Gefährlicher Beauty-Trend

"Sephora Kids": Was Eltern gegen den Beauty-Hype tun können

Videos von jungen Mädchen – den sogenannten "Sephora Kids" –, die ihr ganzes Taschengeld für teure Kosmetik ausgeben, erobern Tiktok und Instagram. Experten warnen vor den Folgen.

Junge Mädchen mit Gesichtsmaske im Spa.© iStock/lisegagne
"Sephora Kids" steht für einen Social-Media-Trend, der Hautärzte beunruhigt.

Routiniert trägt die Zehnjährige vor der Kamera eine teure Pflegecreme auf, gefolgt von einem leichten Tages-Make-up, ein bisschen Lipgloss. Diese sogenannten "Get Ready with Me"-Videos trenden schon lange bei Instagram und Tiktok. Neu ist jedoch, dass nun auch sehr junge Mädchen ihre Pflegeroutine filmen – und dabei zu den gleichen Produkten greifen wie Erwachsene.

Was sind "Sephora Kids"?

Das Phänomen hat bereits einen Namen: "Sephora Kids" werden die Mädchen genannt, die eigentlich noch Kinder sind und sich dennoch schon besser mit Feuchtigkeitscreme, Gesichtsmasken und Concealer auskennen als so manche erwachsene Frau. 

Ihren Namen tragen die "Sephora Kids", weil sie in den Filialen der berühmten Drogeriekette wegen der Produkte des Herstellers "Drunk Elephant", einer Marke für hochpreisige Hautpflegeprodukte, besonders gern einkaufen gehen. Die Filialen der Drogeriekette lassen sie nach ihren Shopping-Streifzügen oftmals regelrecht verwüstet zurück – inklusive verschütteten Produkten und völlig verschmierten Regalen. Immer mehr Filialmitarbeiter machten ihrem Ärger über diese Unordnung bei Social Media Luft – und machten somit die "Sephora Kids" bekannt. 

Schädliche Inhaltsstoffe für junge Haut

Die Mädchen geben oft ein kleines Vermögen für Beauty-Produkte aus. Dass sie dabei Chaos in den "Sephora"-Filialen stiften, ist noch das kleinste Übel. Viel problematischer ist, dass sie ihrer jungen Haut Schaden zufügen, indem sie Produkte verwenden, die sie noch gar nicht brauchen und die – schlimmer noch – Inhaltsstoffe enthalten, die nicht für Kinder geeignet sind. Zehnjährige, die ihr ganzes Taschengeld für Anti-Aging-Pflege ausgeben oder ihre makellose Kinderhaut mit 10-Schritte-Pflegeroutinen reinigen – der Trend nimmt teils völlig abstruse Züge an.

"Wir sehen mehr Hautausschläge und Reizungen bei jungen Tweens und Teenagern, die Produkte verwenden, für die sie in den sozialen Medien Werbung sehen",  sagt Dermatologin Anne Chapas gegenüber AFP.

So gefährlich sind Anti-Aging-Wirkstoffe für Kinder

Kinder, die noch nicht mal in der Pubertät sind, brauchen so gut wie keine kosmetischen Produkte. Sanfte Reinigungsmittel, bei Bedarf eine Feuchtigkeitscreme und Sonnenschutzmittel seien die einzigen Produkte, die junge Mädchen bedenkenlos verwenden können, sagt die Dermatologin Dr. Mamima Turegano gegenüber "Buzzfeed". Bedenklich sind jedoch vor allem säurehaltige Produkte, einschließlich Glykolsäure und Milchsäure. Außerdem empfiehlt sie, Retinole, Vitamin C und Peelings in jungen Jahren zu meiden. Besonders der Anti-Aging-Wirkstoff Retinol hat auf Kinderhaut nichts verloren, da er die Haut lichtempfindlicher macht. 

