Künstliche Intelligenz – Segen oder Fluch?

KI: Was Alexa und Co. mit unseren Kindern machen

Künstliche Intelligenzen wie Alexa und Co. gehören zu unserem Alltag. Aber gehören sie auch zur Familie? Wie Kinder Sprachassistenten wahrnehmen – und was das für Eltern bedeutet.

Vielen Kindern fällt es schwer, zwischen Sprachassistenten und Menschen zu unterscheiden.© Getty Images/Marko Geber
Vielen Kindern fällt es schwer, zwischen Sprachassistenten und Menschen zu unterscheiden.

Kurz erklärt: "Mama, was ist Alexa?"

Alexa ist ein Sprachassistent. Das ist ein Computerprogramm, das menschliche Sprache erkennt und analysiert. Es antwortet mit einer Computerstimme. Sprachassistenten stecken heute in fast jedem Smartphone, in Smart-TVs, in vielen Computern oder neuen Autos – und in sogenannten Smart Speakern. Das sind Lautsprecher mit Mikrofonen, die mit dem Internet verbunden sind. Umgangssprachlich benutzen wir häufig den Namen für den Sprachassistenten (Alexa, Siri, Assistant) auch für den Smart Speaker (Echo, Homepod, Home).

"Fühlt sich Alexa eigentlich einsam in unserer Wohnung?" Annalena ist sechs Jahre alt, als sie diese Frage stellt. Das Mädchen macht sich Sorgen: Die Stimme aus dem Lautsprecher ist schließlich die einzige ihrer Art hier zu Hause – das muss doch doof sein für die arme Alexa.

Für Kinder ist Alexa "irgendwas zwischen Mensch und Objekt"

Annalena ist ein reales Beispiel aus unserem Redaktionsumfeld für eine Tatsache, die Studien längst belegt haben: Jüngere Kinder können bei einer "Robo-Persona" wie Alexa häufig nicht richtig unterscheiden, ob sie es mit einer Maschine oder mit einem Menschen zu tun haben. "Kinder sind voller Fantasie. Und die haucht auch einer künstlichen Intelligenz gern mal echtes Leben ein", weiß Sabine Machowski, Diplom-Psychologin und Coach für Mütter.

"Genau wie animierte Spielzeuge, die mit Bewegungen oder Sprache auf die Kinder reagieren, werden auch Sprachassistenten von kleinen Kindern häufig als etwas zwischen Objekt und Organismus wahrgenommen", sagt die zweifache Mutter. "Erst im Grundschulalter können Kinder wirklich abstrahieren, dass sie es nur mit einem sprechenden Gerät zu tun haben – und nicht mit einem Lebewesen."

Kinder bis etwa sieben Jahre nehmen Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder den Google Assistant daher nicht selten als ein erweitertes Familienmitglied wahr. "Für die Anbieter ist diese empathische Bindung zu ihrem Produkt natürlich super", sagt Rolf Kosakowski, Gründer und Inhaber der Familienmarketing-Firma KB&B. Denn man dürfe nicht vergessen, gibt der Kommunikationsexperte zu bedenken, dass hinter den Herstellern der sogenannten "Smart Speaker" Unternehmen stehen, die mit den freundlichen Stimmen in schicken Lautsprechern vor allem eines wollen: Geld verdienen.

Können Sprachassistenten schaden?

Wissenschaftler der britischen Cambridge Universität befassen sich mit der Frage, ob Kinder durch häufigen Kontakt mit Sprachassistenten in ihrer Entwicklung negativ beeinträchtigt werden. Tatsächlich kommen sie in ihrer Studie (2022) zu dem Ergebnis, dass sie sich negativ auf Empathie, Sprachentwicklung und kritisches Denken auswirken können. 

Die wichtigsten fünf Gründe zusammengefasst:

  1. Nachahmung: Kinder imitieren monotone Stimmen und sprachliche Fehler. 
  2. Befehlston: Das Erteilen von Befehlen stellt soziale Umgangsformen zurück.
  3. Unterkomplexität: Anfragen an Alexa und Co. müssen simpel gehalten werden, wodurch das Erlernen von komplexen Fragestellungen nicht unterstützt wird. 
  4. Einseitige Kommunikation: Um Kommunikationskompetenzen auszubilden, brauchen Kinder Feedback.
  5. Fehlende Informationssuche: Das Herausbilden von kritischem Denkvermögen und die Fähigkeit von logischen Schlussfolgerungen wird nicht gefördert.

