Eltern, aufgepasst!

"Ich hasse meinen Körper!" Was eine Therapeutin machte, als ihre Tochter das sagte

Eine Therapeutin mit Schwerpunkt Essstörung verrät, was sie zu ihrer Tochter sagte, damit sie ein gutes Körpergefühl entwickelt. Warum sie das so gut einschätzen kann? Sie litt früher selbst an einer Essstörung.

Kyla Fox ist Mutter von zwei Töchtern und lebt und arbeitet in Toronto, Kanada. Seit ihrer Jugend litt sie selbst jahrelang unter einer schweren Essstörung und fand damals nicht die Therapeuten, die sie sich gewünscht hätte. Als es ihr später besser ging, beschloss sie, selbst zu der Therapeutin zu werden, die sie sich früher gewünscht hätte. Sie machte sich selbstständig und begleitet, berät und hilft heute über ihre virtuelle Klinik, "The Kyla Fox Centre" jeden Tag zahlreiche/n Menschen. Was sie auszeichnet, ist eine unkonventionelle, sehr praktisch orientierte Herangehensweise.

"Ich hasse meinen Körper"

In einem Artikel, den sie für das kanadische Magazin "Today's Parent" schrieb, berichtet Kyla Fox von einer Situation mit ihrer Tochter: "Als meine ältere Tochter sechs Jahre alt war (jetzt ist sie acht), kam sie eines Tages nach Hause und sagte, sie würde ihren Körper hassen, die Haare an ihren Armen und Beinen. Die sollten weg." Kyla erklärt, dass ihr Mann tatsächlich recht behaart sei und dieses Gen offenbar auf ihre beiden Töchter übergegangen sei – sie hätten mehr Haare am Körper als andere Kinder im selben Alter. 

War alles umsonst?

Als sie diese Worte aus dem Mund ihrer Tochter hörte, erstarrte Kyla. Es war, als wäre alles, wofür sie jemals gearbeitet hatte, für nichts gewesen. 20 Jahre lang hatte sie Menschen geholfen, eine sichere und gesunde Beziehung zu ihrem eigenen Körper und zum Essen aufzubauen und dann das. Plötzlich wusste sie nicht mehr, was sie sagen und wie sie sich verhalten sollte. In Gedanken durchlief sie eine Reihe unterschiedlicher Szenarien.

Was wäre nun die beste Reaktion?

Sie dachte an ihre eigenen Eltern, wie sie früher mit den Dingen umgegangen waren und daran, wie andere Eltern in dieser Situation reagieren würden. Als Erstes tauchte das "Mama-Bär-Szenario" vor ihrem geistigen Auge auf. "Hat jemand was zu dir gesagt? Wer war das? Sag mir den Namen und ich werde es ihnen zeigen!" Nein, das wäre kein angemessenes Verhalten. 

Noch mehr unpassende Reaktionen

Nächstes Szenario: Die überbehütende Mutter, die dafür sorgen will, dass alles gut ist, dass es keine Probleme gibt: "Du bist nicht behaart, das stimmt einfach nicht. Mach dir nichts draus, was andere sagen, die sind wahrscheinlich nur neidisch, weil du so schlau und humorvoll bist und alle dich so gerne mögen." Nein, das war es auch nicht. 

Einige Eltern würden vielleicht sagen: "Dann hast du halt mehr Haare als andere. Macht doch nichts. Wenn du größer bist, wird das total egal sein. Denk nicht weiter darüber nach." Andere würden das Gesagte vielleicht einfach ignorieren und so tun, als hätten sie es nicht gehört. Wieder andere würden sofort eine Lösung finden wollen. "Später kannst du das rasieren oder waxen, aber jetzt noch nicht. Bis dahin trägst du einfach lange Oberteile und Hosen." Auch nicht wirklich die richtige Antwort aus Kylas Sicht. 

Interesse an den Gefühlen unserer Kinder zeigen

Als Eltern sollten wir Ruhe bewahren und echtes Interesse an ihren zeigen, so Kyla. Wir möchten mehr über unsere Kinder und ihre Gefühle erfahren. Also fokussierte sie sich und fragte: "Wie fühlst DU dich denn in Bezug auf die Haare an deinem Körper? Das ist ja das erste Mal, dass du etwas darüber zu mir sagst. Hat dich das schon länger beschäftigt?"

Im folgenden Gespräch habe Kyla viel von ihrer Tochter gelernt. Ihre Tochter sagte, sie fühle sich anders als andere Kinder und frage sich, was (wenn überhaupt etwas) an ihr nicht stimmte. Warum hatte sie etwas, was andere nicht hatten? Gute und gar nicht so leicht zu beantwortende Fragen. Kyla beschreibt in ihrem Artikel weiter, dass ihre Tochter geweint habe und so sehr die Unterstützung, Liebe und ehrlichen Antworten von ihrer Mutter gebraucht habe. Kinder brauchen in solchen Momenten Begleitung und jemanden, der einfach da ist und die aufgewühlten Gefühle begleitet. Was sie nicht bräuchten, sei jemand, der versucht, die Sache "wegzumachen", sie als unwichtig abzutun oder sie ins Lächerliche zu ziehen. Das einzige, was Kylas Tochter in diesem Moment brauchte, war, dass es nur um sie und ihre Gefühle ging. Und als Kyla genau das ermöglichte, entwickelte sich ein Gespräch darüber, wie unterschiedlich Körper sind, wie einzigartig und wie besonders jeder einzelne von ihnen ist. "Es ist okay, dass du dich so fühlst", sagte Kyla außerdem zu ihrer Tochter. Und versprach ihr, dass sie einfach weiterhin darüber sprechen würden und mit der Zeit gemeinsam einen gut durchdachten Plan entwickeln würden, was zu tun sei (wenn überhaupt etwas). 

Kinder nicht unterschätzen

"Manchmal vergessen wir als Eltern, wie viel unsere Kinder wissen, fühlen und verstehen", stellt Kyla fest. Auch wenn sie kognitiv noch nicht dieselben Fähigkeiten entwickelt haben, wie wir sie als Erwachsene haben, können sie sich – ihrem Alter angemessen – doch oft schon erstaunlich gut mitteilen. "Es ist unsere Aufgabe als Eltern, unseren Kindern Raum zu geben und sie dort abzuholen, wo sie sich in ihrer Entwicklung befinden", so Kyla. "Wenn wir zuhören, lernen wollen, uns ihnen liebevoll und offen zuwenden und ihnen Sicherheit geben, können wir ihnen helfen zu lernen, sich selbst zu helfen."