Gut oder Schlecht?

Die "Ja-Schublade" für Kinder: Was sie bringt und was nicht

Welches Kind liebt nicht Süßigkeiten und Snacks? Doch der Umgang damit erfordert ein Gleichgewicht zwischen Genuss und Vernunft. Viele Eltern setzen auf die Kraft der sogenannten "Ja-Schublade".

Zwei kleine Kinder schauen nach Süßigkeiten in der Ja-Schublade.© iStock/StefaNikolic
Als Kind selbst Ausschau nach Süßigkeiten halten: Die Ja-Schublade macht's möglich.

Snacks und Süßigkeiten sind für die meisten Kinder DAS Highlight eines Tages. Auch das Gefühl einer kleinen Belohnung machen diese Naschereien besonders verlockend. Viele Eltern folgen derzeit dem Trend der sogenannten "Ja-Schublade" und richten ihren Minis in der Küche einen Platz her, den sie selbst gut erreichen können – und aus dem sie sich eigenständig mit Snacks versorgen dürfen. Jederzeit. Doch ist das nicht zu viel des Guten? Sollten Kinder wirklich in der Lage sein, ihren eigenen Konsum von Süßigkeiten oder anderen Snacks zu bestimmen? Diese Fragen sind nicht nur für Eltern, sondern auch für Ernährungsexperten und Pädagogen von Bedeutung. Wir haben bei einer Kinderernährungsexpertin nachgefragt …

Die Ja-Schublade im Überblick

  • Sie soll die Selbstregulation und Eigenverantwortung der Kinder fördern.
  • Gute Kombination aus Kontrolle (der Eltern) und Selbstbestimmung (der Kinder). 
  • Entscheidung für oder gegen eine Ja-Schublade hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Alter des Kindes, seiner Reife, der elterlichen Werte und der allgemeinen Erziehung.
  • Eltern können gemeinsam mit ihren Kindern Richtlinien für den Süßigkeitenkonsum festlegen.
  • Am besten nicht nur Süßigkeiten, sondern auch gesunde Snacks oder Selbstgemachtes in die Schublade legen.
  • Eltern sind Vorbilder – auch bei der Ernährung.

Über die Bedeutung von Grenzen im Konsum

Kinder brauchen Grenzen, oder etwa nicht? Na ja, immerhin sind sie in ihrer Entwicklung darauf angewiesen, Grenzen kennenzulernen und zu erfahren, was gut für sie ist. Der Umgang mit Süßigkeiten stellt hierfür einen praktischen Anwendungsfall dar. Schließlich ist es eine wichtige Lektion fürs gesamte Leben, zu lernen, Maß zu halten und den eigenen Konsum zu kontrollieren. Eltern sollten dabei eines nicht vergessen: Der übermäßige Konsum von Süßigkeiten kann zu gesundheitlichen Problemen wie Karies, Übergewicht und Diabetes führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Kinder frühzeitig ein Bewusstsein für eine ausgewogene Ernährung entwickeln. Kann da eine Ja-Schublade helfen?

Die "Ja-Schublade" – das steckt dahinter

Eine Möglichkeit, Kindern mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen, ohne die Kontrolle vollständig abzugeben, ist die Einführung einer "Ja-Schublade". In dieser Schublade befinden sich Süßigkeiten, die die Kinder selbstständig konsumieren dürfen. Jederzeit oder in einem vorher festgelegten Rahmen. Das bestimmen die Eltern. Dieser Ansatz soll die Selbstregulation und Eigenverantwortung der Kinder fördern. Sie sollen dadurch lernen, ihre Impulse zu kontrollieren und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen gut zu haushalten.

Frei zugängliche Süßigkeiten für Kinder: Ist die Süßigkeiten-Schublade eine gute Idee?

Wir haben mit der Ernährungsexpertin für Kinder Karina Bergen gesprochen. Neben ihren Coaching-Angeboten informiert sie auf ihrem Instagram-Profil (karinabergen_gesundheitscoach) rund um das Thema Ernährung und gibt Eltern von Picky Eatern (wählerische Esser) wertvolle Tipps. 

"Die Frage, ob Kinder nun alleine ihren Süßigkeitenkonsum bestimmen sollten, zu beantworten,  und in welchem Rahmen, hängt von verschiedenen Faktoren ab", sagt die Expertin. "Dazu zählen das Alter des Kindes, seine Reife, die elterlichen Werte und die allgemeine Erziehung."