Sollte man Alexa für Kinder begrenzen?

Doch das darf laut dem zweifachen Vater kein Grund sein, Kindern die Nutzung zu untersagen: "Es wächst gerade eine Generation auf, für die es vollkommen natürlich ist, mit technischen Geräten zu sprechen", erklärt Kosakowski. Die Spracheingabe sei für sie analog zu unserem erlernten Umgang mit Maus und Tastatur – also keine Besonderheit oder Trenderscheinung, die man vermeiden oder gar verbieten könne. Im Gegenteil, so der Experte: "Geräte durch Sprache zu steuern ist für Kinder heute schon so selbstverständlich wie das Internet an sich. Sie werden nie wieder damit aufhören."

Statt also die Kinder von Alexa, Siri und Co. fernzuhalten, sollten Eltern vor allem eines tun: sich mit den Medien, die ihre Kinder nutzen, auseinandersetzen. "Medienkompetenz fängt bei den Eltern an", sagt Rolf Kosakowski. Genau wie es unerlässlich ist, älteren Kindern den richtigen Umgang mit dem ersten eigenen Smartphone oder wichtige Regeln für die Sozialen Netzwerke zu erklären, so sollten Eltern ihre Kinder schon früh über den richtigen Umgang mit Sprachassistenten aufklären, rät der Experte.

Und auch Sabine Machowski empfiehlt Eltern, sich ausreichend Zeit zu nehmen, die Technik hinter der Stimme zu erklären: "Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes kann man Alexa oder Siri durch kindgerechte Erläuterungen einfach entmystifizieren. Dass sich die Hunde der Paw Patrol oder der Nachrichtensprecher der Tagesschau nicht wirklich in unserem Fernseher befinden, verstehen Kinder ja auch, wenn wir es ihnen erklären."

Kindern den richtigen Umgang mit Alexa erklären (und Funktionen sperren)

Es liegt also bei uns Eltern, unseren Kindern den richtigen Umgang mit der beliebten Technik zu erklären – und uns natürlich auch mit Optionen der Kindersicherung auseinanderzusetzen (zum Beispiel die Sperrfunktion von ungewollten Bestellungen). Dann, meint Rolf Kosakowski, gebe es nicht einmal eine Altersbegrenzung für die Nutzung von Alexa und anderen Smart Speakern.

"Das Eingabeverhalten per Sprache ist eine Horizonterweiterung, mit der ich Reaktionen erhalte, lange bevor ich lesen, schreiben oder Geräte anderweitig bedienen kann", sagt der Medienexperte. "Je früher Kinder diese Option nutzen können, desto besser."

Die Sorge, die Kinder würden durch die Nutzung von Sprachassistenten das richtige Lernen (und Behalten) von Informationen verlernen, weil sie jede Information einfach abfragen können, teilt Rolf Kosakowski nicht. Im Gegenteil: "Alexa ist ein flüchtiges Medium, sie hinterlässt mir ja nichts. Wenn ich frage 'Wie hoch ist der Eiffelturm?', muss ich mir die Antwort selbst merken – oder lernen, sie richtig zu dokumentieren." Mit Blick auf die Schulzeit und das eigenständige Lernen kann dieses Training laut Rolf Kosakowski sogar sehr hilfreich sein.

"Bitte, liebe Alexa!"

Schon gewusst? In den USA und UK kam jüngst eine Kinderversion des Amazon-Smart-Speakers Echo Dot auf den Markt: Der Lautsprecher im Tiger- oder Panda-Design reagiert nur, wenn man die Worte "Bitte" und "Danke" verwendet …

"Alexa, pups doch mal!"

Aber Hand aufs Herz: Eltern, die Erfahrung mit Sprachassistenten haben, wissen, dass für die Kleinen das Lernen mit Alexa eher nebensächlich ist. "Erzähl mir einen Witz!" oder "Alexa, pups mal!" gehören zu den häufigsten Anfragen der jüngeren Nutzer. Manchmal wird es dann selbst der freundlichen Stimme zu blöd: "Ich glaube, es ist Zeit ins Bett zu gehen!", gehört zu Alexas Antworten-Repertoire, wenn sie mit zu vielen albernen Anfragen in Folge malträtiert wird.

Irgendwie gut zu wissen, dass die künstliche Intelligenz auf unserer Seite ist.

Autorin: Silke Schröckert

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