
Was ist die Freiburger Sanduhr-Methode?
Der Kinder- und Jugend-Psychiater Dr. Ulrich Rabenschlag ist Erfinder der Freiburger Sanduhr-Methode. Dieses Schlafprogramm stellt eine Abwandlung der Ferber Methode (nach Professor Richard Ferber) dar, die letztendlich durch den kontroversen Buch-Bestseller "Jedes Kind kann schlafen lernen" bekannt wurde. Diese sogenannten Schlaftrainings sind vor allem in den letzten Jahren in die Kritik geraten. Sie haben den Ruf, Babys und Kinder schreien zu lassen. (Zu unserer Einschätzung mehr im letzten Absatz.) Hier stellen wir euch die Methode dennoch vor, um einen möglichst objektiven Blick auf das Thema zu erhalten:
Rabenschlag leitete an der Uniklinik Freiburg die Forschungsgruppe Kinderschlaf und weiß aus jahrelanger Beratungspraxis, wie sehr dieses Thema Eltern bewegt: Schlafentzug kann unglaublich anstrengend sein und auf Dauer an den Nerven zerren. In diesem Wissen hat der Kinder-Schlafforscher die Freiburger Sanduhr-Methode entwickelt, mit der man Schlafstörungen ab dem Ende des ersten Lebensjahres wirkungsvoll beheben soll. Der Name des Schlaftrainings weist auf das elementare Hilfsmittel hin: Eine Sanduhr soll den Eltern helfen, die vorgegebenen Wartezeiten (Anleitung siehe unten) einzuhalten und besser zu überstehen.
Mütter sollen durch die Methode Entlastung bekommen
Dr. Rabenschlag betont die Belange der Mütter: Die meisten würden seiner Ansicht nach glauben, sie müssten die nächtliche Komplett-Betreuung ihrer Babys und Kinder alleine leisten – und damit schaden sich die Mütter häufig selbst. Denn längerer Schlafentzug macht krank, kann zu schwerer Erschöpfung und zu Depressionen führen. Nur wenn es den Eltern auch selbst gut geht, können sie sich auch liebevoll um ihr Kleines kümmern und auf seine Bedürfnisse eingehen.
Schritt eins der Therapie ist deshalb: Entlastung für die Mutter. Der Psychologe rät, sofort für Schlaf und Entspannung zu sorgen. Am besten wechselt sie sich mit dem Partner ab. Er sollte sich jede Woche mehrere Nächte lang um das Kind kümmern, damit die Mutter ungestört schlafen und sich erholen kannst.
Wichtig ist auch, sich regelmäßig eine Auszeit zu gönnen: ein paar Stunden oder ein fester Nachmittag pro Woche, an dem jedes Elternteil etwas allein oder mit Freunden unternehmen kann, während Partner, Großeltern oder Babysitter das Kleine betreuen. Dr. Rabenschlag ergänzt: "Heutzutage sind Mütter oft isoliert. Sie bleiben mit ihrem Kind zu Hause, während der Partner arbeitet, haben kaum Ansprache. Das kann sehr belastend sein und zu Hass- und Schuldgefühlen führen. Mit etwas Entlastung lassen sich Schlafprobleme und Machtkämpfe mit dem Kind besser ertragen."
Ursachen für die Schlafprobleme herausfinden
Schritt zwei ist herauszufinden, wie und warum die Schlafstörungen entstanden sind. Kinder wollen ihre Eltern nicht quälen, wenn sie abends partout nicht ins Bett gehen möchten oder noch nicht durchschlafen können. Im Gegenteil: Meist leiden sie gerade selbst unter Ängsten. Ganz typisch ist das beispielsweise bei Babys, sobald sie mobil werden, anfangen zu krabbeln oder zu laufen. Die neue Möglichkeit, eigene Wege zu gehen, fasziniert und ängstigt sie zugleich. Abends und nachts neigen sie deshalb verstärkt zum Klammern. Eltern, die darauf liebevoll eingehen und ihren Kindern tagsüber eine Extraportion Sicherheit und Geborgenheit vermitteln, helfen ihnen, diese Angst zu überwinden.
Trennungsangst bewältigen
Schritt drei der Therapie laut Freiburger Sanduhr-Theorie: Das Kind soll lernen, seine Trennungsangst auch nachts zu bewältigen. Die Eltern tragen dazu bei, indem sie unter anderem auf eine angeborene Fähigkeit vertrauen. Das Kleine hat laut Theorie die Gabe, sich selbst zu beruhigen und ohne fremde Hilfe (wieder) einzuschlafen. Wer dem Weinen seines Kindes vorschnell nachgibt, es nachts zu sich ins Bett holt, mag zwar die momentane Situation entkrampfen und schneller wieder in den Schlaf finden. Das löst das Problem aber nicht, weil sich das Kleine schnell daran gewöhnt und künftig immer an Mamas Seite schlafen will. Besser ist: Das Kind lernt, auf Dauer allein in seinem Bettchen einzuschlafen. So lauten die Aussagen dieser Methode.
Die Freiburger Sanduhr-Methode - so soll es klappen:
- Die Eltern legen das Kind zum Einschlafen in sein Bett.
- Nach einem ruhigen und harmonischen Ritual mit Reden, Singen, Vorlesen, Schmusen (maximal 30 Minuten) verlassen sie das Zimmer. Selbst wenn das Kleine jetzt weint und schreit, kommen Mutter oder Vater erst nach einer vorher festgelegten Wartezeit zurück: am Anfang drei Minuten, dann sechs Minuten, äußerstenfalls neun Minuten. Der Experte: "Eine längere Wartezeit ist für Kinder wie Eltern nicht zumutbar."
- Kehren die Eltern zu ihrem Kleinen zurück, bleiben sie nur kurz, um es zu beruhigen (maximal drei Minuten). Auf keinen Fall sollen die Eltern es aus dem Bett nehmen."Sonst baut das Kind neue Ängste vor einer Trennung auf oder glaubt, die Eltern singen wie früher stundenlang, schaukeln oder halten Händchen", so die Theorie.
- Der Elternteil, der das Kind zu Bett bringt, hält eine Sanduhr bereithält: Das langsame Rinnen des Sandes (einmal Durchrieseln dauert drei Minuten) soll angeblich helfen, die Wartezeit zu überstehen.
Die Sanduhr-Methode soll bei gesunde Kinder frühestens ab einem Jahr angewendet werden. Dann, so die Theorie, sollen sie in ihrer Entwicklung so weit sein, dass sie wissen: Mama und Papa kommen wieder. Und wir vor allem nur Eltern offiziell empfohlen, die bereit sind, durchzuhalten. Es soll nämlich zwei bis drei Wochen dauern können, bis die Methode wirkt.
Kritik an Schlafprogrammen
Diese im Artikel beschriebenen Schritte widersprechen dem Urinstinkt vieler Eltern. Sie wollen ihr Kind beim Einschlafen nicht schreien lassen. Auch nicht nur für ein oder zwei Minuten. Sie wollen helfen und trösten. Kritische Stimmen betonen, dass diese Art der Schlafprogramme das Vertrauensverhältnis von Eltern und Kindern massiv stören kann, vor allem bei Kleinkindern und Babys. Das fatale Signal: Ich kann mich in Notfällen nicht auf Mama und Papa verlassen.
In diesem Zusammenhang empfehlen wir euch ein wunderschönes Lesestück unserer Print-Chefredakteurin Claudia, das Mut beim Thema "Einschlafbegleitung" macht. >>>