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"Das ist ja wieder typisch!" oder "Da bist du selbst schuld". Solche unmotivierenden Sätze von Mama und Papa kennt wahrscheinlich jedes Kind. Dabei passieren sie meist ohne böse Absicht. Floskeln wie "Nimm dir mal ein Beispiel an deinem Bruder!" erzeugen Frust, beziehen sich weder auf die Situation, noch geben sie Kindern die Möglichkeit, sich zu beweisen.
Die psychologische Beraterin Tamara Heuser erklärt, dass vielen Eltern gar nicht bewusst ist, dass sie ihre Kinder mit negativen Bannbotschaften verunsichern und in ihrem tiefsten Inneren verletzen. Oft haben sie durch ihre eigene Ursprungsfamilie ähnliche Botschaften erhalten, sie bis heute nicht reflektiert und geben sie unbewusst an ihre Kinder weiter. Heuser weiß, "wenn Eltern durch Job, Partner oder durch ihren Alltag genervt sind, passiert es häufig, dass sie unbewusst negative Botschaften aussenden, die in wiederholter Form der Psyche ihrer Kinder schaden."
Was sind Bannbotschaften?
Der Begriff Bannbotschaft, den die Sozialpädagogin Sabine Unger geprägt hat, bezeichnet negative Aussagen von Eltern, die sich Kindern einbrennen und ihr Selbstbild bestimmen. Hören Kinder immer wieder "Das schaffst du nie!" oder "Ich habe es dir gleich gesagt" kann es sie nicht nur entmutigen, sondern ihnen auch ihr Selbstvertrauen nehmen. Geprägt durch solche Ansagen werden Kinder auch später immer wieder die Schuld für Misserfolg bei sich selbst suchen. Sie werden sogar bestimmte Situationen meiden, um gar nicht erst zu scheitern.
Robert L. Goulding hat das Phänomen bereits in den 60er-Jahren analysiert.
Die schlimmste Form der Bannbotschaft sieht der Arzt in Aussagen wie
"Immer störst du!" Oder "Nie kann ich mal in Ruhe ...", die dem Kind indirekt das Gefühl geben, zur Last zu fallen und abgelehnt zu werden.
Auch körperliche Nähe und Zuwendung kann gebannt werden. Durch Aussagen wie "Jetzt lass mal das ewige Gekuschel" oder "Komm mir nicht immer so nah" lernt das Kind, Körperkontakt als etwas Negatives zu sehen.
Auf Kosten des Selbstwertgefühls des Kindes gehen Aussagen wie "Was willst du denn schon wieder?" oder "Du hast hier gar nichts zu sagen". Das Kind wird übergangen und bekommt den Eindruck, nicht wichtig zu sein. Eine Ansage wie "Das kannst du sowieso nicht!" kann das kindliche Selbstvertrauen herabsetzen. Keine zweite Chance zu bekommen fördert die Neigung zum Versagen.
Was die Eltern sagen, stimmt – oder?
Mama und Papa haben immer recht: in diesem Selbstverständnis werden Kinder groß. Eltern sind Vorbilder und was sie sagen und tun, ist maßgeblich. Die starke Kraft elterlicher Aussagen setzt sich in Kindern fest und irgendwann werden diese Gedanken die eigenen sein. Bannbegriffe wie "schuldig", "unbegabt" und "unzuverlässig" lassen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten leiden.
"In Sport warst du schon immer eine Niete!" Steht das Resultat einer Herausforderung vermeintlich sowieso schon fest, wird sich ein bereits gebanntes Kind auch gar nicht mehr bemühen. Die fatale Wirkung solcher Botschaften baut sich erst mit der Zeit auf. Später kann dieser Bann dann dauerhaft belastend sein, selbst wenn sich inzwischen Erfolg eingestellt hat.

Bitte nicht verallgemeinern und pauschalisieren
Aussagen wie "Immer kommst du zu spät!" oder "Nie kann man sich auf dich verlassen!" sind dabei meist völlig überzogen und fehl Platz. Begriffe wie "immer" und "nie" haben die Macht, das Kind zu entmutigen.
