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Fehlstellungen, Verformungen, Asymmetrien – alles Dinge, die man seinem Baby lieber ersparen möchte. Dennoch kommen sie vor, und das nicht selten. Die Ursachen sind je nach Diagnose verschieden. Expertin Elke Färber (www.physio-faerber.de) gibt einen Einblick in ihre Arbeit.
Was ist das KiSS-Syndrom?
Der Begriff KiSS steht eigentlich für "Kopfgelenk-Induzierte Symmetrie-Störung". Hier liegt eine Fehlstellung der Kopfwirbel vor. Die Folge: schmerzhafte Verspannungen, die vom Kopfgelenk ausgehen.
Wichtig zu wissen: Unser Kopfgelenk setzt sich aus mehreren, miteinander verknüpften Gelenken zusammen. Es verbindet das Hinterhaupt mit der Halswirbelsäule.
Normalerweise läuft die Wirbelsäule gerade durch die Körpermitte – und zwar vom Steißbein bis zum Schädel. Liegt ein KiSS-Syndrom vor, so knicken Babys ihren Kopf entweder zur linken oder zur rechten Seite ab. Deshalb wird diese Symmetrie unterbrochen. Auch eine starke Überstreckung des Kopfes nach hinten kommt vor. Ohne dass dieser zu einer speziellen Seite neigt. Dann spricht man vom KiSS II.
Vorsicht, nur bei dauerhaftem Vorkommen: Hält euer Baby seinen Kopf dauerhaft schief und hat Schwierigkeiten, alleine aus der Position herauszufinden, so solltet ihr lieber eure Hebamme oder euren Kinderarzt hinzuziehen.
Kiss-Syndrom: Anzeichen und Symptome des abgeflachten Hinterkopfes / der Asymmetrie
Als Kinder-Therapeutin in der Physiotherapie bin ich sehr häufig mit dem Phänomen des abgeflachten Hinterkopfes und der asymmetrischen Haltung bei Säuglingen konfrontiert. Mal spricht man von "Asymmetrie", mal vom "Kiss-Syndrom"(1). Doch die Symptome gleichen sich. Schon 1981 sind diese vom Orthopäden Dr. Mau und der Physiotherapeutin Frau Gabe beschrieben worden. (2).
Kiss-Syndrom: Das sind mögliche Symptome beim Baby
- Säugling hat einen seitlich abgeflachten Kopf
- Still-Probleme (z. B. ist das Stillen nur an einer Brust gut möglich)
- Lieblingsseite (heißt: das Baby hat eine bevorzugte Lage, Blick- und Bewegungsrichtung)
- extremes Sabbern
- Schluckprobleme
- wiederkehrendes Schreien (z. B. im Autositz oder Kinderwagen)
- unruhiges Schlafen
- einseitige Schlafhaltung (in der C-Form)
- häufiges Haareraufen
Über die Entstehung einer Asymmetrie
Seit 1994 wird weltweit von führenden Kinderarztvereinigungen und somit von den Kinderärzten, die ausschließliche Rückenlage zur Vermeidung des plötzlichen Kindstodes empfohlen. Sie wird aufgrund von Studien über den plötzlichen Kindstod gegeben, über dessen tatsächliche Ursache waren sich Mediziner lange Zeit noch nicht im Klaren. Durch bisherige Studien wurde belegt, dass die meisten Kinder in der Bauchlage versterben. Neue Informationen zu diesem Thema findet ihr hier!
Aus diesem Grund werden die Babys heute nicht mehr in die Bauchlage gelegt, auch nicht tagsüber. Und auch nicht, wenn sie wach sind. Dies aber ist ein Missverständnis. Denn es ist äußerst wichtig, das Kind mehrmals täglich auf den Bauch zu legen. Gerade die von Asymmetrie betroffenen Kinder können sich anfangs nicht mit der für sie wichtigen Bauchlage anfreunden.
