unmissverständliche Deklaration auf den Ersatzprodukten fehlen allerdings teilweise immer noch.

Prof. Dr. Thomas Lücke, Vorsitzender der DGKJ-Ernährungskommission, weist auf die besonderen Bedürfnisse von Babys und Kleinkindern hin: "Ungeeignet sind Pflanzenmilchen, wenn es um die Zubereitung eines Muttermilchersatzes geht. Und im ersten Lebensjahr soll Kuhmilch ohnehin nicht als Getränk angeboten werden, kann aber die Basis für den Milchbrei sein. Will oder muss tierische Milch gemieden werden, benötigen Kinder Alternativen, die in den Gehalten an Protein und vor allem an Calcium den Gehalten der Kuhmilch nahekommen, damit sie für ihr Wachstum und ihre Entwicklung alles Nötige bekommen!" 

Auch die Ernährungskommission der Nordamerikanischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (NASPGHAN) warnt davor, Kuhmilch gegen pflanzenbasierte Milchersatzprodukte zu tauschen. Das Risiko für Wachstums- und Entwicklungschäden sei real, insbesondere bei jüngeren Kindern. Dokumentierte Fälle mit mangelnder Gewichtszunahme und beeinträchtigtem Körperlängenwachstum, Mangelernährung, Elektrolytstörungen, Nierensteinen, Eisenmangelanämie und Rachitis beweisen dies.

(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin)

Sojamilch

Ein Glas Sojamilch enthält häufig fast genauso viel Eiweiß wie Vollmilch (die biologische Wertigkeit pflanzlicher Proteine ist allerdings niedriger als die tierischer), gesunde Fette und mehr Eisen. Dafür weniger Kalorien und weniger Zucker. Das Getränk aus der Sojabohne schneidet also erst mal gar nicht so schlecht ab. Allerdings: Beim Calciumgehalt kann Sojamilch nicht mit der Kuhmilch mithalten. Einige Hersteller setzen daher das Calcium künstlich zu. Genauso wie Vitamin B12, das übrigens in keiner Pflanzenmilch enthalten ist. 

Experten warnen vor dem Allergiepotenzial von Soja. Um gentechnikfreie Bohnen zu erwischen, sollte man den Drink nur in Bio-Qualität kaufen. Gewöhnungsbedürftig ist der etwas bittere Eigengeschmack von haltbarer Sojamilch. Frische Sojamilch aus dem Kühlregal schmeckt um einiges milder. Egal ob haltbar oder frisch, für Babys und kleine Kinder ist Sojamilch aufgrund der enthaltenen Phytoöstrogene (das sind pflanzliche Hormone) nicht zu empfehlen.

Hafermilch

Hafermilch ist cholesterinfrei, fettarm und liefert viele Ballaststoffe. Deshalb macht ein Glas davon gut satt. Außerdem enthält sie eine gute Portion Calcium. Weil bei der Herstellung die Getreidestärke in Zucker umgewandelt wird, schmeckt der Drink angenehm süß. Klimatechnisch schlägt er die Kuhmilch um Längen: Besonders wenn der Hafer aus Deutschland kommt, ist die Ökobilanz sehr gut. Manko: Der geringe Eiweißgehalt und das fehlende Vitamin B12 machen Hafermilch als eine Daueralternative zur Milch ungeeignet.

Mandelmilch

Mandeln sind gesund. Allerdings sind in Mandelmilch nur 3 bis 7 Prozent Mandeln enthalten, der Rest ist Wasser. Entsprechend wenig Nährstoffe bringen sie mit. Ebenfalls nicht optimal: Mandelmilch enthält noch nicht einmal ein Drittel der Eiweißmenge von Kuhmilch. Was aber für diesen Milchersatz spricht: ihre Cremigkeit und der nussige, wunderbar milde Geschmack. Kauft nur die Sorten ohne zugesetzten Zucker, ansonsten gewöhnen sich die Kinder schnell an die Süße. Manko: In der Ökobilanz schneidet Mandelmilch nicht gut ab. 80 Prozent der verarbeiteten Mandeln kommen aus Kalifornien. Der Anbau in Monokulturen verschlingt viel Wasser, der Transportweg ist lang.

Reismilch

Reismilch hat fast so viele Kalorien wie Kuhmilch. Der Kaloriengehalt kommt aber nicht durch Eiweiß oder Fette, sondern durch Kohlenhydrate zustande. Wenig Eiweiß, viel Zucker, aber kaum Ballaststoffe – so richtig punkten kann die Reismilch nicht. Dazu kommt, dass es keine nennenswerten Mengen an Vitaminen oder Calcium enthält. Er ist aber glutenfrei, das heißt, für Menschen mit Zöliakie geeignet. Beim Kauf Bio-Produkte wählen, ansonsten besteht das Risiko, dass der Drink mit Schwermetallen belastet ist. Reismilch schmeckt relativ neutral, hat aber eine ziemlich wässrige Konsistenz.

Kokosmilch

Kokosnussmilch ist eine verdünnte Form der weißen Kokosmilch – nicht zu verwechseln mit Kokoswasser. Er enthält gar nicht mal so viele Kalorien, da er nur zu zehn Prozent aus Kokosfruchtfleisch besteht. Deshalb sind auch die in der Kokosnuss vorkommenden Mineralstoffe und Vitamine, allen voran Kalium und Biotin, nur in Mini-Mengen vorhanden. Sein großes Plus: Er schmeckt lecker nach Kokosnuss und verleiht Desserts oder Smoothies eine tropische Note. Echte Kokos-Fans trinken ihn auch pur.

Besser doch Kuhmilch?

Fazit: Pflanzendrinks sollten nicht als Milchersatz gesehen werden. Es sind völlig andere Lebensmittel. Deswegen können und leisten sie auch etwas völlig anderes. Für Erwachsene, die den Milchzucker Laktose nicht vertragen (Kinder sind davon äußerst selten betroffen), sind sie prima. Und für Frühstücksmuffel und Milchverweigerer ist ein Glas warme Mandelmilch im Magen besser, als nüchtern aus dem Haus zu gehen. Aber der Pflanzendrink ersetzt nicht das Käsebrot oder den Joghurt in der großen Pause. Denn ohne Eiweiß, Calcium, Vitamin B12 oder Vitamin D – all das, was in Milchprodukten steckt – wird's schwierig mit einer gesunden Entwicklung.

Wie überall: Die Mischung macht's. Literweise Milch zu trinken ist nicht gesund. Literweise Haferdrink aber auch nicht. Denn die Pflanzendrinks enthalten oft Stabilisatoren und Emulgatoren, was sie zu hochverarbeiteten Lebensmitteln macht. Eltern sollten öfter mal die Sorten durchwechseln. Und immer auf das Zutatenverzeichnis schauen. Denn einige Hersteller setzen Calcium und Vitamin B12 zu, andere nicht.

Autorin: Angela Murr