"Muss ich dir das denn immer wieder sagen?" Werden solche Ermahnungen von den Eltern ständig wiederholt, fühlt sich das Kind als Versager. Aus Angst, erneut zu scheitern, traut es sich nichts mehr zu. In diesem Teufelskreis kann es keine Erfolgserlebnisse haben und Neues lernen. Die von Experten sogenannte "erlernte Hilflosigkeit" lässt das geschwächte Kind später sogar an einfachen Aufgaben verzweifeln.
Hat sich eine Bannbotschaft wie "Das schaffst du sowieso nicht!" einmal festgesetzt, ist das Kind verunsichert und sucht auch bei anderen nach Anzeichen der Missbilligung. Die Erinnerung an früheres Versagen kann dann schnell dazu führen, dass sich die Prophezeiung erneut bestätigt, da niemand etwas anderes erwartet hat.
Warum Bannsätze für Kinder schädlich sind
Tamara Heuser zufolge saugt das kleinkindliche Denken Bannbotschaften ungefiltert auf. "Kinder können noch nicht nach Konzepten wie Ursache und Wirkung unterscheiden. Sie nehmen die negativen Botschaften als eine persönliche Bedrohung wahr und versuchen, den Anforderungen gerecht zu werden, um passend für die Familie zu sein. Diese Botschaften haben zur Folge, dass Kinder sich ein sogenanntes 'Lebensskript', aneignen, dass genau diese Anforderungen widerspiegelt." Dürfen die Kinder nicht sie selbst sein, führt das zu einem starken inneren Druck, es allen recht machen zu wollen. Zudem bemessen sie ihren Wert an der Reaktion ihrer Mitmenschen. Die unterdrückten Gefühle können ein Eigenleben führen und sich dann oft in "belanglosen Situationen" mit "unkontrollierten Gefühlsausbrüchen" entladen.
Kann man einen Bann wieder lösen?
"Totale Offenheit der Eltern gegenüber dem Kind und eigenes Fehlereingeständnis können Bannbotschaften wieder rückgängig machen", sagt Expertin Heuser. "Allerdings muss der Fehler zeitnah und mit einer Begründung zugegeben werden." Sobald das Kind den Fehltritt nachvollziehen kann und bemerkt, "dass es den Eltern tatsächlich leidtut und sie es lieben, ist in der Regel die Botschaft gelöscht".
Bannbotschaften sind tief im Unterbewusstsein verankert und müssen dort aufgelöst werden. Doch selbst ein Bann aus der Kindheit lässt sich bei Erwachsenen noch aufheben. In Kursen, wie sie Tamara Heuser anbietet, können negative Botschaften aus dem Unterbewusstsein auf die Bewusstseinsebene gebracht, dann verarbeitet und gelöst werden.
Achtsames Formulieren
Niemand ist frei vom Gebrauch von Bannbotschaften. Mit einer Aussage wie "Lass mich das besser machen" soll das Kind ja sogar geschützt werden. Häufig rutschen Eltern Formulierungen heraus, die sie so eigentlich nie sagen wollten. Solange sie die Ausnahme sind und das Kind sonst genug Zuwendung bekommt, kann ein stabiles Kind sie auch verkraften.
Innerhalb der Familie gilt es, genauso höflich miteinander umzugehen wie mit Freunden oder Kollegen. Zudem ist es wichtig, die eigenen Erfahrungen und Wünsche nicht auf das Kind zu übertragen. Es ist vielleicht einfach nicht so sportlich wie du. Jedes Kind ist anders – fördere seine individuellen Talente.
Schon mal versucht, deine eigene Gefühlslage zu formulieren? Sag deinem Kind klar, was dich stört oder ärgert. So wirst du schneller eine Reaktion auf die konkrete Situation bemerken als in einer übertriebenen Verallgemeinerung. Scheu dich auch nicht davor, dich nach einer unpassenden Ansage bei deinem Kind zu entschuldigen und die Situation zu erklären.