Ursachen einer Asymmetrie beim Baby
Die asymmetrische Haltung des Kopfes und des Rumpfes fallen schon sehr früh auf. Häufig schon in den ersten Wochen. Die Ursachen dafür sind vielfältiger Natur. Möglich sind etwa:
- Zwillingsgeburt
- großes Kind
- Saugglocken- und Zangengeburt
- Kaiserschnitt
Bei der Saugglocken- oder Zangengeburt entsteht ein Zug an der noch sehr empfindlichen Halswirbelsäule. Beim Kaiserschnitt wird das Kind aus dem Leib der Mutter mit den Füßen voran geholt. Auch hier entsteht an der Halswirbelsäule ein Zug, da der Kopf als Letztes aus der Gebärmutter gezogen wird. Dies alles kann zu einer Verschiebung vom Atlas und anderen Halswirbelkörpern führen. Die Folge wäre ein muskulärer Schiefhals.
Was tun, wenn das Baby eine Lieblingsseite entwickelt?
Gibt es eine Lieblingsseite beim Säugling? Dies kann dazu führen, dass das Köpfchen einseitig abflacht. Hier spricht man auch von einer lagerungsbedingten Plagiocephalie. Heutzutage wird vorwiegend dazu geraten, die Babys auf dem Rücken liegenzulassen. ABER: Wenn sie zu lange in derselben Position liegen bleiben (und vor allem regelmäßig), so kann das eine Verformung des Schädels mit sich bringen. Er kann sich aufgrund der noch sehr weichen Knochen verformen – und der Hinterkopf wird platt. Mediziner stufen das meist als eher harmlos ein, doch sie raten dazu, das Köpfchen der Kinder oft zu drehen und umzulagern.
Wie schon beschrieben, kann nicht nur der Hinterkopf abflachen. Außerdem sind auch einseitige, asymmetrische Verformungen des Schädels möglich. Häufig wechselnde Kopfhaltungen wirken einer Verformung des Schädels bei Säuglingen entgegen. Das empfiehlt auch die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).
So könnt ihr euer Baby von seiner Lieblingsseite weglocken:
- Bewusstes Wechseln der Kopfhaltung beim Baby – dazu lässt sich die Zeit nach dem Windelwechseln gut nutzen
- Auch wenn das Baby wach ist, können Eltern es immer wieder in Bauch- oder Seitenlage legen (unter Aufsicht)
- Eine Seite des Schädels ist bereits abgeflacht? Positioniert ein Mobile so am Kinderbett, sodass es die Blickrichtung eures Babys weg von der flachen Seite lenkt. Oder: Bringt einen Wandsticker (z. B. einen großen Hasen) auf der jeweils anderen Seite der Wickelkommode an. Wirkt Wunder!
- Für Familien, die ihr Kind im Elternbett schlafen lassen: Legt euch so hin, dass sich euer Baby beim Drehen von der abgeflachten Seite abwendet
- Beidseitiges Stillen zur Routine machen und mal abwechselnd von rechts und von links füttern
Doch die Bevorzugung einer Seite wird häufig von Eltern und von Ärzten als normal angesehen. Dies ist aber nicht der Fall. Das Baby muss die Fähigkeit besitzen, sich frei zu beiden Seiten wenden zu können – ohne Einschränkung in Rückenlage sowie in Bauchlage. Anderenfalls muss man von einer Zwangshaltung sprechen.
Auswirkungen und Spätfolgen auf den ganzen Körper
Zu den Auswirkungen zählen beispielsweise:
- Verkürzungen von Muskeln und Bindegewebe
- Verschiebung der Schädelplatten
- Verschiebung von Ohr- und Augenlinie
- Der Körper, der ja erst kennengelernt wird, wird einseitig wahrgenommen
Eine Seite wird vernachlässigt, beziehungsweise erst gar nicht gründlich wahrgenommen und damit ins Körperschema einbezogen. Dadurch entsteht außerdem eine Verschiebung der wahrgenommenen eigenen Mittellinie. Wenn ihr also seht, dass euer Kind mehr mit einer Hand agiert, ist dies nicht die Folge seiner Händigkeit, sondern die Folge seiner Asymmetrie.
