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"Tom lernt jeden Tag neue Wörter!", gebe ich gerade am Telefon an. "Daniel hat ihm so oft Han Solo und Yoda vorgesagt, dass er sogar die 'Star Wars'-Namen nachbrabbelt." Meine Schwiegermutter lacht am anderen Ende der Leitung – stolz wie Oskar auf ihren kleinen Enkel (und vermutlich leicht irritiert von der Vokabel-Auswahl, mit der wir den Zweijährigen konfrontieren). Mit dem Handy am Ohr greife ich in diesem Moment nach Duplosteinen in der Badewanne, bleibe am Duschvorhang hängen und mit lautem Getöse krachen Duschstange, Handy und ich nacheinander auf den Wannenboden.
Wenn Kinder das Wort "Scheiße" für sich entdecken ...
"Scheiße!", brülle ich ein erstes Mal, halb vor Schmerz, halb vor Schreck. Und "Scheiße!", flüstere ich ein zweites Mal, als ich aufblicke und in zwei kleine, wache Augen schaue, die das Dilemma ganz genau beobachtet haben. Zu spät. Die dazugehörigen Ohren waren zu 100 Prozent auf Empfang gestellt. Und es geht los: "Scheiße, scheiße, Mama scheiße, scheiße, scheiße!", singt mein Sohn, während er sich um sich selbst dreht wie ein kleiner Fluch-Kreisel. Schnell drücke ich Schwiegermama weg und probiere es mit Rechtfertigungen: "Mama ist hingeknallt, nur deshalb hat sie 'Scheiße' gesagt. Man darf 'Scheiße' nicht sagen, das ist ein böses Wort!". Ich merke zu spät, dass es die Sache nicht besser macht, wenn ich das "böse Wort" ständig wiederhole. "Mama hinge-naaaallt, scheiße, scheiße!", berichtet Tom selbst Stunden später noch seinem Vater.
Der Reiz der "bösen Wörter" ist die Reaktion von Mama und Papa
Das ist der ganz große Nachteil am sonst so großartigen Sprechenlernen: Die Kleinen saugen nicht nur die "guten" Wörter in sich auf wie ein Schwamm, sondern einfach alles, was sie hören. Und weil es stets viel Applaus gibt, wenn man brav "Yoda", "Bauarbeiter", oder "Oma Wiesbaden" nachplappert, wird eben auch jedes andere Wort nachgesprochen. Erst recht, wenn es dafür so viel Aufmerksamkeit gibt wie bei "Scheiße". Und genau da liegt der eigentliche Reiz der "bösen Wörter": Nicht deren Bedeutung, sondern die Reaktion darauf ist das Aufregende. Mama wird nervös, Papa schimpft, Oma und Opa auch – und zwar mit Mama, denn die ist ja schließlich Schuld, dass die arme kleine Kinderseele nun mit Schmutzwörten verunreinigt ist.
Kindergarten: die reine Schimpfwort-Tauschbörse
"Na gut", beruhige ich mich, "es war ja nur das EINE EINZIGE Wort. Ab jetzt habe ich mich besser im Griff." Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Denn in der Kita (oder ganz einfach überall da, wo Kinder aufeinander treffen), werden sie fleißig ausgetauscht, diese EINZIGEN Wörter, die Mama oder Papa rausgerutscht sind, von großen Geschwistern ganz zu schweigen. Und schneller, als man sich auf die Zunge beißen kann, rennt der Meter auf zwei Beinen durch die Wohnung und brüllt "Kacka-Arschi-Pups-Pirat".
Wie sollten Eltern auf Schimpfwörter reagieren?
"Wenn Ihr Kind solche Worte nur beiläufig vor sich hin brabbelt, ignorieren Sie es am besten einfach", empfiehlt Erzieherin Delaram Gholizadeh, "sonst wecken Sie nur das Interesse an dem Gesagten – und bringen Ihr Kind erst darauf, dass diese Wörter spannend sein könnten." Erfolgt hingegen gar keine Reaktion, verlieren die Kleinen im besten Fall das Interesse an den neu erlernten Vokabeln. Vor einer Sache warnt die Erzieherin besonders: "So unfreiwillig komisch ein schimpfender Dreijähriger auch sein kann: Verkneifen Sie sich jedes Lachen oder Kichern – denn damit feuern Sie die kleinen Flucher erst recht an!"
Auch Worte können wehtun
Wie bei jedem anderen Wort muss euer Kind auch von Schimpfwörtern erst einmal die Bedeutung lernen. Doch anders als "Auto" oder "Ball" wird es "Blödi" und "Arsch" in keinem Bilderbuch finden. "Erklären Sie Ihrem Kind ruhig und in einfachen Worten, was es da überhaupt sagt", empfiehlt Delaram Gholizadeh, "und dass es andere damit sehr verletzen und traurig machen kann."
Was Eltern konkret tun können
"Setzen Sie Grenzen", rät Delaram Gholizadeh, "und sagen Sie Ihrem Kind: 'Ich möchte nicht, dass du dieses Wort sagst.' Ein klares Schimpf-Verbot ist in solchen Fällen leichter zu verstehen als lange Erklärungen." Dennoch empfiehlt die Erzieherin, bei älteren Kids in einer ruhigen Minute nach den Gründen für die Schimpfereien zu fragen, ihnen zu erklären, was sie damit verursachen und gemeinsam einen besseren Weg zu finden.
Eine bewährte Methode ist zum Beispiel die Festlegung von "Ersatz-Schimpfworten". Denn natürlich dürfen auch Kinder einmal wütend aufeinander sein und brauchen ein Ventil für ihren Zorn. Doch wer statt "Du fette Sau!" oder "Du Arschloch!" ein harmloses "Knalltüte" oder "Honigkuchenpferd" ruft, verursacht weniger Tränen bei den Kleinen und weniger Peinlichkeit bei den Eltern.
Doch wie in allen Erziehungsfragen gilt natürlich auch beim Schimpfen: Die Eltern müssen erst einmal vormachen, was sie von ihren Kindern verlangen. Deshalb habe ich mir nach dem Sturz in die Badewanne mein ganz eigenes Ersatz-Schimpfwort angewöhnt: "Scheibenkleister" klingt eh viel schöner als "Scheiße". Erst recht, wenn Tom durch die Wohnung rennt und es lachend nachbrabbelt.
Unsere Expertin
Delaram Gholizadeh, Erzieherin bei der Kita des Stapellauf e. V.