Hilfe in der Not

Eine Doula erzählt: "Jeden Tag begleite ich Frauen bei Abtreibungen – und das Schlimmste ist ..."

Hannah arbeitet als Abtreibungs-Doula. Sie steht Frauen während eines Schwangerschaftsabbruchs bei und weiß, wie viele Frauen in diese Situation geraten – und wie selten darüber gesprochen wird ...

Frau sitzt verzweifelt auf dem Boden.© iStock/bymuratdeniz
Eine Abtreibung ist eine körperliche und seelische Ausnahmesituation.

Es ist ein Thema, über das nicht geredet wird. Eine Abtreibung ist schmerzhaft – seelisch und körperlich. Und sie ist sehr, sehr einsam. Denn die meisten trauen sich nicht, darüber zu sprechen – aus Angst, in ihrem Umfeld auf Unverständnis und Vorwürfe zu stoßen.

Und doch befinden sich viele Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, in einer psychischen Ausnahmesituation und sehnen sich nach Halt und Zuspruch. Wie gut, dass es Menschen wie Hannah Matthews gibt ...

Die US-Amerikanerin arbeitet als Abtreibungs-Doula in Portland (Maine). Das heißt, sie steht Frauen bei, die die schwierige Entscheidung getroffen haben, ihr Baby nicht zu behalten. "Eine Abtreibungs-Doula ist jemand, der bei einer Abtreibung emotional, physisch, spirituell, finanziell, logistisch und praktisch unterstützt", erklärt sie ihren ungewöhnlichen Beruf gegenüber "Huffpost".

Abtreibungen kommen häufiger als man glaubt

Hannah hält den Frauen die Hand, wenn sie zu Hause eine medikamentöse Abtreibung durchführen. Sie wäscht ihnen die Haare, nachdem sie stundenlange Krämpfe durchgestanden haben. Sie bringt selbst gekochtes Essen mit, und schaut auch Wochen später noch mal vorbei, um zu sehen, wie es den Frauen geht.

Eine Doula ist eine Frau, die einer werdenden Mutter während Schwangerschaft und Geburt zur Seite steht. In Abgrenzung zu einer Hebamme darf sie keine medizinischen Eingriffe vornehmen. Der Beruf der Doula ist auch in Deutschland etabliert. Dass sich eine Doula jedoch auf Frauen mit Abtreibungen spezialisiert, ist selten.

"Abtreibungen finden überall um uns herum, zu jeder Zeit und im Leben vieler Menschen statt. Es kommt so häufig vor. Es ist so normal", betont Hannah, die auch in einer Abtreibungsklinik arbeitet. "Jeder kennt oder liebt jemanden, der schon mal eine Abtreibungsbetreuung brauchte oder einmal brauchen wird. Das ist einfach eine Tatsache."

Jede Frau braucht individuelle Unterstützung

Abtreibungen seien bis heute stigmatisiert. Eben ein Thema, "über das man nicht spricht".

Jede Geschichte, die sie erlebt, sei jedoch völlig individuell. Manche Frauen brauchen jemanden, der sie zur Klinik fährt. "Und dann geht es manchmal darum, sieben oder acht Stunden mit jemandem vom Anfang bis zum Ende der Abtreibung zu verbringen. Oder ich komme zu ihnen nach Hause, um ihnen das Abendessen zuzubereiten, während sie eine Abtreibung mit Medikamenten durchführen. Und manchmal passe ich währenddessen auf ihre Kinder auf."

Bei ihrer Arbeit habe sie viele unglaublich intime Erlebnisse mit den Frauen, die sie begleitet. "Ich gebe ihnen viel körperliche und emotionale Unterstützung aus nächster Nähe. Manchmal schreiben wir uns aber auch nur Nachrichten oder telefonieren. Es ist also ein großes Spektrum."

In den Kliniken herrscht Zeitnot

Mit ihrem Beruf schließt Hannah eine Versorgungslücke, die viele Klinken nicht füllen können. "Tatsache ist, dass in vielen Kliniken das Personal nur über sehr geringe Kapazitäten verfügt. Sie haben keine Zeit. Die Klinikmitarbeiter selbst sind erschöpft. Auch wenn sie oft eine wirklich schöne, ganzheitliche Pflege und Unterstützung für alle ihre Patienten bieten, sind sie unter Druck und in ihren Möglichkeiten eingeschränkt."

Als Doula habe sie viel mehr Möglichkeiten, die Wünsche und Bedürfnisse der Frauen zu erfüllen. "Manche Menschen brauchen lange, um das Geschehen zu verarbeiten und über ihre Abtreibung zu trauern oder herauszufinden, was sie überhaupt über ihre Abtreibung denken. Als Abtreibungs-Doula kann ich sie auch nach dem Verlassen der Klinik weiterhin unterstützen."

Hannah hat ein Buch über ihre Arbeit geschrieben ("You or Someone You Love: Reflections from an Abortion Doula"), mit dem sie das Thema Abtreibung enttabuisieren möchte. "Ich möchte, dass sich Frauen sicherer fühlen und besser in der Lage sind, über Abtreibung zu sprechen." Denn den Bedarf nach Abtreibungsbetreuung und -unterstützung hat es laut Hannah immer geben – und es werde ihn geben, so lange, wie es Menschen gibt.

Abtreibungen in Deutschland

  • 2022 wurden in Deutschland, 104.000 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet, ein Anstieg um 9,9 Prozent zum Vorjahr.
  • Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt straffrei, wenn er von einem Arzt nach einer Beratung durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle vorgenommen wird.
  • In Deutschland kann man im Normalfall bis zur 14. Schwangerschaftswoche abtreiben.
  • Ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch ist nur bis zur 9. Schwangerschaftswoche möglich.
  • Nur in bestimmten Ausnahmefällen ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland auch später erlaubt.
  • Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Hebammen, Gesundheits- und Krankenpfleger nach einem Schwangerschaftsabbruch für die Betreuung der Frauen zuständig.
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