Aufgeklärt

Sadfishing – warum dieser Social-Media-Trend für Jugendliche so gefährlich ist

Mit diesem Trend kann man sich offenbar die mentale Gesundheit gefährden. Was es mit Sadfishing auf sich hat und wie ihr darüber mit euren Kindern in Kontakt bleibt.

Trauriges Teenager-Mädchen schaut auf ihr Smartphone.© iStock/monkeybusinessimages
Sadfishing ist ein gefährlicher Social-Media-Trend. 

Wenn Jugendliche sich übertrieben mit schwierigen Gefühlslagen in "sozialen" Netzwerken präsentieren und damit um Aufmerksamkeit und Sympathie heischen, ist Vorsicht geboten. Sadfishing kann man gewissermaßen als "Fischen nach Mitleid" bezeichnen. Dieses Phänomen ist unter jungen Menschen offenbar bereits zum Trend avanciert. Doch leider ist das nicht ganz ungefährlich.

Folgen und Wirkung von Sadfishing

Das Schwelgen oder sogar künstliche Herbeirufen von schwierigen Emotionen kann schnell ausarten und sich verselbstständigen. So warnen Experten davor, dass aus intensivem Sadfishing tatsächlich waschechte Depressionen und andere mentale oder psychische Erkrankungen resultieren können. 

Erziehungsexpertin Anita Cleare aus England erklärt gegenüber dem Online-Magazin "Good to know" sinngemäß: 

Sich wiederholt auf negative Emotionen zu fokussieren und diese zu teilen, kann die entsprechenden Gefühle sogar noch verstärken, ihren Einfluss steigern und so die Kontrolle über sie erschweren. 

Sie betont, dass ein solches Verhalten weg von konstruktiven Lösungsideen führe und einen zweifelhaften Selbstwert aufbaue, der auf negativen Gefühlen statt auf positiven Eigenschaften basiert. 

Während das Suchen nach Unterstützung bei anderen an sich eine gute Selbsthilfestrategie ist, gilt das nicht für dieses Online-Verhalten, da hier oftmals künstlich übertrieben wird, statt authentisch zu sein. Und weil man eben keine persönliche und echte Kommunikation betreibt. Dadurch können sich schlechte Gefühle verstärken, statt sich durch einen wirklichen Austausch mit anderen Menschen zu verringern oder gar aufzulösen. 

Warum ist Sadfishing so gefährlich?

Jugendliche tendieren ohnehin zu Selbstzweifeln, Einsamkeitsempfindungen und anderen schwierigen Gefühlslagen. Sie fühlen sich oft unverstanden und suchen so in sozialen Netzwerken nach Gleichgesinnten. Das erscheint ihnen oft sicherer als ein tatsächlicher Austausch, in dem sie möglicherweise auch Angst vor Zurückweisung haben. Freundliche Online-Kommentare können da vorübergehend für eine Art Linderung sorgen, doch das hält nicht lange an. Im Gegenteil: Sie fühlen sich dann bestätigt, dass sie auf diese Art Aufmerksamkeit bekommen, was sie dazu bringt, dieses Verhalten zu wiederholen, und die Tendenz verstärkt, ungute Bewältigungsstrategien zu entwickeln. 

Auch für Lehrkräfte an Schulen ist dieses Phänomen nichts Neues. Sie beobachten es in vielen Klassen tagtäglich: Die Kinder und Jugendlichen wollen sich mit ihren traurigen Geschichten quasi übertrumpfen und liefern sich regelrechte Wettbewerbe. Damit katapultieren sie sich jedoch immer mehr in eine Negativspirale hinein. 

Wie Eltern ihre Kinder unterstützen können

Jugendliche wollen oft keinen Rat von den eigenen Eltern, sondern eher jemanden, der wirklich zuhört und sie nicht verurteilt, sondern verständnisvoll ist. Im Optimalfall schaffen Eltern es, ihren Nachwuchs sanft in eine Richtung zu verhelfen, durch die sie lernen, auch in schwierigen Situationen lösungsorientiert auf innere Ressourcen zuzugreifen. Dadurch wächst dann auch das Selbstvertrauen in ihre eigenen Kompetenzen. 

Vor allem Jugendliche wünschen sich oft viel Aufmerksamkeit. Wenn sie für ein bestimmtes Verhalten immer wieder Aufmerksamkeit erhalten, werden sie alles daran setzen, dieses Verhalten zu wiederholen. Eltern dürfen also auch in dieser Phase stark darauf achten, ihrem Nachwuchs positives Feedback für gutes Verhalten zu geben und ihn in seinen gesunden Eigenschaften unterstützen und fördern. Geht es Jugendlichen schlecht, brauchen sie keinen Druck und keine Kritik, sondern ein verständnis- und liebevolles, unterstützendes Gespräch.

Rat von der Familientherapeutin

Elisabeth Raffauf ist Familientherapeutin in Köln. Sie sagt: "Das Darstellen negativer Gefühle kann auch ein Zeichen dafür sein, dass es depressive Verstimmungen bei den Jugendlichen gibt. Dann ist die Frage, was das genau für Gefühle sind, und warum es den Kindern so geht. Es ist wichtig, dass Eltern das ernst nehmen. Wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu bekommen, ist es gut, das zu wissen und auch das dann ernst zu nehmen. Es hilft, mit den Kindern zu besprechen, was sie eigentlich brauchen: Mehr Zuwendung? Mehr Beachtung? Mehr Möglichkeiten, das Leben zu gestalten und selber einwirken zu können? Dann kann man gemeinsam überlegen, wie sie anders Aufmerksamkeit bekommen können, als mit dem Darstellen negativer Gefühle. Gibt es auch positive Dinge, mit denen man Aufmerksamkeit erreicht? Was möchten sie von sich zeigen, worauf sie wirklich stolz sind? Und natürlich können wir als Eltern unser eigenes Verhalten gegenüber den Kindern überprüfen: Zeigen wir den Kindern unser Interesse an ihnen? Gibt es Momente, in den wir ihnen die volle Aufmerksamkeit schenken, oder gucken wir, wenn wir mit den Kindern zusammen sind, oft noch gleichzeitig aufs Handy und sind nicht wirklich mit unserer ganzen Aufmerksamkeit für sie da?"

Quelle (u. a.): goodto.com