
Bei der heutigen Pressekonferenz von Stiftung Warentest erfuhren wir, wie überflüssig und teils sogar schädlich Nahrungsergänzungsmittel (NEMs) für Kinder sind. Natürlich meinen Eltern es gut und wollen laut Umfrage mit zusätzlich gegebenen Vitaminen vermutete Mängel ausgleichen oder Infekten vorbeugen. Unter anderem deshalb bekommen Hunderttausende Kinder in Deutschland täglich NEMs.
Stiftung Warentest beruhigt besorgte Eltern
Nicole Merbach (Ressortleiterin Ernährung & Gesundheit) und Dr. Holger Brackemann (Bereichsleiter Untersuchungen) von Stiftung Warentest wollen besorgte Eltern beruhigen: Ein wirklicher Vitamin- oder Mineralstoffmangel liegt bei Kindern nur äußerst selten vor. Entwickeln sie sich und wachsen sie normal, gäbe es keinen Anlass, eine Mangelversorgung zu vermuten. Sollte ein Kind dauerhaft müde und schlapp sein oder an Gewicht verlieren, sollte man dies jedoch vorsichtshalber vom Kinderarzt/von der Kinderärztin abklären lassen. Wird ein Mangel festgestellt, müsse dieser in genau abgestimmter, individueller Dosierung behoben werden.
Weiterer Tipp: Machen sich Eltern ohne konkrete Anzeichen über eine Unterversorgung Sorgen, können sie dies im Rahmen der regelmäßigen U-Untersuchungen in der Kinderarztpraxis ansprechen.
Nahrungsergänzungmittel mit Vitaminen für Kinder: Mindestens überflüssig, teils sogar riskant
Nahrungsergänzungsmittel gelten auf dem Markt als Lebensmittel und unterliegen daher keinen Dosierungsauflagen, es gibt keine Bestimmung zu Höchstgehalten und keine Zulassungsüberprüfung. Jeder Hersteller kann sich also eine Dosierung ausdenken. Dazu kommen fragwürdige Health Claims, also Wirkversprechen, und eine Packungsgestaltung, die Kinder und Eltern reizvoll erscheint und sie anspricht. Teils kommen die Präparate in Form von Bärchen oder anderen niedlichen Formen daher. Alles Gründe, warum diese Produkte derzeit boomen.
Die Stiftung Warentest richtet sich bei ihrer Bewertung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zur Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen. 15 der 18 untersuchten Produkte überschreiten die für Kinder empfohlene tägliche Menge mindestens eines Vitamins. Gerade bei fettlöslichen Vitaminen können sich die Stoffe dann im Körper anreichern und ggf. Schaden anrichten, so die Experten. Die meisten Produkte sind gesüßt und enthalten entweder Zucker oder Süßungsmittel, viele von ihnen sind zusätzlich aromatisiert.
Das Problem vor allem bei Produkten in Bärchenform etc.: Kinder könnten diese NEMs mit Süßigkeiten verwechseln und dadurch zu viel davon essen.
Stiftung Warentest – die Testergebnisse der Kindervitamine
Insgesamt stellen die Tester bei 17 von 18 Produkten Mängel fest. Von den folgenden fünf Produkten raten die Tester besonders ab. Sie sind nicht nur überflüssig – wie übrigens alle Produkte im Test –, sondern enthalten zu viel Vitamin A bzw. in einem Fall Kupfer (Orthomol), das Kinder nicht zusätzlich einnehmen sollten.
- "Easyvit Easy Fishoil Multi"
- "Doppelherz System Omega-3 Family"
- "Centrum Kids Multi Vitamin Gummies"
- "Hübner Multivital Kids"
- "Orthomol Junior C Plus"
Tipps von Stiftung Warentest für Eltern
Nicole Merbach rät Eltern:
- Bleibt entspannt.
- Verzichtet auf belehrende Phrasen beim Essen.
- Achtet nicht vehement auf Gesundes und verbietet Süßigkeiten nicht pauschal.