Eine individuelle Entscheidung

Karina Bergen ist der Meinung, dass es kein einheitliches "Richtig" oder "Falsch" gibt. "Die Bedürfnisse und Fähigkeiten jedes Kindes sind unterschiedlich." Immerhin werde nicht jeder auch gleich alkoholsüchtig oder spielsüchtig – einfach nur, weil der Zugang zu diesen Dingen besteht. "Trotzdem dürfen wir uns bewusst machen, dass sich auch Gefahren dahinter verbergen können", sagt die Expertin.

Es sei wichtig, dass Eltern in jungen Jahren die Verantwortung für die Ernährung ihrer Kinder übernehmen. "Kleine Kinder haben möglicherweise nicht die Fähigkeit, gesunde Entscheidungen zu treffen." Eltern hingegen können die Menge und Art der Süßigkeiten kontrollieren und sicherstellen, dass sie in Maßen genossen werden.

In manchen Fällen könne der Kinderernährungsexpertin zufolge eine Süßigkeiten-Schublade durchaus hilfreich sein. Diese kann dann zum Beispiel einmal pro Tag, alle zwei bis drei Tage oder einmal pro Woche aufgefüllt werden.

Kinder in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen

"Mit zunehmendem Alter ist es jedoch wichtig, Kinder in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, um ihre Selbstständigkeit und Verantwortung zu fördern", rät Bergen. Das heißt konkret? "Eltern können gemeinsam mit ihren Kindern Richtlinien für den Süßigkeitenkonsum festlegen und sie dabei unterstützen, bewusste Entscheidungen zu treffen." Je älter und reifer das Kind ist, desto mehr Freiraum könne ihnen auch in Bezug auf eine Süßigkeiten-Schublade gegeben werden.

Die Nachteile der "Ja-Schublade"

Die Expertin weist jedoch auch auf eine vorhandene negative Seite der Süßigkeiten-Schublade hin: "Es kann schnell passieren, dass Süßigkeiten durch diese Maßnahme auf ein Podest erhoben und zu etwas Besonderem deklariert werden. Euer Kind könnte sich vielleicht fragen, warum die Bananen, die Nüsse und die Rosinen nicht auch in der Schublade sind."

Für uns Eltern scheint die Antwort ganz klar zu sein. Für ein Kind jedoch, nicht unbedingt. "Und hier komme ich wieder zu dem Punkt, dass es eine sehr individuelle Entscheidung ist, die in Betrachtung des Gesamtkontextes getroffen werden sollte", so Karina Bergen.

Was sollte in die Snack-Schublade?

Packt am besten nicht nur Süßes hinein. Sondern lieber auch solche Snack, die eher unbedenklich sind. Das können etwa auch Obst oder Nüsse sein. "Ich möchte euch Eltern außerdem dazu ermutigen, mehr selbstgemachte Snacks mit euren Kindern herzustellen. Ob Eis, Riegel oder Energy-Balls. Es gibt so viele leckere und süße Leckereien, die in nur wenigen Minuten zubereitet werden können", empfiehlt die Ernährungsexpertin.

Nicht vergessen: Eltern sind die Vorbilder ihrer Kids

Eltern spielen eine wichtige Rolle dabei, ihren Kindern ein gesundes Verhältnis zu Süßigkeiten zu vermitteln. Sie agieren als Vorbilder in Sachen Ernährung. Durch ihr eigenes Verhalten können sie maßgeblich beeinflussen, wie ihr Nachwuchs zu Naschereien steht. Beachtet das am besten, wenn ihr euch Sorgen um den Süßigkeiten-Konsum eurer Kinder machen sollten.

Fazit: Ja-Schublade – gut oder schlecht?

Sollten unsere Kinder ihren Süßigkeiten-Konsum nun wirklich selbst bestimmen können? Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich ihres Alters, ihrer Reife und der erzieherischen Richtlinien der Eltern. Unserer Meinung nach geht es auch darum, eine Balance zu finden. Und zwar zwischen der Freiheit, die Kinder brauchen, um zu lernen und zu wachsen, und der Führung, die sie benötigen, um gesunde Gewohnheiten zu entwickeln. Zu strenge Verbote können zu einem gestörten Verhältnis zu Essen führen – oder aber auch den Reiz des Verbotenen erhöhen. Auf der anderen Seite kann zu viel Freiheit aber auch dazu führen, dass die Kleinen nicht lernen, mit Versuchungen umzugehen. Ein Mittelweg scheint also der Weg der Wege zu sein. Ein gewisses Maß an Selbstbestimmung, gepaart mit einem sicheren und strukturierten Umfeld. Eine "Ja-Schublade" kann dabei helfen, Kindern nahezubringen, wie sie ihre eigenen Entscheidungen treffen und gleichzeitig gesunde Grenzen respektieren können.