Der US-Dermatologe Danilo Del Campo erklärt gegenüber AFP: "Junge Haut ist empfindlicher gegenüber Reizungen. Diese Produkte können die natürliche Barriere der Haut schwächen. Ein früher Kontakt mit einer Vielzahl von Chemikalien, die in diesen Kosmetika enthalten sind, kann allergische Reaktionen oder Dermatitis hervorrufen."

Schönheitsdruck auf Mädchen steigt

Doch nicht nur die schädlichen Inhaltsstoffe sind problematisch. Nicht abzusehen ist, was dieser Beauty-Hype mit Kinderseelen anstellt. "Sie denken, sie müssten Schönheitsfehler korrigieren, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt", weiß der Hautarzt. Gerade in diesen sensiblen Entwicklungsjahren ist es verheerend, wenn Kinder darauf konditioniert werden, vermeintliche Fehler zu suchen und zu korrigieren, die gar nicht vorhanden sind. Die Folge: Selbstbild und Selbstvertrauen nehmen Schaden.

Viele Kinder geben ihr ganzes Taschengeld für die kostspielige Kosmetik aus – und letztlich geht es gar nicht um die Wirkung, sondern nur darum, das gleiche Produkt zu besitzen wie die Freundinnen.

Viele Mütter ermutigen ihre jungen Töchter jedoch sogar zu diesen Beauty-Routinen – und dazu, die Videos davon online zu stellen. "Diese Videos können zu einer sehr stereotypen Darstellung von Mädchen und Frauen im Internet beitragen", warnt Solene Delecourt, Professorin an der University of California in Berkeley. "Das sind keine Frauen, sondern kleine Mädchen, und sie sind bereits diesem starken sozialen Druck ausgesetzt."

Der Psychoanalytiker Michael Stora geht sogar noch weiter: "Diese Mädchen spielen nicht mit Puppen, wie man es in ihrem Alter erwarten würde – sie sind die Puppen."

Was Eltern von "Sephora Kids" tun können

Die Warnungen scheinen bislang nicht allzu viel Gehör zu finden. Dank der "Sephora Kids" steigt inzwischen sogar der Umsatz einiger Beauty-Marken stark an, und bei Tiktok werden die Videos der jungen Beauty-Influencerinnen millionenfach aufgerufen und geteilt. 

Die Kinderpsychologinnen Lindsay Fleming und Stacy McCarthy raten Eltern, auf Aufklärung zu setzen, um ihre Kinder zu schützen: "Eltern können ihren Kindern dabei helfen, wertvolle Lebenskompetenzen rund um soziale Medien und Konsumverhalten zu erlernen. Diese Fähigkeiten werden ihnen das Selbstvertrauen geben, unabhängig zu denken."

Jennifer Seitz, Bildungsdirektorin bei "Greenlight" in Atlanta (USA) empfiehlt, Kindern beizubringen, mit Geld umzugehen. Wenn sie einen smarten Umgang mit Finanzen lernen, ist die Gefahr geringer, ihr gesamtes Taschengeld in überteuerte Kosmetik zu stecken. Die Expertin rät zu den folgenden vier Schritten:

  • Interessen stärken: Wenn Eltern ihren Kindern dabei helfen, auch Interessen jenseits von Beauty-Produkten zu finden, entwickeln sich oft neue Wünsche, für die sie sparen möchten.
  • Einen gesunden Mittelweg finden: Oftmals lässt sich ein Kompromiss eingehen, wenn Kindern lernen, zwischen Wünschen und Bedürfnissen zu trennen – wenn sie also selbst unterscheiden können, was sie gern haben möchten und was sie wirklich brauchen.
  • Feste Regeln einführen: Klare Richtlinien für Geldausgaben geben Kindern Orientierung.
  • Über Impulskäufe aufklären: Kinder entscheiden beim Einkaufen meist impulsiv und und aus dem Bauch heraus. Doch Käufe dieser Art sollten die Ausnahme statt die Regel sein – und dafür brauchen sie die Anleitung ihrer Eltern.