
Auch, wenn wir es gerne anders hätten: Wir wissen viel, aber eben leider (noch) nicht alles. Und auch auf die Frage, wie Intelligenz genau definiert wird, hat die Wissenschaft bisher enttäuschenderweise noch keine fixe Antwort gefunden. Populärwissenschaftliche Studien gingen bisher davon aus, dass die Mutter verantwortlich für die Intelligenz ihres Kindes ist. Doch eine detaillierte Studie der University of Minnesota liefert dahingehend interessante und vor allem ANDERE Erkenntnisse.
Die Intelligenz des Kindes: Allein Sache der Mutter(gene)?
Die Psychologin Jennifer Delgado Suárez gibt auf ihrem Blog "Psychology Spot" Einblick in die Thematik. Sie erklärt, dass die "konditionierten Gene" für unsere Intelligenz verantwortlich sind. Diese Gene können zwar von Mann UND Frau weitergegeben werden, doch das Intelligenz-Gen lässt sich nur über das X-Chromosom vererben. Ähm, und davon haben Frauen einfach mehr (genau eines mehr) als Männer. Demnach sei die Chance, dass das Kind die Intelligenz von seiner Mutter vererbt bekommen hat, doppelt so hoch. Eine weitere These besagt, dass mit Intelligenz verbundene Gene allein im X-Chromosom nachweisbar seien.
Ein Team aus chinesischen Forschern nahm bereits 2014 an, dass sich die Gene, die mit Intelligenz verbunden werden, besonders auf dem X-Chromosom anhäufen. Warum? Weil auf eben diesem X-Chromosom auch extrem viele Gene liegen, die bei geistiger Behinderung nachweisbar sind (in entsprechenden Varianten). Sie fanden außerdem heraus, dass auf dem X-Chromosom rund 16 Prozent der IQ-beeinflussenden Gene zu finden sind, trotz dessen, dass es nur 3,4 Prozent der menschlichen Gene enthalte.
Ja, lange Zeit dachte man tatsächlich, dass es nur die Mutter ist, die ihre "schlauen Zellen" ans Kind weitergibt. Doch eine US-Studie kam da auf eine andere Fährte …
Zur Erinnerung: Das "XY/XX-System"
- Menschen besitzen 46 Chromosomen
- Davon sind nur "X" und "Y" Geschlechts-Chromosomen
- Biologisch weibliche Menschen haben zwei X-Chromosomen (XX)
- Biologisch als Mann geborene haben nur ein X-Chromosom – und dafür aber noch ein Y-Chromosom (XY)
- Normalerweise vererbt die Mutter dem Kind ein X-Chromosom
- Der Vater gibt durch seine Spermienzelle entweder ein "X" an seine weiter oder ein "Y" an seinen Sohn
Studie beweist: Eine Generalisierung ist nicht möglich!
Woher haben Kinder ihre Intelligenz? Allein von Mama? Nein! Die Studie der University of Minnesota (2018) kam zu einer anderen Antwort. Das Team rund um James J. Lee führte eine Genomanalyse von mehr als einer Million Probanden durch. Dabei entdeckten die Forscher 1.271 genetische Variationen, die Einfluss auf die Faktoren "Intelligenz" und "Bildungserfolg" nehmen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es gibt sie nicht, die einzige Genvariante, die allein für die Intelligenz zuständig ist. Diese 1.271 analysierten Genvarianten würden laut der Studie lediglich einen jeweils sehr niedrigen Einfluss auf den menschlichen IQ nehmen. Die Wissenschaftler konnten nicht feststellen, dass die Genvarianten nun in erster Linie von Mama oder Papa vererbt werden.
Nicht nur die Gene spielen eine Rolle
Doch nicht nur die Chromosomen sind entscheidend, sondern auch die Beziehung der (biologischen) Mutter zu ihrem Kind. Das fanden Wissenschaftler der University of Minnesota ebenfalls heraus. Ihren Erhebungen zufolge konnten zweijährige Kleinkinder, die eine besonders starke Bindung zu ihrer Mutter hatten, komplexe Aufgaben leichter lösen. Ganz im Gegensatz zu anderen Gleichaltrigen, die nicht so viel Zuneigung von ihrer Mama bekamen.
Experten schätzen außerdem, dass sowieso nur 40 bis 60 Prozent der Intelligenz vererbbar sind. Neben der Mama-Kind-Beziehung spielen wohl auch die Umgebung sowie die Erziehung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Intelligenz. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass genetische Einflüsse und die Einflüsse der Umgebung in einem engen Zusammenhang stehen. Ergibt ja auch Sinn: Um Know-how zu erlangen, reicht Talent allein eben nicht aus. Man benötigt eben auch ein entsprechend anregendes Umfeld. Und auf diesen können beide Elternteile gleichermaßen Einfluss nehmen. Ein guter Kompromiss, oder?