Produzent und Regisseur Tom Tykwer ist Vater von einem Sohn. © Foto:PR
Produzent und Regisseur Tom Tykwer ist Vater von einem Sohn.

Tom Tykwer – zur Person

Tom Tykwer (geboren 1965) gründete 2009 mit seiner Frau Marie Steinmann die alternative Produktionsfirma "One Fine Day Films e. V.", um Kinder und Jugendliche in Ostafrika an die Filmkunst heranzuführen. Seit 2009 ist er mit der Filmproduzentin Marie Steinmann verheiratet und hat mit ihr einen Sohn namens Anton (geboren 2009). Bekannte Filme von Tom Tykwer sind unter anderem: "Absolute Giganten" (als Produzent), "Lola rennt" (Drehbuch und Regie), "Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders" (Regie) und der Science-Fiction-Film Cloud Atlas mit den Wachowski-Geschwistern.

Infos: tomtykwer.de

Worauf kommt es Ihnen bei Kinderfilmen an?

Tom Tykwer: Als Kind mochte ich keine Filme, die einem eine Botschaft aufdrängen wollen oder alles verharmlosen. Das merken Kinder sofort. Ein Film sollte Kinder ernst nehmen, sie überraschen und sie herausfordern, Neues zu entdecken. Dabei muss er mindestens so viel zu bieten haben, wie das Erlebnis, auf einen Baum zu klettern. Ein junger Held sollte weder zu lächerlich und ungeschickt sein, noch zu unnatürlich heldenhaft. Er sollte Schwächen haben, die ich kenne und Stärken, nach denen ich mich sehne.

Gemeinsam mit Ihrer Frau, Marie Steinmann, haben Sie die Produktionsfirma "One Fine Day Films" gegründet, mit der Sie hauptsächlich in Afrika produzieren. Wie kam es dazu?

Ursprünglich bin ich wegen meiner Frau nach Ostafrika gekommen und war sofort begeistert. Meine Frau unterrichtet in einer von ihr gegründeten erfolgreichen Nichtregierungsorganisation Kinder in Kunst, Theater, Malerei und Tanz. Ich wollte mitwirken und biete jetzt Filmemachen an.

Ihr Film "Soul Boy" handelt von einem afrikanischen Jungen, der im Slum lebt und die Seele seines Vaters retten will. Welchen Hintergrund haben solche Filme?

In Ostafrika herrscht ein starkes Bedürfnis nach Filmen, die im eigenen Land entstehen und die Geschichten der Einheimischen erzählen. Im Kino sind solche Filme kaum vertreten. Wir wollen die Kultur unterstützen, indem wir individuelle und künstlerisch gewachsene Filme machen, deren Geschichten vor Ort entstehen und auf der Alltagsmythologie aufbauen.

Das Besondere an "Soul Boy"?

Dass er nicht auf die Elends- und Mitleidsstruktur eingeht. Er erzählt eine positive Geschichte aus der Gesellschaft und zeigt, dass man hier aufgehoben ist. Gleichzeitig schafft dieser Film es, die krasse Realität nicht zu ignorieren. Erst kürzlich hat "Soul Boy" in drei Kategorien den kenianischen Filmpreis gewonnen. Das zeigt uns, dass diese Art von Projekten begehrt ist: Der Junge ist bester Hauptdarsteller geworden, obwohl er sich gegen zahlreiche, teilweise auch bekannte, Erwachsene behaupten musste. Außerdem hat der Film in der Kategorie "Bestes Drehbuch" und "Bester mittellanger Film" gewonnen.

Was ist aus dem Hauptdarsteller, Samson Odhiambo, geworden?

Er ist außer sich vor Glück über den kenianischen Filmpreis. Er lebt weiterhin in Kibera im Slum, ist inzwischen 15 und geht noch zur Schule. In der Gegend ist er jetzt ein kleiner Star, aber dabei nicht abgehoben. Er würde gerne bei weiteren Projekten mithelfen. Da Kenia eine kleine, aber nicht unbedeutende Filmindustrie hat, ist es gut möglich, dass er später in dieses Business einsteigt. Das Gesunde daran: Die Mitwirkenden bleiben auf dem Boden der Tatsachen, da sich der Film in ihrer Heimat abspielt.

Spricht der Film auch deutsche Kinder an?

Die extreme, ungewöhnliche Welt ist unsere Chance. Wir wünschen uns, dass auch in Deutschland viele Kinder den Film sehen, denn "Soul Boy" zeigt, dass es noch andere Realitäten gibt, die Jugendliche erobern können. Im Slum stehen wider Erwarten nicht das Elend und die Tragik im Vordergrund. Es handelt sich vielmehr um eine stabile und starke soziale Gemeinschaft. Durch die hohe Anzahl von Kindern herrscht ein Grundpegel an Fröhlichkeit. Solche Filme kennen wir viel zu wenig. Die bei uns vorherrschende Leitkultur für Kinderfilme ist leider Nordamerika.

Gab es während der Dreharbeiten Zwischenfälle mit Slum-Bewohnern?

Oft kommen aggressive und frustrierte Menschen vorbei, die Ärger machen. Das gab es an jedem Drehtag. Unser Vorteil war, dass unser Team fast ausschließlich aus Kenianern bestand. Der Produktionsleiter und der Regieassistent haben solche Menschen sofort integriert: "Ja, wir verstehen dein Problem, kannst du jetzt mal bei der Absperrung da hinten helfen?" Das hat gewirkt, sämtliche Wut war sofort verschwunden. Vor dem Dreh muss man mit den Verantwortlichen des Bezirks Verabredungen treffen und Deals machen.

Sie sind, bedingt durch Ihre Filmprojekte, viel unterwegs. Leidet darunter die Beziehung zu Ihrem Sohn?

Meine Frau ist mit unserem Sohn ohnehin in Nairobi, weil sie dort wieder ihre Seminare gibt. Ich musste sie leider jetzt erst mal dort zurücklassen, werde aber bald wieder hinfahren. Ich reise meiner Frau gerne hinterher und schließe mich ihrer Initiative an. Ostafrika ist Teil unseres Lebens geworden, und wir verbringen jedes Jahr ein paar Monate dort, inzwischen gemeinsam mit unserem Sohn.

Was ist das Besondere am Filmemachen mit Kindern?

Dadurch, dass Kinder keine strengen technischen Muster kennen, denen sie sich unterwerfen könnten, macht das unheimlich viel Spaß. Sie überraschen einen ständig: Sie machen Vorschläge, auf die man selber nicht gekommen wäre. Es ist toll, sich darauf einzulassen, dass sich der Drehtag in eine andere Richtung entwickelt als geplant war, wenn das der Energie und dem Spieltrieb des Kindes mehr entspricht. Durch diese spielerische Art behält der Film trotz der schweren Themen eine gewisse Leichtigkeit.

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