Kinderarzt wechseln – ein Ding der Unmöglichkeit

"Tut mir leid, wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf"

Eigentlich herrscht freie Arztwahl. Doch den Kinderarzt zu wechseln, wenn man mit dessen Arbeit unzufrieden ist, gestaltet sich mehr als schwierig. Unsere Autorin spricht aus eigener Erfahrung …

Mutter mit ihrer kranken Tochter am Empfang einer Kinderarztpraxis© istock/Courtney Hale
"Sorry, wir sind schon voll!" Das kriegen viele Eltern zu hören, wenn sie den Kinderarzt wechseln möchten.

Von immer mehr Muttis in meinem Umfeld und in der Redaktion höre ich, wie schwer es mittlerweile ist, einen Kinderarzt zu finden – und das schon bei Neugeborenen. Den Kinderarzt zu wechseln, falls man unzufrieden ist: fast unmöglich! Darüber sind sich auch viele Mütter im Netz einig – googelt man "Kinderarzt wechseln" tauchen zahlreiche Beiträge in Foren auf, in denen Eltern verzweifelt davon berichten, dass sie keine neue Praxis für ihre Kleinen finden.

Kinderarzt wechseln – so schwer kann das doch nicht sein?!

Auch ich habe diese Erfahrung gemacht: Eigentlich waren wir glücklich bei Dr. X (so nenne ich ihn aus Datenschutzgründen). Er nahm sich anfangs viel Zeit für unser Kind, die Arzthelferinnen waren nett und er gehörte zu den Ärzten, die nicht stumpf den Impfplan durchzogen, sondern ausführlich aufklärten, was wann Sinn macht. Alles Dinge, warum ich diesen Arzt für meine Tochter ausgesucht hatte.

Doch plötzlich änderte sich unsere Situation. Dr. X beschloss, mit einem Kollegen eine weitere (Privat-)Praxis zu eröffnen, in der er manuelle Therapien für Groß und Klein anbietet. An sich eine gute Sache, aber ab diesem Zeitpunkt drehte sich in den Arztgesprächen alles nur noch um dieses Thema und nicht mehr um die Beschwerden unserer Tochter, mit denen wir eigentlich zu ihm kamen. Wir fühlten uns nicht mehr gut aufgehoben und wollten den Arzt wechseln. "So schwer kann das doch nicht sein." Falsch gedacht. Zehn bis 15 Anrufe später gab ich auf. Jedes Mal wurde mir gesagt, dass die Praxis schon voll sei und keine Neupatienten mehr aufnehme. Einzige Ausnahme seien Neugeborene und Familien, die umgezogen sind.

Habt ihr schon mal versucht, den Kinderarzt zu wechseln?

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Aufnahmestopp ist rechtmäßig

Doch wie kann das sein? Bei uns herrscht doch freie Arztwahl und Behandlungspflicht, oder etwa nicht? "Ja, schon. Vertragsärzte sind laut fünftem Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln, sobald sie eine Zulassung haben" erklärt Anja Lehmann von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Allerdings stünden im Bundesmantelvertrag auch Ausnahmen. "Demnach darf ein Arzt in begründeten Fällen eine Behandlung ablehnen. Was diese begründeten Fälle sind, ist nicht genau geregelt – es gibt aber Gerichtsentscheidungen dazu: Wenn ein Arzt etwa überlastet ist, ist das ein begründeter Fall – dann kann er irgendwann keine Patienten mehr aufnehmen. Und das ist zurzeit leider fast überall so, nicht nur in Kinderarztpraxen." Beim Notfall dürfe er selbstverständlich nicht ablehnen, erklärt sie weiter. Das sei allerdings auch Auslegungssache und werde von Eltern auch mal anders interpretiert als vom Arzt.

"Das eigentliche Problem ist, dass eine wohnortnahe, vertragsärztliche Versorgung nicht ausreichend gegeben ist – es müssten mehr Kassenarztpraxen geschaffen werden", schlussfolgert Anja Lehmann. Dies sei Sache der Kassenärztlichen Vereinigungen und ein komplexes Problem, das leider nicht so schnell gelöst sein wird.

Kinderarzt wechseln ist nach einem Umzug leichter

Bei uns kam erst mit unserem Umzug in einen Vorort von Hamburg die Erlösung – dachte ich. Denn hier gab und gibt es immer noch nur drei Kinderärzte. Zwei waren praktisch nie erreichbar, bei der dritten bekamen wir einen Termin. Doch schnell stellte sich heraus: Wohlfühlen würden wir uns auch in dieser Praxis nicht.

Nach einem halben Jahr hatte ich jedoch Glück. Unsere Kinderärztin war im Urlaub und die zweite Kinderärztin im Ort war ihre Vertretung mit Notfallsprechstunde. Diese Ärztin mochten wir auf Anhieb – die Wellenlänge stimmte sofort. Obwohl auch sie, wie alle anderen in ihrem Beruf, überlastet ist, ist sie einfühlsam und nimmt sich Zeit für ihre kleinen Patienten. Spontan probierte ich damals mein Glück: "Können wir nicht einfach immer zu Ihnen kommen?" Tatsächlich stimmte sie zu und wir sind heute noch bei ihr.

"Übers Telefon wird man immer schnell abgewimmelt. Wenn das Kind etwas Akutes hat, einfach in der Praxis vorstellig werden – am besten bei Sprechstunden ohne Termin", rät auch die Expertin. Dann sei die Chance größer, dass man irgendwie reinrutsche. "Wenn Sie von selbst gar keinen Arzt finden, rufen Sie bei der Terminservicestelle der kassenärztlichen Vereinigungen an. Die helfen dabei, einen Kinderarzt zu suchen. Dabei haben Sie aber leider keinen Anspruch auf einen Wunscharzt."

Ernüchterndes Fazit für einen Kinderarztwechsel

Es ist sehr schwer, den Kinderarzt zu wechseln. Wenn ihr es aber für nötig haltet, habe ich folgende Tipps für euch …

  • Auf der Homepage eurer Krankenversicherung könnt ihr über eure Postleitzahl alle Kinderärzte in eurer Nähe finden, ebenso auf der Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung eures Bundeslandes.
  • Am Telefon werdet ihr in der Regel abgebügelt. Investiert lieber die Zeit und stellt euch persönlich in der Praxis vor.
  • Im besten Fall verknüpft ihr den Arztwechsel mit einer anstehenden Vorsorgeuntersuchung oder einer Impfung und vereinbart direkt einen Termin.
  • Wenn euer Kind krank ist, kann auch das ein Anlass sein, es bei einem neuen Kinderarzt zu versuchen. Vielleicht hat derjenige eine Notfallsprechstunde, bei der ihr spontan auftauchen könnt?
  • Werdet ihr einmalig zum/zur Arzt/Ärztin vorgelassen, sprecht DIREKT bei der-/demjenigen einen Wechsel an – denn er/sie entscheidet am Ende darüber, ob er/sie euch als regelmäßigen Patienten aufnimmt.
  • Nutzt den Terminservicedienste der kassenärztlichen Vereinigungen. Dort weiß man, welcher Arzt noch Kapazitäten hat. Entweder direkt anrufen (116117) oder über 116117.de/de/index.php Praxen suchen und einen Termin vereinbaren.

Das alles ist keine Garantie, aber einen Versuch wert. Und allen, die gerade auf Kinderarztsuche sind, wünsche ich viel Erfolg dabei und hoffe, ihr habt auch so eine kleine Glückssträhne wie ich damals.

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