Einfach und genial

Erziehung: Wie indigene Völker Streit unter Geschwistern schlichten

Wenn Geschwisterkinder sich streiten und Eltern verzweifeln, lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: Die indigene Bevölkerung setzt auf ein geniales Spiel, um den Frieden wiederherzustellen – und das geht auch hierzulande.

Geschwister, die nicht streiten? Undenkbar! Zoff gibt es in den besten Familien – und auch in allen Kulturen und zu allen Zeiten. Wenn sich Geschwister bei den Indigenen in die Haare bekamen, setzten die Familien auf ein einfaches wie geniales Mittel, um den Frieden wiederherzustellen: spielen!

In seinem Buch "Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen" stellt der Autor Eldon Yellowhorn die Lebensweisen der indigenen Bevölkerung vor. Dabei geht es nicht nur um ihr Wissen über Ernährung, die Natur, ihre Bräuche und Zeremonien, sondern auch um Erziehungsmethoden. Besonders ein Tipp dürfte auch Eltern hierzulande in der ein oder anderen kniffligen Situation aus der Patsche helfen ...

Geschwisterstreit wird durch Spiele beigelegt

Eine zentrale Rolle kam dabei dem Chunkey-Spiel zu. Das sind die Regeln: Die Zuschauer stellen sich entlang der Chunkey-Spielbahn auf. Jeder Spieler bekommt einen Stab aus Hickoryholz, der mit Kerben versehen und mit Bärenöl eingerieben ist. Der Großvater hat die ehrenvolle Aufgabe, den Chunkey-Stein in das Spielfeld zu tragen. Ein Spieler nimmt den Stein und wirft ihn das Spielfeld hinab. Das Spiel beginnt. Sobald der Stein zum Stillstand gekommen ist, schleudern die Gegner ihre Stäbe in Richtung des Steins. Der Spieler, der seinen Stab am nächsten am Stein platzieren kann, bekommt einen Punkt. Das Ganze wird solange wiederholt, bis einer zwölf Punkte Vorsprung hat und somit das Spiel gewinnt. Am Ende sind garantiert alle Spieler k.O. - und der Groll ist beigelegt. 

Bei den indigenen Völker wird erwartet, dass sich die Spieler nach dem Spiel vertragen. 

So funktioniert das Spiel zu Hause

Ihr habt gerade kein Bärenöl und keinen Hickoryholzstab zur Hand? Und der Großvater ist auch verhindert? Kein Problem: Die Regeln lassen sich anpassen. Wichtig ist nur ausreichend viel Platz im Freien für eine improvisierte Spielbahn. Ein Stein und Holzstäbe lassen sich sicherlich auftreiben. Entscheidend ist, dass sich die Streithähne ihren Frust ablaufen und sich richtig auspowern können. Wer im Spiel Kräfte misst und danach richtig schön erschöpft ist, wird höchstwahrscheinlich keine Kämpfe mehr im Kinderzimmer austragen. Und es muss ja auch gar nicht das Chunkey-Spiel sein: Auch mit anderen Sportarten lässt sich Wut und Ärger auf gesunde Weise abbauen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Noch mehr Spiele der Indigenen

Das Chunkey-Spiel hat bei den indigenen Völkern eine lange Tradition. Vermutlich wurde es bereits im 11. Jahrhundert im heutigen St. Louis, Missouri, gespielt. Von dort aus hat sich das Spiel wahrscheinlich als eine Methode, um Streit zu schlichten, bis an die Ostküste verbreitet. Im heutigen US-Bundesstaat Illinois wurden Chunkey-Steine aus dem 13. Jahrhundert gefunden. Die Steine haben einen Durchmesser von rund 15 Zentimetern, sind rund geschlitten und haben in der Mitte eine Einbuchtung, damit sie beim Werfen gut in der Hand liegen.

Bei den Indigenen standen auch Ballspiele wie Lacrosse und Doppel-Ball hoch im Kurs. Die Spiele galten als wichtiges Training, um Kraft und Gemeinschaftsgeist zu stärken. Sie wurden auch als zeremonieller Kampf ausgetragen, um Streitigkeiten beizulegen und die Harmonie wiederherzustellen. Bei einem traditionellen Spiel der Mandan, Arikara und Hidatsa wurden Pfeile geworfen – und das ist nicht nur etwas für die Großen. Schon Kinder lernen die Regeln des Spiels.