Natürlich darf es auch mal Kritik geben. Hinterfrage deine Bannsätze aber möglichst objektiv nach ihrem wahren Kern. Pauschalurteile sollten wir als Eltern konkretisieren. Wenn das Kind etwas lernen soll, benötigt es klare Ansatzpunkte.
Positiv kommunizieren
Wie lassen sich bestimmte Sätze anders und zwar positiv sagen? Denk dich in die Situationen, die dich dazu verleiten. Wenn dein Kind zum Beispiel Milch verschüttet, könnte aus "Typisch! Wie kann man nur so ungeschickt sein" ein "Hol mal bitte schnell einen Lappen!" werden und das Kind mit dieser konkreten Handlungsanweisung aus der Schusslinie nehmen.
Ein selbstbejahender Satz (Affirmation) wie "Du bist gut, genauso, wie du bist", bestärkt Kinder in ihrem gesunden Selbstvertrauen. Negative Bannbotschaften mit einer unerwünschten Haltung gegenüber dem Kind können sich nämlich auch in dir festsetzen. Eine positive Einstellung zu den alltäglichen Dingen kann dazu führen, dass du dich deutlich weniger über dein Kind ärgerst.
Expertin Tamara Heuser erklärt: "Zuneigung und Liebe sind kein Synonym für Schwäche. Im Gegenteil. Wir brauchen Familiensysteme, in denen positive Kommunikation und ein liebevolles Miteinander vorherrschen, die nicht an besondere Leistungen oder andere Bedingungen gekoppelt sind."
Wie lassen sich Emotionen beherrschen?
"Um die Situation zu entspannen, ist das Ziel, dass die immer wiederkehrende Emotion keine Macht mehr auf uns ausübt", erklärt Heuser. Dazu muss man die Emotion genau erkennen und führen. Wer seine eigenen Gefühle versteht, versteht auch die seiner Kinder. Für mehr Gelassenheit empfiehlt die Expertin diese Übungen:
- Wo genau im Körper spürst du die Wut? Magen, Stirn, Nacken? Beobachten und atmen.
- Welcher Gedanke hat diese Emotion ausgelöst, bevor sie entstanden ist?
- Einen positiveren Gedanken wählen und beobachten, wie sich die Emotion langsam auflöst. ("Ich schaffe das, ich kann mich gut konzentrieren und auch für mein Kind da sein. Unterbrechungen durch mein Kind sind normal, ich muss nicht schimpfen und ihm sagen, dass es mich in Ruhe lassen soll.")
- Den positiveren Gedanken wahrnehmen und spüren, wo und wie sich der Körper entspannt. Symptome wie Magendrücken oder Nackenschmerzen hören auf.
Tabus in der Kommunikation
"Nicht jede negative Botschaft in einer sonst liebevollen Familienatmosphäre, führt zu einem negativen Selbstkonzept des Kindes", erläutert Tamara Heuser. Um Kindern nicht das Gefühl zu geben, wertlos zu sein, gilt es allerdings, einiges zu befolgen:
- Sparsam mit Kritik umgehen und nur das Verhalten kritisieren, nicht das Kind in seiner Persönlichkeit.
- Keine verbalen Drohungen und Beschimpfungen verwenden.
- Positive Zuwendung nicht an Bedingungen knüpfen.
- Keine anderen Kinder oder das Geschwisterkind bevorzugen.
- Vor anderen nicht schlecht über das Kind reden.
- Keine unrealistischen Erwartungen haben und nicht mit anderen vergleichen.
- Verallgemeinerungen wie "immer" und "nie" aus dem Vokabular streichen.
- Nicht dem Kind die Schuld am Streit mit dem Partner geben.
- Keine negativen Eigenschaften des Partners auf das Kind übertragen.
Ein weiser Rat der Expertin: "Wir sollten mit Kindern offen, respektvoll und wertschätzend kommunizieren. Sie müssen wissen, dass sie genauso wertvoll sind wie andere Familienmitglieder auch. Nur dann werden sie selbstständig, sich-selbst-bewusst, und behandeln andere, wie sie auch behandelt werden möchten."