So einfach kann es gehen

Nie mehr Essensreste in der Brotdose ...

Unsere Autorin hatte genug von den halbvollen Brotdosen mit angekauten Käsebroten. Muss man wirklich Gemüse in Sternform schnitzen und Reis zu Pandabären formen, damit die Kinder essen, was in die Brotbox kommt? Und was, wenn sie es selbst dann nicht tun? Ein mittelschwerer Nervenzusammenbruch brachte urplötzlich die Lösung – und die ist unfassbar einfach!

Das Toast mutiert zum Marienkäfer, die Gurken zu kleinen Blümchen. Muss eine Kita-Brotdose so aussehen – oder geht's einfacher?© Foto: Getty Images/ ThitareeSarmkasat
Das Toast mutiert zum Marienkäfer, die Gurken zu kleinen Blümchen. Muss eine Kita-Brotdose so aussehen – oder geht's einfacher?

Eins vorab: Ich hatte mir wirklich Mühe gegeben. Immer und immer wieder. Jeden verdammtem Morgen (lange bevor ich mir selbst irgendetwas Essbares einverleibt hatte), tanzte ich – stets den Blick auf den Minutenzeiger der Uhr gerichtet, denn wir sind eigentlich jeden Tag zu spät dran – aufgeregt wie ein durchgeknalltes Duracell-Häschen um die kleine, blaue Brotdose meiner Tochter herum. Ja, dieses unheilvolle Kästchen aus robuster Tupperware hatte sich im Laufe der letzten Monate zu meinem persönlichen Erzfeind entwickelt. Denn völlig egal, wie viel Liebe und Fantasie ich in seine Befüllung steckte: Nichts schien gut genug.

Ich halbierte Weintrauben, ich schnitzte Gürkchen in Sternenform und ich schälte Mandarinenstücke so lange, bis kein Zipfelchen "Weißes" mehr zu sehen war. Ich stanzte mit Plätzchenausstechern Motive in Butterbrote und schnitt Knäckebrote so zurecht, dass sie exakt in das kleine quadratische Fach der Brotdose passten (habt ihr mal probiert, Knäckebrot zu schneiden, ohne dass es bricht?). Ich sammelte aus unserem Studentenfutter die Rosinen raus und pulte von Salzstangen das Salz ab. An einem Morgen habe ich aus Frischkäse und Schwarzbrot eine "Milchschnitte" nachgebastelt, weil ich dachte, dass es für meine Tochter lustig sei, ein Brot zu essen, das wie eine Süßigkeit aussah. Ich habe mir sogar so eine asiatische Bento-Form gekauft, mit der man Reis in die Form eines Pandabären pressen kann! Ja, ich kann aus voller Überzeugung sagen: Ich hatte wirklich ALLES probiert.

"Das schmeckt mir nicht."

Nur Weniges während meiner bisherigen Mutterschaft wurde so wenig wertgeschätzt wie diese morgendlichen Mühen in Sachen Brotdosenbefüllung. Wobei ich diese Kritik ausschließlich an meine Tochter richte: Ihrem älteren Bruder kann ich trockene Brote und (Himmel, hilf!) ungeschnittene Äpfel in den Schulranzen schmeißen – der isst, was er finden kann. Seine Schwester hingegen brachte Kita-Tag für Kita-Tag die (mindestens) halbvolle Brotdose wieder mit nach Hause. Weil die Weintrauben "komisch" aussahen oder die Mandarine "krumpelig". Weil das Butterbrot zu hart war oder das Knäckebrot zu weich, die Gurke zu matschig (oder vielleicht auf einfach zu gurkig, was weiß ich).

"Das schmeckt mir nicht" und "Das mag ich nicht" sind, wenn eine Fünfjährige sie äußert, übrigens Statements, die sich unter keinen Umständen mit dem rationalen Hinweis entkräften lassen, dass exakt DIESES Lebensmittel in exakt DIESER Servierform der kleinen Brotdosenbesitzerin gerade gestern noch ganz vorzüglich geschmeckt hat und sie es kiloweise in sich hineingeschaufelt hat. Denn was will man auf "Ja, Mama, aber es schmeckt mir eben HEUTE nicht mehr!" noch groß kontern?

Brotdose voll, Nerven am Ende

Rückblickend betrachtet, glaube ich, dass die Brotdosen-Thematik mein Mama-Ego viel stärker angenagt hat, als ich mir im allgemeinen Morgenstress je eingestehen wollte. Anders kann ich mir nicht erklären, was an diesem einen Montagmorgen im letzten Jahr plötzlich geschah.

Ich stapelte gerade Schmetterlingsnudeln liebevoll in ein Fach der Brotdose, als meine Tochter in die Küche kam und maulte: "NEIN, MAMA! Nicht die Nudeln einpacken! Die mochte ich gestern Abend schon nicht!"