- Bleibt geduldig und bietet gesunde Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse immer wieder an. Achtet dabei auf Vielfalt und Abwechslung.
- Das gilt auch für die Brotdose. Der Begriff "Pausenbrot" ist leider oft negativ besetzt. Sagt doch einfach "Sandwich" – viele Kinder essen es dann gleich lieber. Gebt den Kindern auch mal einen Wrap mit und Nüsse oder Trockenobst.
- Werdet kreativ: Ungeliebter Brokkoli lässt sich für eine Suppe gut pürieren und ist dann nicht mehr als solcher erkennbar. Statt herkömmlichen Nudeln werden aus mit einem Sparschäler zerkleinerter Zucchini coole Zoodles.
- Lasst die Kinder bei der Zubereitung helfen. Dann schmeckt es sofort besser.
Öko-Test: Bitte keine Nahrungsergänzungsmittel für Kinder
26. Januar 2024: Bereits vor mehr als einem Jahr gab Öko-Test ein vernichtendes Urteil für Mulitvitaminpräparate für Kinder ab: Kein einziges ist empfehlenswert. Und das war auch damals schon die wichtigste Botschaft des Tests.
Nahrungsergänzung bringt weniger als nichts
21 Multivitaminpräparate für Kinder haben die Öko-Tester für die Ausgabe 2/2024 unter die Lupe genommen. Empfehlenswert ist keines davon, ganze 17 fallen mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch. Die beste Gesamtnote im Test ist "ausreichend" – bei vier Produkten.
Laut Öko-Test bringen Vitaminpräparate Kindern schlicht gar nichts, schlimmer noch: Sie sind zum Teil sogar überdosiert, das heißt, die Menge an Vitaminen und Mineralstoffen liegt dann über der von Experten empfohlenen Menge.
Nichts spricht für Multivitaminpräparate für Kinder
Die Öko-Tester haben mit Sprechern der Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und Professor Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt sowie Spezialist für Ernährungsmedizin am Klinikum der Universität München, gesprochen. Von beiden Seiten hieß es, gesunde Kinder bräuchten eine gesunde Ernährung, aber keine Nahrungsergänzungsmittel.
Natürlich brauchen Kinder Vitamine und Mineralstoffe, aber die nehmen sie über eine gute Ernährung ausreichend auf und bräuchten auch in stressigen Phasen nichts extra. Dreiviertel der getesteten Produkte überschreiten sogar die Menge an bestimmten Mineralstoffen oder Vitaminen, die Kinder (über die Nahrung!) laut Empfehlung zu sich nehmen sollten. Zehn der Nahrungsergänzungprodukte lagen sogar über der Höchstgrenze.
Noch dazu enthalten diverse Produkte schädliche Süß- und mitunter giftige Zusatzstoffe, wie nierenbelastendes Phosphat oder darmschädigende Carboxymethylcellulose.
Unsinnige Claims und fragwürdige Auslobungen wurden im Test ebenfalls berücksichtigt und negativ bewertet.
Die Verlierer im Test
Zu den 15 Produkten, die mit "ungenügend" abschnitten, gehören unter anderem diese:
- "Orthomol Junior C Plus, Kautabletten"
- "Salus Kindervital mit Calcium + Vitamin D3, Tonikum"
- "Sanostol Multi- Vitamin Bärchen, Fruchtgummis"
Die vollständigen Testergebnisse könnt ihr euch bei Öko-Test direkt bestellen.
Nahrungsergänzungsmittel für Kinder?
Tipps von Öko-Test
- Gesunden Kindern helfen Multivitaminpräparate nicht. Durch eine ausgewogene, gesunde Ernährung bekommen Kinder alle Vitamine und Mineralstoffe, die sie brauchen.
- Nahrungsergänzungsmittel bitte immer nur nach Rücksprache mit dem Arzt und bei nachgewiesenem Mangel einnehmen.
- Keine Produkte wählen, die wie Gummibärchen aussehen. Wir wollen unseren Kindern schließlich nicht vermitteln, dass Gummibärchen gesund sind.