Asymmetrie behandeln: Das ist das Ziel einer Therapie
Ziel der Therapie sollte es sein, die Blockierung zu lösen, den Muskeltonus, den gesamten Bewegungsablauf sowie die Wahrnehmung wieder in die Symmetrie zu bringen. Leider kommen die Babys meist erst im Alter von vier bis fünf Monaten zur Behandlung. Hier gilt: "Je früher die Therapie begonnen wird, desto schneller korrigiert sich die Asymmetrie"! Die Behandlung dauert dadurch deutlich länger, je später man beginnt. Die Verschiebung des Schädels wird größtenteils schon in den ersten 14 Tagen sichtbar, manchmal schon direkt nach der Geburt, wenn das Kind sehr beengt und ohne Bewegungsmöglichkeit im Mutterleib lag.
Die Verformung wird dann in den nächsten Wochen sehr viel deutlicher und die schräge Kopfhaltung fällt immer mehr auf. Eltern bemerken sehr bald, dass ihr Kind eine "Lieblingsseite" entwickelt. Es schaut nur ungern zu einer bestimmten Seite. Manchmal mag es nur an einer Brust trinken. All dies sind klare Zeichen und eine sofortige Therapie ist angezeigt. Leider warten viele Kinderärzte den weiteren Verlauf ab. Meist wird erst bei der U4 eine Verordnung ausgestellt. Dies ist unverständlich, denn die Vermeidung einer symmetrischen Haltung und die eingenommene Schonhaltung hat seine Ursache. Diese zu finden und zu beheben, darin besteht die Aufgabe der Therapie.
Behandlungsmöglichkeit: Mehrdimensionalen Entwicklungstherapie (ME)
Ich persönlich arbeite mit dem Konzept der Mehrdimensionalen Entwicklungstherapie (ME) kombiniert mit dem Handling aus dem Bobath-Konzept. Die ME ist eine eigenständige Methode und wurde in den 60er-Jahren in Neuss am Institut für Neurophysiologische Frühförderung von Petra Zinke-Wolter (PT) und Prof. Dr. Dr. Herbert Brüster, Neuropädiater, entwickelt.
Auf der Basis, dass jeder Mensch die gleiche Stammesentwicklung durchmachen muss, wurde die ME als Therapie für die Frühförderung von Kindern mit motorischen Entwicklungsstörungen entwickelt. Jedes Kind soll mithilfe der Therapie die Möglichkeit erhalten, diese Entwicklung zu durchlaufen.
Ziele der ME sind das frühe Erreichen einer optimalen Muskelspannung mittels Aktivierung der angelegten frühkindlichen Bewegungsmuster. Dabei werden alle Sinne und Eigenwahrnehmungen des Körpers wie z. B. Oberflächensensibilität, Tiefensensibilität und der Bewegungssinn mit eingebunden. Wichtig ist die altersgerechte Förderung der gesamten Entwicklung. Dafür werden alle Sinne angesprochen.(3)
Weitere Möglichkeit: die Helmtherapie
Eltern machen sich meist Sorgen um das Äußere ihres Kindes. Sie haben Angst, dass sich durch die Deformation ihr Kind nicht gesund entwickeln könnte. Dies wäre aber nur der Fall, wenn sich die Schädelnähte zu früh schließen. Ansonsten ist dies in erster Linie ein kosmetisches Thema. Die Helmtherapie nutzt das eigene kindliche Kopfwachstum aus.
Die Korrektur der Schädeldeformität gelingt nicht durch das Hineindrücken der ausgeprägten Bereiche, sondern dadurch, dass diese Stellen am Wachsen gehindert werden. Gleichzeitig wird das eigene kindliche Kopfwachstum für abgeflachte Stellen genutzt. Der Helm besteht aus leichtem Kunststoff und wird entsprechend der idealen Kopfform des Kindes angefertigt (4). Es gibt mittlerweile einige Zentren, die sich darauf spezialisiert haben.
Während der Behandlung wird das Kopfwachstum nicht eingeschränkt. Insgesamt folgt das Kopfwachstum streng dem natürlichen Verlauf. Da das Wachstum in den ersten 15 Lebensmonaten eines Menschen am größten ist, sollte die Helmtherapie dann auch in diesen ersten Lebensmonaten durchgeführt werden. Starke Deformitäten lassen sich idealerweise in den ersten sechs Lebensmonaten beheben.
Zahlt die Kasse eine Helmtherapie?
