Tabuthema

Unwohlsein in der Schwangerschaft: Verdammt, warum bin ich so ungern schwanger?

Pickel, Extrapfunde, Kreislauf? Nicht jede Frau fühlt ihn, diesen magischen Schwangerschaftsglow, von dem alle sprechen. Und das ist auch vollkommen okay so. Nicht gerne schwanger zu sein ist ein Tabuthema, über das Frauen ruhig mehr reden sollten!

Unwohlsein in der Schwangerschaft: Viele Frauen trauen sich einfach nicht, über ihr negatives Körpergefühl zu sprechen.© Foto: Getty Images/Justin Paget
Unwohlsein in der Schwangerschaft: Viele Frauen trauen sich einfach nicht, über ihr negatives Körpergefühl zu sprechen.

Bleiernde Müdigkeit. Pickel im ganzen Gesicht. Ein kaum zu bändigender Heißhunger – 24 Stunden, rund um die Uhr. Der Kreislauf sackt regelmäßig in den Keller. Und die Füße? Die sind eh schon seit langem nicht mehr zu sehen, verdeckt vom Babybauch. Und zweimal so groß.

Es ist keine Schande: Nicht jede Frau fühlt sich rundum wohl in ihrer Haut und kommt mit all den – Hand aufs Herz: teils sehr belastenden – Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft zurecht. Nicht jede Frau fühlt sich wohl in ihrer Haut. Mit fehlender Freude über den Nachwuchs oder einer Schwangerschaftsdepression hat dieses Unwohlsein aber nicht immer etwas zu tun. Denn nicht jede hat ihn. Diesen sagenumwobenen Schwangerschaftsglow, von dem alle Welt spricht. Das Problem: Die Gesellschaft erwartet, dass Schwangere die meiste Zeit auf Wolke Sieben schweben. Wir sind der Meinung, dass werdende Mütter mehr über ihre individuellen Empfindungen sprechen sollten und auch dürfen. Und zwar ehrlich!

Unwohlsein in der Schwangerschaft – ein stigmatisiertes Thema

Es gibt auch Frauen, die nicht gerne schwanger sind. Doch Aussagen wie: "Ich mochte meinen Babybauch nicht" oder "Ich habe mich die ganze Schwangerschaft über gefühlt wie eine Qualle" hört man nicht oft von Müttern. Die Schamgefühle sind viel zu groß.  

Die Schwangerschaft wird medial meist als die allerschönste Zeit überhaupt beschrieben. Als rundum erfüllendes Erlebnis. Neun Monate darf man in vollendeter Symbiose mit seinem Bauchbewohner verbringen. Wehwehchen? Bloß eine Randerscheinung. Völlig normal. Man selbst winkt ab, genauso wie das Gegenüber. "Das gehört eben dazu!" Nicht außer Acht lassen darf man dabei allerdings die Emotionen einer Mutter, die meist viel tiefer sitzen. 

Es gibt mehr unglückliche Schwangere als gedacht. Sie kämpfen nicht nur mit ihren körperlichen , sondern auch mit ihrem schlechten Gewissen. Dann ploppen Fragen wie "Genieße ich die Schwangerschaft nicht richtig?" in ihren Köpfen auf. "Was mache ich falsch, warum fühle ich mich schwanger so unwohl?" Ja, diese Frauen leiden unter diesem stark tabuisierten Thema. Und unter der Isolation, die oftmals damit einhergeht. 

Unwohlsein in der Früh-Schwangerschaft hat nichts mit fehlender Freude zu tun

Dass es einem während der Schwangerschaft auch mal schlecht geht, ist ganz normal. Besonders in der Frühschwangerschaft nichts Ungewöhnliches. Wer fühlt sich schon jeden Tag rundum gut? Vor allem in dieser von so vielen körperlichen Veränderungen geprägten, aufregenden Kugelzeit. Doch die Gesellschaft ist da häufig (noch) anderer Meinung. Schwangere müssen nach der Bekenntnis über ihr negatives Körpergefühl immer hinterherschieben, dass es sich um ein absolutes Wunschkind handelt. Dass sie unendlich dankbar sind und beinahe vor Vorfreude platzen. Und am Ende? Reden sie ihre negativen Erfahrungen sogar selbst klein. 

