Ungewollt kinderlos

Diagnose Endometriose "Es ist ein langer und harter Prozess"

Schätzungsweise bei jedem zehnten Paar bleibt der Kinderwunsch unerfüllt. Andrea ist eine von ihnen. Wie sie ihr Schicksal in die Hand nahm und ihrem Leben einen neuen Sinn gab …

Andrea Hirsch© Privat
Der Abschied vom Kinderwunsch war für Andrea ein langer, schmerzvoller Prozess.

Es ist eine zarte Linie, die das Leben von Paaren für immer verändert. Ein dünner Strich, mal ein bisschen blasser, mal kräftiger. Monat für Monat hofften Andrea und ihr Partner auf jenen zweiten Streifen, der in dem Testfeld erscheint, wenn im Urin das Schwangerschaftshormon hCG nachgewiesen wurde. Nur – er kam nicht.

Zwei Jahre lang probierten sie auf natürlichem Weg, schwanger zu werden. Jeden Monat aufs Neue die gleiche Enttäuschung: Der Schwangerschaftstest blieb negativ.

Als Andrea erfährt, dass sie unter hochgradiger Endometriose leidet, wendet sie sich an ein Kinderwunschzentrum. "Da meine Hormonwerte bereits so schlecht waren, riet uns der Arzt, es direkt mit künstlicher Befruchtung zu versuchen. Und selbst dafür waren unsere Chancen schlecht", erinnert sie sich an den Beginn eines langen Weges voller Höhen und Tiefen.

Schwerer Abschied vom Kinderwunsch

Trotz der schwachen Prognosen entscheidet sich Andrea, für ihren Traum vom eigenen Kind zu kämpfen. Als sie sich in einer Prager Klinik eine Zweitmeinung einholt, erlebt sie den nächsten Tiefschlag: Ihr verbliebener rechter Eierstock – der linke war bereits während einer Endometriose-OP zusammen mit dem Eileiter entfernt worden – ist komplett ausgefüllt von Endometriose-Gewebe. Eine Schwangerschaft mit eigenen Eizellen gilt somit als ausgeschlossen. "Nach zwei Operationen, mehreren Abgängen und selbst dem Scheitern der künstlichen Befruchtung mit Eizellspende, habe ich mich schweren Herzens entschieden, den Kinderwunsch loszulassen", sagt Andrea.

Eine Entscheidung, die ihr und ihrem Partner alles abverlangte. Wo vorher die Hoffnung auf ein eigenes Kind allen Raum einnahm, bleibt jetzt nur eine Frage zurück: Und was nun? Wie soll es aussehen, das ungewollt kinderlose Leben?

Für Andrea beginnt eine lange Phase des Abschiednehmens von dem Traum vom eigenen Kind. "Es ist ein langer und harter Prozess – zumindest war es das für mich. Zuerst muss man den Gedanken zulassen, nicht weiterzumachen. Dann muss man sich trauen, diesen Gedanken in Worte zu fassen und laut auszusprechen. Das allein kostet extrem viel Kraft und Überwindung. Wenn dann die Entscheidung getroffen ist, gibt es keinen Weg zurück mehr, zumindest nicht für mich. Denn solange ich mir immer eine Hintertür offen lasse, kann ich nie wirklich abschließen und nach vorne schauen. Das hätte mich kaputtgemacht."

Adoption ist keine Alternative

Adoption sei für sie nie ein Thema gewesen. Sie weiß: "Die Adoptionsfrage ist vielen ungewollt kinderlosen Frauen ein Dorn im Auge. Die meisten Menschen haben leider das Gefühl, dass Adoption etwas ist, dass man 'halt einfach mal schnell' macht. Was aber tatsächlich dahintersteckt, ist den wenigsten bewusst. Für mich hatte das Muttersein auch immer sehr viel mit der Schwangerschaft und dem Stillen meines Kindes zu tun, daher habe ich für mich persönlich Adoption auch nie in Betracht gezogen."

Ihr ganzes Leben über war es Andrea selbstverständlich erschienen, die großen Meilensteine – Hochzeit, Haus, Kinder – einmal selbst zu erreichen. Den Kinderwunsch loszulassen, bedeutete für sie, neue Antworten auf existenzielle Fragen zu finden. "Meine Geschichte hat mir geholfen, mehr zu mir selbst zu finden. Denn ich war natürlich selbst an dem Punkt, wo ich mir die Frage stellen musste: Wer bin ich, wenn ich keine Mutter bin? Wer bin ich außerhalb der gesellschaftlichen Normen? Was passiert als Nächstes und wie möchte ich mein Leben zukünftig gestalten?"

Der Schmerz lässt nach

Inzwischen ist sie sich sicher, dass ihr unerfüllter Kinderwunsch einen tieferen Sinn gehabt haben muss. "Irgendetwas tief in mir drinnen wusste intuitiv schon ziemlich lange, dass das nicht mein Weg sein würde. Mir das einzugestehen, hat ziemlich lange gedauert", sagt sie. 

Nur manchmal spürt sie auch heute noch den Schmerz, den die ungewollte Kinderlosigkeit verursacht. "Wenn es in der Mädelsrunde mal wieder nur um Kindererziehung geht, dann fühle ich mich auch heute noch manchmal fremd und es ist so, als würde ich nicht dazu gehören." 

Heute arbeitet Andrea als Coachin und unterstützt andere Frauen beim Abschied vom Kinderwunsch. Ihr neues Leben bezeichnet sie inzwischen auch ohne Kinder als erfüllend: "Mittlerweile geht es mir sehr gut damit, weil ich erkannt habe, dass alles genau so gekommen ist, wie es kommen sollte."

Ihre Erfahrungen hat Andrea in einem Buch verarbeitet, in dem ihre Erfahrungen schildert und anderen Betroffenen Mut macht:

Was ist Endometriose?

Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der Gewebe, das normalerweise die Gebärmutter auskleidet, außerhalb der Gebärmutter wächst. Dieses Gewebe, das als Endometrium bezeichnet wird, kann sich in verschiedenen Bereichen des Beckens ansiedeln, wie den Eierstöcken, Eileitern, dem Bauchraum oder sogar in entfernteren Organen wie dem Darm oder der Blase.

Die genaue Ursache der Endometriose ist unbekannt, aber es wird angenommen, dass sie mit genetischen, hormonellen und immunologischen Faktoren zusammenhängt. Die Symptome können von Frau zu Frau variieren, aber häufige Anzeichen sind starke Menstruationsschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, chronische Beckenschmerzen, Unfruchtbarkeit und Verdauungsprobleme.

Endometriose ist eine häufige Erkrankung, die schätzungsweise zehn Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Es kann in jedem Alter auftreten, tritt jedoch am häufigsten bei Frauen zwischen 25 und 40 Jahren auf. Es ist wichtig zu beachten, dass die Diagnose oft verzögert wird, da die Symptome mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können oder als normale Menstruationsbeschwerden abgetan werden. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind jedoch wichtig, um die Symptome zu lindern und mögliche Komplikationen zu vermeiden.