Die Promi-Mama über ihre Alkoholsucht

Mimi Fiedler: "Sucht ist stärker als Liebe"

Fast 30 Jahre lang war die Schauspielerin akut alkoholkrank. Im Interview erzählt sie, warum es gerade als Mutter so schlimm ist, süchtig zu sein und wie sich ihre Krankheit auf die Beziehung zu ihrer Tochter ausgewirkt hat …

Schauspielerin Mimi Fiedler© Christoph Kassette
Mimi Fiedler ist erfolgreiche Schauspielerin, trockene Alkoholikerin und Mutter einer 21-jährigen Tochter.

Mimi Fiedler – zur Person

Die gebürtige Kroatin hat schon in vielen deutschen Produktionen mitgespielt. Die bekannteste Rolle von Mimi Fiedler ist aber definitiv die der Kriminaltechnikerin Nika Banovic aus dem Stuttgarter "Tatort".

Im Februar 2002 kam ihre Tochter Ava zur Welt. Im April 2020 machte die heute 47-Jährige via Instagram öffentlich, dass sie trockene Alkoholikerin ist. Nachdem sie wegen Alkohol am Steuer 2010 ihren Führerschein verloren hatte, ging sie zu den Anonymen Alkoholikern.

Fröhlich, begabt und erfolgreich – so kennen die meisten von uns die Schauspielerin. Was lange niemand wusste: Mimi Fiedler betäubte ihren Schmerz und ihre Schuldgefühle fast 30 Jahre mit Alkohol und verlor regelmäßig die Kontrolle über ihr Leben. Seit August 2018 ist sie trockene Alkoholikerin. Am 1. März erscheint ihr Buch "Trinkerbelle", in dem sie gnadenlos ehrlich über ihre Alkoholsucht erzählt und enthüllt, dass sie als Kind sexuell missbraucht wurde. Sie schreibt darin: "Viele Jahre wusste ich nicht mal, dass das so ist, weil ich mich nicht daran erinnern konnte. Aber ich erinnere mich heute und möchte dir diesen Teil meiner Geschichte nicht verschweigen. Überhaupt möchte ich ihn nie wieder verschweigen müssen."

Leben & erziehen: Ihr Buch beginnt ungewöhnlich – mit der Geschichte ihrer Familie aus Dalmatien. Hat diese Vergangenheit auch etwas damit zu tun, warum Sie alkoholsüchtig geworden sind?

Nein. In meinem Buch mache ich mich auf die Suche nach dem Grund für meine Sucht – das stimmt. Ich bin dafür alle Etappen meines Lebens, aber auch der Leben derer, die vor mir da waren, meiner Ahnen, zurückgegangen. Dabei habe ich mich gefragt, was passiert wäre, wenn dieses oder jenes Ereignis nicht stattgefunden hätte. Wäre ich trotzdem alkoholkrank geworden? Am Ende des Tages bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es wahrscheinlich oft seelische Schmerzen sind, die Menschen versuchen zu betäuben, die trinken. Und dennoch ist all das nur zweitrangig, denn Verantwortung für sich, die Folgen der Sucht und vor allem für den Weg zur Heilung, muss man trotzdem übernehmen.

In der Schwangerschaft haben Sie nicht getrunken. Warum haben Sie danach wieder angefangen? 

Ganz einfach: Weil ich süchtig bin und ich zu diesem Zeitpunkt noch weit weg war von Heilung. Ich bin sicher, dass es allein die Seele meiner Tochter war, die sich dem Teufel Alkohol nicht hergeben wollte. Das hatte mit mir wahrscheinlich wenig zu tun. Sonst hätte ich danach nicht direkt wieder angefangen.

Und warum konnten Sie für ihre Tochter nicht aufhören?

Weil Sucht stärker ist als Liebe.

Wie hat sich ihre Alkoholsucht auf die Beziehung zu ihrer Tochter ausgewirkt?

