
Für ein gutes Körpergefühl muss der Körper erst einmal kennengelernt werden und das könnt ihr von klein auf ganz einfach fördern. Dabei ist es wichtig, alle Sinne anzusprechen und dem Kind Zeit zum Verarbeiten der Reize zu geben. Catja Eikelberg ist Logopädin, Kognitionswissenschaftlerin und Gründerin des Online-Shops "InnerMe". Sie hat sieben Tipps für frischgebackene Eltern.
Sprachlich die Babypflege unterstützen
Alles, was an und mit dem Baby gemacht wird, wie Wickeln, Waschen oder auch Tragen, nimmt das Baby sehr bewusst wahr. Besonders das Gefühl dabei! Ob es sich sicher und wohlfühlt, hängt neben den Griffen und der Geschwindigkeit auch von der sprachlichen Begleitung ab. Wenn ein Baby die ruhige Stimme zu den Handlungen hört, bekommt es nicht nur einen sprachlichen Input, sondern eine Vorwarnung auf die folgende Handlung. Daher tut ihr als Eltern (aber auch als Erzieher) gut daran, alle Abläufe wie "Jetzt mache ich deine Windel auf" oder "Jetzt wird es kalt" zu benennen.
Die Grenzen des Babys wahren
Die eigene Grenze zu kennen ist essenziell für ein gutes Körpergefühl. Dafür ist es wichtig, dass die Erwachsenen die Grenzen des Babys von klein auf sehen und wahren. Wenn es zum Beispiel satt ist, sollte es nichts mehr essen müssen. Wenn es traurig ist oder Schmerzen hat, sollte es weinen dürfen – und nicht mit einem "Ist doch nicht so schlimm!" funktionieren müssen. Und wenn es müde ist, sollte das Kind Ruhe bekommen oder schlafen dürfen. Im stressigen Alltag oder gar mit Geschwisterkindern ist es oft nicht immer leicht, die Bedürfnisse wahrzunehmen und auch zeitnah zu erfüllen, und doch ist es die Basis für ein gutes Körpergefühl, damit sich die Kinder als Erwachsene gut um sich kümmern können.
Abhalten
Das Abhalten ist noch immer sehr unbekannt und unterschätzt, dabei ist es das Natürlichste der Welt, dass wir Menschen ohne Kleidung auf dem Klo sitzen. Babys können sich von Anfang an durch die gebeugte Haltung der Beine in bestimmten Situationen, wie zum Beispiel nach dem Stillen/Trinken/Essen oder nach dem Schlafen von allein ins Klo (man kann sich verkehrt herum mit dem Kind gemütlich aufs Klo setzen) oder in das Waschbecken entleeren. Dabei hilft es, als Ritual ein bestimmtes Geräusch einzuführen, wie beispielsweise ein "Psssss", und dem Baby Zeit zu geben. Eltern sind immer wieder überrascht, wie lange schon Babys die Blase halten können, bis sie abgehalten werden und wie hilfreich dies bei Bauchschmerzen sein kann. Dabei wird das Körpergefühl im Vergleich zur sich immer trocken anfühlenden Windel automatisch gefördert – was aber nicht automatisch zum früheren Trockensein führt!
Nackte Füße und Beine
In den ersten Lebensmonaten möchten wir Babys immer schön kuschelig einpacken, damit sie es warm haben und nicht krank werden. Doch wissen die meisten nicht, dass nackte Füße wie auch nackte Hände nicht gleich zu Erkältungen führen und erschweren daher durch viel Kleidung die Bewegungsentwicklung. Doch nur wenn man nackt ist, lässt sich der Körper richtig gut spüren. Je mehr Kleidung ihr eurem Kind anzieht, umso schwieriger ist es für Babys, die einzelnen Körperteile zu entdecken, wahrzunehmen und einzusetzen. Daher ist eine regelmäßige Nackt-Zeit – am besten nach dem Abhalten – besonders kostbar und wichtig. Im Alltag ist es zudem hilfreich, zu hinterfragen, ob das Kind gerade mit dem, was es an hat, nicht bei der Fortbewegung und dem Entdecken des Körpers gehindert wird. Dabei ist auch Barfußzeit essenziell – spätestens ab der Zeit des Robbens, weil sich Kinder dabei mit den Fußzehen abdrücken. Die Angst, dass das Baby unterkühlt, ist häufig groß. Ihr könnt aber die Körpertemperatur ganz einfach am Nacken erfühlen. Füße und Hände sind bei Babys weniger durchblutet und sind daher sowieso meist kühler. Socken wärmen allerdings auch nicht, da Kleidung lediglich isoliert. Stattdessen wärmt Bewegung – oder in den ersten Lebenswochen der Haut-zu-Haut-Kontakt mit den Eltern. Im Winter könnt ihr eurem Baby dann Pulswärmer wie Baby-Stulpen über Beine und Arme ziehen. Diese ermöglichen trotzdem genügend Bewegung.
