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Erinnern wir uns doch einmal selbst an unsere Kindheit und Jugend: Irgendwann fing es an, dass uns bestimmte Dinge peinlich wurden oder dass wir ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr vor anderen nackt herumlaufen wollten. Eine völlig normale und gesunde Entwicklung. Und die gilt es zu unterstützen und zu respektieren.
Schamgefühl schon bei Babys
Wir haben mit der Familientherapeutin Elisabeth Raffauf aus Köln gesprochen, die uns verrät, dass in gewisser Hinsicht schon Babys eine Art von Schamgefühl entwickeln ...
Liebe Frau Raffauf, wann entwickeln Kinder ein Schamgefühl?
Säuglingsforscher gehen davon aus, dass Scham von Anfang an zum Menschen dazu gehört. Die 'Achtmonats-Angst' von Säuglingen, das 'Fremdeln' gilt als eines der ersten deutlichen Anzeichen von Scham. Das Baby unterbricht 'beschämt' den Blickkontakt zu der fremden Person und wendet sich ab. Manche Forschende vermuten, dass dahinter die Angst steht, die Mutter zu verlieren.
Forscherinnen finden auch deutliche Anzeichen von Schamgefühlen bei Kindern zwischen drei und fünf Jahren. Und im Alter von sieben Jahren verfügen dann alle Kinder über ein Schamgefühl.
Wofür schämen sich Kinder in welchem Alter?
Das ist verschieden, je nach Kultur, Familie, Erfahrung. Klar ist: Scham ist auf der ganzen Welt an den gleichen Merkmalen zu erkennen: Menschen brechen den Blickkontakt ab, sie senken die Augen, laufen rot an, sie schlagen die Hände vor das Gesicht. Sie wenden sich ab.
Gibt es also so etwas wie ein generelles Schamgefühl? Wie kann sich das äußern?
Scham ist universell. Auch bei Naturvölkern, deren Mitglieder nackt herumlaufen, gibt es feste Regeln: Eine Bemalung, ein Schmuckstück, eine Maske können symbolische Kleidung sein.
Im alten Griechenland traten die Olympiakämpfer nackt zu den Spielen an. Allerdings nur vor Männern. Frauen waren im Stadion nicht zugelassen. Wir kennen ja selbst auch Schamgefühle, wenn wir uns scheinbar 'locker' in die Sauna begeben und plötzlich spüren, dass jemand besonders lange auf unsere Brust oder unsere Genitalien schaut.
Warum empfinden Kinder Scham und wie gehen Eltern am besten damit um?
Scham bedeutet auch Schutz. Kinder und Jugendliche, die sich schämen, sich anderen gegenüber nackt zu zeigen, wollen sich schützen. Nicht alle haben dieses Bedürfnis, aber wenn sie es haben, sollten Erwachsene es respektieren. Ein Beispiel: Wenn Kinder oder Jugendliche sich in der Familie nicht mehr nackt zeigen möchten, allein im Bad sein möchten, nicht nackt am Strand herumlaufen möchten, sollten Eltern das unbedingt respektieren.
Schamgefühle sind wichtig
Warum ist Scham oft negativ behaftet?
Es klingt so unlocker und so konservativ. Scheinbar ist heute alles so offen. Aber natürlich ist es das nicht wirklich. Scham ist wichtig!
Also kann Schamempfinden auch positiv gedeutet werden?
Ja, unbedingt. Sich zu schützen und nicht einfach nackt auf die Straße zu gehen und nicht mit jedem über seine ganz persönlichen intimen Gedanken zu reden ist wichtig. Ich mache mich ja sonst verletzlich und angreifbar und liefere mich aus. Es ist wichtig, auch sagen zu können: Dieser Bereich gehört nur mir allein. Ich bestimme darüber.
Die Scham dient auch der Abgrenzung. Dem Jungen zum Beispiel bei der notwendigen Abgrenzung von der Mutter. Forscherinnen fanden übrigens heraus, dass Jungen sich mehr vor Mädchen und Frauen schämen, als Mädchen das tun. Und zwar genau deshalb, weil sie sich abgrenzen müssen.
Warum Eltern die Schamgefühle ihrer Kinder unbedingt respektieren sollten
Übertragen Eltern ihre eigene Scham oft unbewusst auf ihre Kinder?
Ja natürlich. Das passiert. Kinder nehmen es auch nonverbal wahr, wie Erwachsene bzw. Eltern sich selbst verhalten. Laufen sie selbstverständlich nackt in der Wohnung herum? Sprechen sie über Körper, Gefühle und Sexualität? Zu viel oder gar nicht? All das kommt beim Kind an und prägt es.
Was sollten Eltern also im Hinblick auf das Schamgefühl bei ihren Kindern besonders beachten?
Es ist sehr wichtig, dass Eltern die Schamgefühle der Kinder respektieren. Und darüber hinaus, dass sie die Schamgefühle der Kinder nicht auslösen: Eltern, die zum Beispiel mit Ekel auf die Ausscheidungen ihrer Kinder reagieren, erzeugen einen frühen Ekel und Schamgefühle, die sich auf die gesamte eigene, untere Körperregion beziehen. Auch in anderen, nicht sexuellen Bereichen ist es wichtig, dass wir unsere Kinder nicht beschämen, indem wir etwa etwas sehr Persönliches über sie im großen Familienkreis oder unter Freunden erzählen. Wir verspielen Vertrauen und: Solche Gefühle haben dann Wirkungen bis ins hohe Alter.
Unser Buch-Tipp
Ihr wollt mehr über den Zusammenhang zwischen Schamgefühl und dem Risiko sexuellen Missbrauchs erfahren? Dann schnappt euch das Buch "So schützen Sie Kinder vor sexuellem Missbrauch" von Elisabeth Raffauf. Sie betont, dass es nicht darum geht, Angst zu machen, sondern probate Mittel aufzuzeigen, mit denen wir unsere Kinder schützen können – vor allem durch eine gute Sexualaufklärung.