Das war’s. In diesem Moment tickte irgendetwas in mir aus. Ich schmiss die Nudeln, die ich gerade noch in der Hand hielt, auf den Boden, stampfte wie ein Kleinkind in der Blütezeit seiner Trotzphase auf dem Küchenboden rum, warf mit Plattitüden à la "andere Kinder würden sich freuen, wenn sie so tolle Nudeln in der Brotdose hätten" um mich und brüllte nach einem lautstarken Wut-Monolog meiner verdatterten Tochter schließlich ins Gesicht: "Dann mach dir deine doofe Brotdose doch selber!"

Selbermachen: die einfachste Lösung von allen

Meine Aufforderung war reine Rhetorik, dazu noch sehr plumpe. Doch meine Tochter tat, was Kinder meistens tun: Sie nahm die Aussage wörtlich. "Okay, mach ich ja schon", brummelte sie – und griff nach einer Banane aus unserem Obstkorb. "Kannst du die durchschneiden? Mit Schale? So hat Leo das auch immer." Sie zeigte mir die Stelle, an der ich die Banane zerteilen sollte, beobachtete genau, wie ich Schale und Fruchtfleisch in zwei gleichgroße Stücke schnitt und beförderte die eine Hälfte in ihre Brotdose. "Haben wir Paprika?", fragte sie dann.

Ich reagierte fasziniert und sprachlos auf die Anweisungen meiner Tochter, schnitt Paprika und anschließend Graubrot in Stücke ("Bitte Käse drauflegen, aber den dunklen.") und beobachtete, wie sie Fach für Fach die Brotdose nach ihren eigenen Vorstellungen füllte. Ein Schälchen war noch leer – und blieb es auch: "Das reicht", entschied sie, und klappte den Deckel zu. Der ganzen Situation fehlte nur noch ein Spruch nach dem Motto "Ist doch wirklich nicht so schwer, Mama!".

Was ist eigentlich eine gute Mutter?

Bad Mom: Wie ich eine schlechte Mutter wurde, um die beste für meine Kinder zu sein© Junior Medien

Silke Schröckert hat herausgefunden: Sie selbst ist es nicht. Ziemlich enttäuschend einerseits, denn sie wollte es doch so, so gern sein! Andererseits hat die Autorin festgestellt: Wenn sie selbst aufhört, immer "gut" oder gar "perfekt" sein zu wollen, geht es nicht nur ihr selbst besser – sondern der ganzen Familie.

In ihrem neuen Buch "Bad Mom" erzählen Silke Schröckert und ihre Gastautorinnen von vergessenen Brotdosen und verpassten Schulveranstaltungen, von viel zu langen Fernsehzeiten und unfassbar ungesundem Abendessen, von selbstgekauften statt selbstgemachten Geburtstagskuchen, von ungeputzten Zähnen und Pyjamas unter Wintermänteln. Und vor allem: von glücklichen Kindern.

Silke Schröckert: "Bad Mom" (ab 6. Mai 2023, 18,95 Euro, Junior Medien)

Das war lecker!

Die Geschichte um die selbst befüllte Brotdose hat ein Happy End: Voller Stolz verkündete meine Tochter am selben Nachmittag schon beim Abholen in der Kita-Garderobe, sie habe alles restlos aufgegessen, "weil, ich hab mir ja nur leckere Sachen reingetan, Mama!".

Ich hätte monieren können, dass auch ich stets "nur leckere Sachen" eingepackt hatte, aber schlichtweg nicht über ausreichend hellseherische Fähigkeiten verfügte, um die sich ständig ändernden Nahrungsmittelpräferenzen der jungen Dame vorhersehen zu können. Aber wer diskutiert schon mit einer glücklichen Fünfjährigen, die an diesem Tag voller Stolz und komplett ungefragt jedem die Geschichte erzählte, dass sie ab jetzt ihre Brotdose immer ganz allein fertig macht: "Weil Mama kann das nicht so gut wie ich."?

Neues, nachhaltiges Ritual

Tatsächlich ist das "Selbstbefüllen" der Brotdose zum neuen morgendlichen Ritual geworden. (Nur für die Tochter, versteht sich! Meinen Vorschlag, dass auch er seine Brotdose selbst vorbereiten könne, quittierte mein Sohn mit einem nahezu erschütterten "Hä? Mir doch egal, was da reinkommt!") Seither starten wir nicht nur mit weniger Stress in den Tag – sondern beenden ihn auch mit deutlich weniger Essensresten.

So gesehen ist der Titel dieses Textes natürlich eine glatte Lüge: Nicht ICH kreierte die beste Brotdose der Welt – meine Tochter tat es. Und erteilte mir damit gleich noch eine wertvolle Lektion: Ich sollte sie viel öfter direkt nach ihrer eigenen Meinung fragen.

Autorin: Silke Schröckert

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