Bewusstes Essen
Für einen gesunden Umgang mit Essen gehört es neben den Gefühlen "satt" und "hungrig" auch dazu zu wissen, was wie schmeckt und was der Körper braucht. Babys essen von Anfang an intuitiv, wenn man sie lässt. Die Geschmacksnerven sind deutlich feiner ausgeprägt als bei Erwachsenen und so solltet ihr eine Abneigung oder ein vorsichtiges Herantasten akzeptieren und nichts erzwingen. Ihr könnt euer Baby sogar ab dem Beikoststart aktiv mit einbeziehen, denn zum Essen gehören auch das Kochen, das Riechen und Fühlen der Lebensmittel. Streng genommen ist dies die erste Phase des Essens. Dafür können Kinder beim Kochen zuschauen, mit Kindermessern weiche Lebensmittel verarbeiten und auch wählen dürfen, was sie essen möchten. Der Beikoststart kann und sollte dabei - egal ob mit Brei oder Breifrei (Baby-led Weaning) - ruhig, interessant und abwechslungsreich gestaltet werden. Löffel können Babys übrigens von Anfang an super selbst halten – deshalb solltet ihr sie auch nur führen! Sollte euer Baby Lebensmittel ausspucken, kann das viele Gründe haben und dies sollte mit einem "Du kannst es ausspucken, wenn es zu viel ist" toleriert werden. Kinder zeigen oft, was ihnen guttut und was eher weniger.
Viel Bodenzeit
Babyschalen, Wippen und Co sind, so möchte man meinen, fast schon ein Must-have in den meisten Familien. Schließlich kann das Baby immer mit dabei sein. So hilfreich diese Mittel für den Alltag der Erwachsenen sind, sieht doch das Bedürfnis des Babys spätestens ab den ersten Roll-Versuchen anders aus. Dann brauchen sie viel Zeit und ein sicheres Umfeld, um sich frei bewegen zu können, denn sie lernen über das Ausprobieren und Nachahmen. Viel Zeit am Boden ist daher für die motorische Entwicklung unabdingbar – ein harter Untergrund ist dabei nicht gemein, sondern fördert sogar die Körperwahrnehmung und die Körperspannung. Das Krabbeln zum Beispiel ist auf einem harten, rutschfesten Untergrund wie einer dünnen Krabbelmatte oder auch einfach auf dem Boden deutlich leichter als auf einem Wasserbett, oder? Als Unterstützung hilft es, wenn nicht nur das Baby, sondern auch Erwachsene mit auf dem Boden spielen. So können die Kleinen uns nachahmen und erlangen eine gute Balance, entwickeln Geschicklichkeit und ein gutes Körpergefühl.
Babymassage
Babymassage-Kurse sind immer mehr im Kommen, was für das Körpergefühl ideal ist. Auch Erwachsene lieben eine Massage ... Egal, ob in einem Kurs, zu Hause auf dem Wickeltisch oder nach dem Baden im kuscheligen Handtuch – das zarte und etwas festere Berühren gibt einen angenehmen Stimulus. Dabei wird mal die oberflächliche Haut oder die Tiefensensibilität, die Muskultur darunter, angesprochen. Öl, Haarbürsten oder auch Zahnbürsten können dabei helfen. Zahnbürsten? Ja, in der Logopädie verwenden wir gerne Zahnbürsten für die Förderung der Körperwahrnehmung. Dabei könnt ihr sanft mit der glatten, aber auch mit der borstigen Seite erst die Arme und Beine, dann den Bauch und auch mal die Wangen abklopfen. So lernen Babys die Zahnbürste schon spielerisch kennen und bekommen eine ganz besondere Massage. Wichtig ist nur, dass es dem Baby guttut und ihr dies bestenfalls verbal begleitet mit Ankündigungen oder auch Liedern. Mit einer weichen Babyhaarbürste könnt ihr den Körper abfahren, was wiederum die Symmetrie fördert. Sollte das Kind zum Beispiel eine Körperhälfte vermehrt nutzen, könnt ihr die andere Körperhälfte verstärkt massieren und stimulieren.
Für ein gutes Körpergefühl
Das Körpergefühl von klein auf zu fördern kann auf vielfältige Weise geschehen. Ratsam ist es dabei, dass es immer für das Baby angenehm ist, zur Familie passt und ganz entspannt in den Alltag als kleine Rituale ohne Druck einfließt. Dann kann sich das Baby altersgerecht entwickeln und selbstbewusst groß werden.
Autorin: Catja Eikelberg