Bitte kein Druck

Wenn Kinder die Schule abbrechen und Youtuber werden wollen – so reagieren Eltern richtig

Manchmal – vor allem in der Pubertät – gehen die Vorstellungen von Kindern und Eltern gehörig auseinander. Eine Expertin gibt Tipps, wie Eltern sich richtig verhalten, wenn ihr Kind keinen Schulabschluss machen, sondern sein Geld in sozialen Netzwerken verdienen will. 

Jugendlicher filmt sich beim Tanzen.© iStock/Xavier Lorenzo
Wenn Jugendliche mit Youtube Geld verdienen wollen.

Nina Grimm ist Familienpsychologin, Autorin und Soulparenting Coach. Wir haben sie befragt, welche Herangehensweise von Eltern sinnvoll ist, wenn ihr Kind Youtuber werden will. 

Teenagern nicht drohen

Das Wichtigste, das wir mit unseren Teenagern haben, ist unsere Beziehung zu ihnen, betont Nina Grimm. Wenn wir keine gute Beziehung, kein gutes Vertrauensverhältnis haben, werden wir vermutlich auch im Hinblick auf den Schulabschluss kein hilfreiches Gespräch führen. Drohungen sind hier fehl am Platz. Sätze wie "Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst ..." bewirken laut Nina Grimm nicht den gewünschten Effekt, oder wenn, dann nur aus Angst und nicht, weil der Jugendliche einsieht, dass der Schulabschluss wichtig ist.

Versuchen, Teenager zu verstehen, auch wenn sie Youtuber werden wollen

Nina Grimm rät, dass sich Eltern zunächst ihre eigenen Ängste bewusst machen. Das hilft, sich in den Gesprächen mit dem Nachwuchs nicht davon leiten zu lassen. Denn starke Emotionen sind nie ein guter Ratgeber. Schaffen wir es, neutral auf die Thematik zu blicken, werden schnell zwei Dinge klar:

  1. Der Arbeitsmarkt von morgen ist nicht mehr der, den wir kennen.
  2. In Deutschland besteht Schulpflicht.

Genau dieses Spannungsfeld gilt es, dem Teenager deutlich zu machen. Dabei können Eltern folgendermaßen vorgehen:

  • Ermutigt euer Kind darin, dass es eigene Ideen hat, wie es Geld verdienen möchte. Das Kind ist kreativ, und genau das gilt es zu fördern.
  • Fordert euer Kind heraus: "Zeig mir deinen Businessplan" – um dann ernsthaft und ehrlich interessiert darüber zu sprechen.
  • Bleibt cool, wenn das Kind sagt, es brauche keinen Businessplan. Dann rät Nina Grimm, die Biografien langfristig erfolgreicher Menschen zu besprechen. Was sie eint, sind eine Vision und ein Plan. Hier können Kinder und Eltern gemeinsam enorm viel lernen: Was ist das Ziel? Wie muss ein Businessplan aufgebaut sein, um das zu erreichen?
  • Lernpotenzial nutzen: Macht einen Deal, dass der Jugendliche sich parallel zur Schule ein Youtube-Business (o. Ä.) aufbaut. Im besten Fall braucht er den Abschluss dann wirklich nicht. Andernfalls hat er ein Back-up. Macht euch selbst bewusst, wie viel Relevantes euer Kind hier lernen kann: Selbst- und Zeitmanagement, Buchhaltung und mehr.
  • Realitätscheck. Nina Grimm: "Ein Schulabschluss garantiert keinen beruflichen Erfolg. Was das Kind aber braucht, ist Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz. Das können die Kids mit dem Schulabschluss trainieren. Und genau so sollten wir sie auch dafür gewinnen."

Nina Grimm stellt klar, dass uns die Bildung unseres Nachwuchses natürlich nicht egal sein sollte. Aber wir sollten eben auch nicht an unserer alten Vorstellung von "richtig" und "falsch" festhalten. 

Unsere größer werdenden Kinder laden uns ein, Dinge wieder zu verlernen. Um mit ihnen gemeinsam neu zu lernen. Und das ist die Definition wahrer Weisheit. 

Vertrauen aufrechterhalten

Wenn Eltern ihren jugendlichen Kindern permanent vermitteln, dass sie sie nicht verstehen und absolut nicht gutheißen, was diese tun, können Kinder sich abwenden. Die natürliche Tendenz, dass Gleichaltrige während der Pubertät immer wichtiger werden, kann dadurch verstärkt werden. Wir können als Eltern durch gute Beziehungspflege aber dazu beitragen, weiterhin ein gutes Verhältnis zum Nachwuchs zu haben. Droht jedoch ein Beziehungsabbruch, rät Nina Grimm: 

Eltern sollten ihrem Kind signalisieren: "Ich habe eine klare Meinung dazu. Die kennst du. Aber es ist dein Leben. Geh deinen Weg. Und ich bin für dich da, wenn du meine Hilfe brauchst." Schulabschlüsse kann man einfacher nachholen als Beziehung, Kontakt und Vertrauen. 

Die eigentliche Herausforderung für Eltern junger Erwachsener liege darin, das "Baby" loszulassen. Wir können unsere Kinder nicht vor allem schützen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu begleiten. Gerade bei Niederlagen. 

Und wir können uns als Eltern auch immer wieder bewusst machen, dass es in der Pubertät zur gesunden Entwicklung dazugehört und wichtig ist, sich gegen das Elternhaus oder andere Instanzen oder Systeme, wie auch die Schule, aufzulehnen. Den größten Fehler, den wir machen können, sieht Nina Grimm im Gegendruck. Der macht es nur schlimmer. 

Das Wichtigste für Begleitpersonen ist jetzt: Verbindung. Kontakt. Vertrauen – kurz: Beziehung. 

Und die entsteht durch Interesse und auch durch das Gefühl, gesehen und ernst genommen zu werden. Deshalb ist es wichtig, die Ziele und Beweggründe des jungen Erwachsenen zu verstehen. Dann können wir auch miteinander konstruktive, zielführende und legale Lösungen erarbeiten.

Hat ein Youtube-Job vielleicht sogar eine Zukunft?

Dann gilt es, dieses zu fördern. Doch wie erkennt man, ob es sich wirklich um ein Talent handelt? Nina Grimm:

Wenn dein Kind mit einer Aktivität in den Flow-Zustand kommt, ist das ein Indikator für Talent: Sprich, wenn es mühelos in einen Zustand höchster Produktivität kommt und dadurch energetisiert wird.

Hat euer Kind eine solche Aktivität für sich gefunden, unterstützt ihr es, indem ihr ihm dafür möglichst viel Raum gebt. 

Jugendliche zum Schulabschluss motivieren

Viele Jugendliche haben absolut keinen Bock auf Schule und sehen auch die Notwendigkeit nicht. Wie Eltern sie trotzdem motivieren können? Über Verständnis. Es ist nachvollziehbar, dass Schule nervt. Oftmals müssen die Kids Sachen lernen, die sie tatsächlich nie wieder brauchen werden. Eltern können hier den Fokus darauf setzen, was man dennoch daraus ziehen kann. Schule ist vor allem Mittel zum Zweck. 

Nina Grimm empfiehlt Eltern, mit ihren Kids darüber sprechen, was sie nach der Schule machen wollen, was ihr Traum ist. Was wollen sie erreichen? Und was braucht es dafür? Und da landet man ganz schnell wieder beim Schulabschluss – und damit im besten Fall bei einer gesteigerten Motivation.