Ich habe zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Leben meiner Tochter, da war Ava noch keine acht Jahre alt, beschlossen, ihr so kindgerecht wie möglich, zu erklären, was mit mir los ist. Dass ich sehr krank bin, was diese Krankheit mit mir macht, aber dass ich alles versuchen werde, um wieder gesund zu werden. Ich konnte meine Tochter nicht davor beschützen, Szenen miterleben zu müssen, die traumatisch für sie waren. Aber ich habe mich selbst in den schlimmsten Phasen nie meiner Verantwortung entzogen. Was es zwar nicht weniger schlimm macht, was war, aber es hat unsere Beziehung zueinander dennoch stärker und unkaputtbarer gemacht. Wir haben eine sehr enge Beziehung zueinander. Ava hat zwar mit einer süchtigen Mama gelebt, aber auch mit einer, die immer und immer wieder aufgestanden ist und wirklich alles getan hat, um nüchtern zu werden. Natürlich gab es in all’ diesen Prozessen auch sehr viele Momente, in denen meine Tochter das alles einfach scheiße fand und wollte, dass es einfach aufhört. 

Wie fühlt es sich an, wenn man in seinem Leben ständig etwas verheimlichen muss – insbesondere vor seinem eigenen Kind?

Wie es sich anfühlt? Wie ein zur Realität gewordener Alptraum, der sich jeden Tag aufs neue in Dauerschleife wiederholt. Ein Horror, in dem man die absolute Hauptrolle spielt und den Ausgang einfach nicht findet, aber gar nicht weiß, ob es überhaupt einen gibt. Geschweige denn, ob man überhaupt überlebt. Das Verheimlichen meiner Sucht war überhaupt das schlimmste. Einerseits wollte ich nicht, dass ich auffliege, damit ich weiter trinken kann, andererseits wollte ich nichts sehnlicher, als dass es aufhört und mich jemand darauf anspricht. Ich wollte erzählen können, was wirklich bei mir los ist und dass mein Leben ein einziges Lügenkonstrukt und eine Attrappe ist.

Warum ist es gerade als Mutter so schlimm, alkoholsüchtig zu sein?

Ich glaube, es ist immer schlimm. Aber als Mama willst du ja nichts mehr als dein Kind zu beschützen. Und die Tatsache, dass ich es am allermeisten vor mir selbst beschützen musste, bringt mich heute noch zum Weinen, wenn ich daran denke. Ich habe mein allerbestes gegeben, aber immer stand die Sucht wie eine Leuchtreklame über unserem Leben.

Was raten sie anderen Süchtigen, vor allem süchtigen Müttern?

Heute, in meinem fünften nüchternen Jahr, weiß ich, dass ich es immer schon wusste. Von Beginn an. Alles, was mir passiert ist, alles, was ich versucht habe zu unterdrücken, wegzutrinken, auch dass ich süchtig bin. Ratschläge kann ich dennoch keine geben, denn jede Sucht ist so individuell wie der süchtige Mensch selbst. Ich kann nur sagen, dass es hilft, seiner Wahrnehmung zu vertrauen, sich selbst zu glauben – auch wenn die Sucht uns zu Lügnerinnen macht – die innere Wahrheit ist immer da. Immer! Und die Wahrheit ist vor allem auch, dass Alkoholismus keine Charakterschwäche, sondern eine Krankheit ist. Eine, für die es keine Medikamente gibt. Heilung entsteht nur durch Anerkennung, Bewegung, auch durch das Fallen. Trotzdem wieder aufzustehen und es weiter zu versuchen, Verantwortung für sich zu übernehmen, alles anzuschauen, in sich und auch das, was die Folgen der eigenen Sucht sind, das ist der Schlüssel zu der Tür, die uns in ein Land bringt, in der überall Heilung wächst: Nüchternheit. Und eines ist auf diesem Weg vollkommen egal: die Meinung der anderen.

Buchtipp: Zum Weiterlesen

© Knaur Verlag

Schonungslos offen und sehr berührend: Ein Buch über das Leben als Mutter UND Alkoholikern und den schwierigen Weg raus aus der Sucht.

Mimi Fiedler: "Trinkerbelle. Mein Leben im Rausch", Knaur Verlag, ca. 18 Euro

Lade weitere Inhalte ...