Falsche Botschaft

"Ben, was war das denn für ein Mädchenschuss!" Was an diesem Elternsatz falsch ist

Unsere Autorin wundert sich über Zwischenrufe vom Spielfeldrand. Vor allem, wenn man sieht, von welchen Eltern die kommen ... Sind wir nicht schon weiter, als immer noch von "Mädchenschüssen" zu sprechen?

Eine Junge schießt einen Fußball© iStock/Tempura
Wenn Jungs Fußball spielen, ist das für so manche Eltern wohl immer noch etwas völlig anderes, als wenn Mädchen das tun ... 

Was ist eigentlich ein Mädchenschuss? Und was ein Jungenschuss? Wenn selbst einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer, Manuel Neuer, findet, dass es nicht mal mehr Frauenfußball heißen müsste, sondern einfach nur Fußball. Schließlich wäre ja auch nie explizit von Männerfußball die Rede. Diese klugen Worte las ich kürzlich in einem Interview mit dem Torwart in einer deutschen Frauenzeitschrift. Ja, wenn selbst der das findet, warum müssen dann kleine Kinder mit Spielfeldgebrüll klarkommen, in dem immer noch zwischen Mädchen- und Jungenschüssen unterschieden wird ...?

 

Aber auf Anfang:

Es war ein frühsommerlicher Fußballsonntag. Ich am Spielfeldrand dabei, um meinen Sechsjährigen zum Fußballturnier zu begleiten. Mit dabei zum Anfeuern: seine beiden kleinen Brüder (4). "Mama, ich muss mal", hieß es dann von einem meiner Zwillingsjungs. Wir marschierten also am Spielfeldrand entlang, um die nächste Toilette aufzusuchen – und konnten es gar nicht überhören. Schließlich wurde lauthals und voller Inbrunst von einer Mutter am Spielfeldrand gerufen: "Ben, loooooohoooos, ran da!" Nur leider spielte Ben wohl nicht energisch genug, zumindest für die Ansprüche seiner fußballbegeisterten Mama. "Ohhhhh, was war das denn für ein Mädchenschuss, Ben!" rief die keine Sekunde später – nicht weniger laut.

Weghören oder kommentieren?

Könnte man jetzt einfach drüber hinweghören. Aber kann man auch kommentieren. Zumindest für die eigenen Kinder. Schließlich will ich denen nicht vermitteln, dass wir zwischen Jungen- und Mädchenschüssen differenzieren müssen. Schließlich gibt es bei uns auch kein explizites Jungen- und Mädchenspielzeug oder Jungen- und Mädchenfarben. Einer meiner Jungs liebt Rosa – und Bagger. Viel schlimmer als das Differenzieren finde ich aber noch das Konnotieren. Denn ganz eindeutig wollte die Mutter damit ja ihrem schätzungsweise fünf- vielleicht sechsjährigen Sohn vermitteln: Schieß mal doller, schneller, härter – besser! Ergo: Ein Mädchenschuss ist per se lascher und einfach nicht so gut und kraftvoll. Genau das wollte ich aber zumindest für meine Kids einsortieren: "Hey, Mädchen können doch auch super schießen!" entgegnete ich also. So, dass es immerhin meine zwei Jungs hörten. Denn auch wenn die sich zwar recht unbeeindruckt von meinem feministischen Einsatz zeigten und scheinbar die Message überhaupt nicht in ihrer Dimension begriffen haben, wissen wir doch am Ende, wie kraftvoll Worte sein können. Auch schon bei den ganz Kleinen. 

Die Botschaft sitzt, wenn auch nicht böse gemeint

Ein bisschen werde ich die ambitionierte Mutter an dieser Stelle trotzdem in Schutz nehmen. Denn mir ist schon klar: Sie wollte ihr Kind einfach nur leidenschaftlich anfeuern. Und auch ein bisschen lustig dabei sein. Auf derbe Art und Weise. Und sie hat es sicher nicht böse gemeint, aber in dem Moment wahrscheinlich "nullkommanull" nachgedacht. Denn auf dem Fußballplatz spielte nicht nur das ein oder andere Mädchen, auf ihrem Schoß saß auch eines. Ich vermute, die Kleine war ihre Tochter. Und die wird solche Botschaften also auch von klein auf mitbekommen. Ob sich die kleine Schwester so stark wie ihr großer Bruder fühlt? Ich hoffe doch.