Die Krankenkassen übernehmen nur bei starker Deformation und auf Antrag einen Teil bzw. die vollständigen Kosten. Auch die Kosten für die erste Konsultation muss meist selbst getragen werden. Es stellt sich die Frage, ob ein Helm nötig ist, wenn die Physiotherapie frühzeitig begonnen wird. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass ein möglichst früher Therapiebeginn entscheidend ist. Durch die Behandlung und dem natürlichen Wachstum des Kopfes kann dann größtenteils auf einen Helm verzichtet werden.
Plagiozephalie vorbeugen und behandeln: haltungsbedingte Asymmetrie
Während das KiSS-Syndrom eine Kopfgelenk induzierte Symmetrie Störung beschreibt, ist die sogenannte Plagiozephalie haltungsbedingt und beschreibt eine Schädelverformung aufgrund von Fehlhaltung. Beispielsweise kann es durch häufiges Aufliegen des Säuglingskopfes auf einer festen Unterlage zu einer einseitigen – manchmal sogar beidseitigen – Abflachung des Hinterkopfes kommen.
Zur therapeutischen Behandlung wird ähnlich wie bei dem KiSS-Syndrom zu Krankengymnastik, Osteopathie oder der Helmtherapie geraten.
Um einer Plagiozephalie vorzubeugen gibt es folgende Möglichkeiten:
- Üben der Bauchlage (immer unter Beobachtung)
- Tragen im Tragetuch
- Regelmäßiges Drehen des Babybettes um 180 Grad
- Umgebungsreize für das Baby ausgewogen gestalten (z.B. beidseitige Lichtquelle)
Literatur
- (1) Biedermann,H. Stuttgart, Enke 1996
- (2) Dr. Mau, Mau und Gabe 1981
- (3) Zinke-Wolter, P. Borgmannverlag 1991, Spüren-Bewegen-lernen
- (4) Definition Helmtherapie, Wikipedia
Orthopädische Kissen gegen Kopfverformung: Beängstigende Warnung an Eltern
Nein. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. berichtet darüber, dass solche Spezial-Kissen wenig hilfreich sind. Gut zu wissen, schließlich sind sie meist die erste Eigentherapie-Maßnahme, die Eltern verfolgen.
Doch US-amerikanische Wissenschaftler fanden im Rahmen einer Studie heraus, dass orthopädische Kissen gegen Kopfverformungen bei Säuglingen wirklich wenig bewirken. Die amerikanische Zulassungsbehörde für Lebensmittel und Medikamente - Food and Drug Administration (FDA) - untersuchte in diesem Zuge speziellen Kissen und stufte diese auch für unbedenklich und sicher ein. Doch dies sage laut den Wissenschaftlern der Brown-Universität nichts über deren tatsächliche Wirksamkeit aus.
Mehr noch: Die Behörde gab sogar eine beängstigende Warnung an Eltern heraus: "Verwenden Sie diese Kissen nicht mehr. Sie sind nicht nur nicht für die "Kopfanpassung" zugelassen, sondern können auch eine gefährliche Schlafumgebung für Ihr Kind schaffen, die dazu beiträgt, dass Ihr Baby ersticken und sogar sterben kann, während es auf einem dieser Kissen schläft."
"Diese Medizinprodukte werden mit der Behauptung vermarktet, dass sie die Kopfform und -symmetrie eines Säuglings verbessern und das Flachkopfsyndrom oder andere Erkrankungen verhindern oder behandeln können", heißt es in der FDA-Warnung. "Die Sicherheit und Wirksamkeit der Verwendung dieser Medizinprodukte wurde jedoch nicht nachgewiesen." Kissen zur Formung des Kopfes von Säuglingen seien nicht von der FDA zugelassen. Es handele sich um keine Medizinprodukte – und sie sollten nicht als solche vermarktet oder verwendet werden.
Versucht also lieber nicht, den Kopf eures Babys mithilfe von Kissen zu formen. Eine bessere Idee: Sprecht mit eurem Arzt darüber, ob ihr zusätzliche Maßnahmen ergreifen müsst. Auch eine Behandlung durch einen Osteopathen kann mitunter sinnvoll sein. Holt euch in jedem Falle einen Experten an eure Seite und sehr von eigenmächtigen Therapien ab.