Die Gründe fürs Unwohlsein sind von Frau zu Frau verschieden

Warum genau die Kugelzeit als negativ wahrgenommen wird? Das ist natürlich eine ganz individuelle Sache. Die Ursachen für das Unwohlsein in der Schwangerschaft könnten unterschiedlicher nicht sein:

  • Körperliche Beschwerden: Nicht immer verläuft eine Schwangerschaft nach Plan. Übelkeit, Rückenschmerzen und Co. können die Vorfreude trüben.
  • Das Aussehen ändert sich: Viele Frauen kommen nicht mit den Veränderungen des Körpers bzw. ihrer Schwangerschaftsfigur klar. Der Blick in den Spiegel wird lieber vermieden.
  • Unsicherheit und Ängste: Schwangere sind häufig verunsichert und entwickeln eventuell sogar Ängste. Gerade nach einem Abgang oder einer anstrengenden ersten Schwangerschaft.
  • Allein schwanger sein: Wer sich gerade nicht in einer Partnerschaft befindet, der bezeichent seine Schwangerschaft vielleicht auch nicht gerade als glücklichste Zeit des Lebens. Hier kann auch finanzielle Unsicherheit eine Rolle spielen.
  • Umzug in der Schwangerschaft: Wer mit Babybauch auf einer Baustelle lebt oder der Umzug kurz bevorsteht, der sucht das Glück in der Schwangerschaft meist vergeblich. Stress und negative Gefühle überwiegen.

Negatives Körpergefühl in der Schwangerschaft nicht verschweigen

Betroffene sprechen ihre tiefe Unzufriedenheit nur äußerst selten an. Und wenn, dann nur hinter vorgehaltener Hand. Aber warum genau ist die Scham so groß? Nun, weil die Gesellschaft ihnen eingetrichtert hat, dass sie als Schwangere glücklich zu sein hat. Ein Grund mehr, dieses Schweigen zu brechen: Prominente wie Shay Mitchell (25) sind da das beste Beispiel. In einem Interview mit BuzzFeed.com erzählte die US-Schauspielerin und bald zweifache Mutter davon, wie sich die Schwangerschaft auf ihre psychische Gesundheit auswirkte und warum sie sich wünscht, dass das Thema weniger stigmatisiert wird. Es tut so gut, wenn VIP-Mamas solche Einblicke preisgeben. 

(Nicht) gerne schwanger sein – das ist auch Typfrage

Eine Schwangerschaft wird zwar allgemein stark romantisiert, doch es ist auch einfach Typsache, ob man gerne schwanger ist oder eben nicht. Die einen gehören zur Fraktion der Ungeduldigen und können es nicht erwarten, ihr Baby endlich bei sich zu haben. Die anderen sind eher pragmatisch veranlagt und sehen die Schwangerschaft als etwas, das man eben hinter sich bringen muss, wenn man einen Kinderwunsch hat. Wieso sollte man sich verbiegen, sich anders geben, als man in Wahrheit ist?

Unsere Großmütter hätten die Welt nicht mehr verstanden

Tatsächlich handelt es sich um eine noch recht neumodische Idee, dass eine Schwangerschaft mit Glücklichsein gleichzusetzen ist. Unsere Großmütter waren da noch viel realistischer. Man befand sich ja schließlich nicht umsonst "in anderen Umständen" – diese Bezeichnung war schon sehr treffend. Und wenn ihnen damals jemand erzählt hätte, dass sie diese Phase ihres Lebens genießen sollen, hätten sie demjenigen womöglich einen Vogel gezeigt.

Lasst den Schuldgefühlen keinen Platz!

Das sei an dieser Stelle ganz deutlich gesagt: Wer ungern schwanger ist, wird keine schlechte Mutter sein. Eine als schrecklich wahrgenommene Schwangerschaft beeinflusst nicht die Liebe zum Kind. Wichtig ist es allerdings, die entstandenen Schuldgefühle abzulegen und darüber zu sprechen. Wenn möglich, auch gerne mit einem Therapeuten. Nur so lässt sich diese Zeit erfolgreich verarbeiten. Es gibt nämlich auch eine ironische Seite an diesem schwierigen Thema: Wer es schafft, Scham und Schuldgefühle abzulegen, der hat eher eine Chance, happy durch die Schwangerschaft zu stolzieren. Und bei all dem Unwohlsein, die eigene Schwangerschaft dennoch als zufriedenstellende Zeit abzuspeichern.

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