Phänomen nach der Geburt

Stilldemenz – gibt es das überhaupt?

Erinnert ihr euch? Oder seid mitten drin? Oder habt es noch vor euch? Wir haben mit einer Hebamme gesprochen, die alles erzählt, was wir über Stilldemenz wissen sollten (auch wenn wir es gleich wieder vergessen ...). 

Vergessliche Mama sitzt neben Baby in Babyschale.© iStock/nicoletaionescu
Stilldemenz tritt auch bei Mamas auf, die mit dem Fläschchen füttern.

Es kommt euch sicherlich bekannt vor: In der Zeit nach der Geburt sind viele von uns Mamas einfach mal fürchterlich vergesslich. Die Heilpraktikerin, Krankenschwester und Hebamme Christine Maek, die in Nürnberg angestellt und freiberuflich tätig ist, hat dazu Erstaunliches zu berichten.

Gibt es Stilldemenz wirklich, oder ist es nur ein Mythos?

Christine Maek hat in ihren 36 Jahren Berufserfahrung schon einiges erlebt. Auf diese Frage antwortet sie: "Es ist wohl eine Mischung, aber das Phänomen gibt es auf jeden Fall." Darauf gehen wir gleich noch weiter ein. Doch zunächst einmal zur Definition.

Wie definiert man Stilldemenz?

Wenn wir von der sogenannten Stilldemenz sprechen, bezieht sich das in erster Linie auf das Phänomen des Vergesslichseins, das viele Mütter nach der Geburt – vor allem des ersten Kindes – erleben. Das kann auch eine Art Überforderung mit der neuen Situation mit einschließen.

Woher kommt Stilldemenz?

Hebamme Christine Maek vermutet, dass Stilldemenz eine Mischung ist aus Übermüdung – in der ersten Zeit mit Baby schlafen die meisten Eltern ja nicht besonders viel – und Zurechtfinden mit der neuen Rolle und Situation. Es braucht einige Zeit, um sich daran zu gewöhnen und einen neuen Rhythmus zu finden. Auch könne die Ausprägung typbedingt unterschiedlich sein, so die Hebamme. "Manche Frauen sind generell super gut organisiert, andere vielleicht ohnehin etwas verpeilter. Einige tun sich schwerer mit ihrer neuen Rolle, und es kommt auch darauf an, wie belastbar man ist. Die neue Situation mit Baby ist auf jeden Fall eine große Herausforderung, die man oft erst mal unterschätzt." Laut der Hebamme können einige Frauen auch nicht gut delegieren oder sie hadern sehr damit, einfach mal etwas liegen zu lassen. Das könne das Phänomen der Stilldemenz dann noch verstärken.

Von der Natur so gewollt

Möglicherweise ist diese Art von Vergesslichkeit von der Natur sogar wieder mal ganz schön schlau eingerichtet, davon ist jedenfalls Christine Maek überzeugt: "In der ersten Zeit nach der Geburt rückt alles, was nicht das Baby betrifft, erst mal komplett in den Hintergrund, und das ist gut so. Schließlich ist es die Aufgabe der Mama, sich jetzt hauptsächlich um das Baby zu kümmern und eine Bindung zu ihm aufzubauen." Da ist alles andere wirklich erst mal ziemlich egal. Mit einer Ausnahme: Auch sich selbst darf die frischgebackene Mama dabei nicht vergessen. Denn nur, wer sich selbst einigermaßen fühlt, kann sich auch gut ums Baby kümmern. Dieser Aspekt ist Christine Maek ganz wichtig, daher hat sie hier auch konkrete Tipps:

  • Den Haushalt liegen lassen und sich ebenfalls hinlegen, wenn das Baby gerade schläft. Auch wenn man selbst nicht sofort einschläft, tut das Ruhen gut.
  • Sich auf jeden Fall Unterstützung holen, vor allem im Wochenbett. Vielleicht kann der Papa sich ein paar Wochen freinehmen, oder andere Familienmitglieder und/oder Freunde können helfen und zum Beispiel mal ein warmes Essen vorbeibringen.
  • Während der Schwangerschaft am besten schon einiges vorkochen und einfrieren. Dann muss man das später nur aufwärmen, statt komplett zu kochen. 
  • Auch tagsüber ruhig im Liegen stillen, wenn man sich danach fühlt. Die Hormone sorgen dafür, dass Frauen durchs Stillen müde werden und dann auch schlafen können. Das darf vor allem am Anfang auch ruhig tagsüber sein. 
  • Sich generell möglichst viel ausruhen und versuchen abzuschalten. 

Was ist denn mit Mamas, die nicht stillen – haben die auch Stilldemenz?

Offenbar hat das als "Stilldemenz" bezeichnete Phänomen gar nichts damit zu tun, ob eine Frau stillt. Schließlich sind Schlafmangel, Belastung und Anpassung an die neue Situation nach der Geburt dieselben Faktoren. Egal ob das Baby gestillt wird oder das Fläschchen bekommt. Christine Maek hat beobachtet, dass Stilldemenz nach der Geburt weiterer Kinder nicht mehr so häufig auftritt wie nach der ersten Geburt. Die Frauen wissen dann schon mehr, was auf sie zukommt, sind oft gelassener und finden sich schneller ein. 

Wie lange halten die Symptome an?

Wie lange Mütter nach der Geburt mit Vergesslichkeit zu kämpfen haben, ist ganz individuell und lässt sich nicht pauschal beantworten. Bei einigen wird es schon nach drei Wochen besser, andere plagen sich monatelang damit herum. Oftmals gehen die Symptome zurück, wenn sich die Frau in ihrer neuen Rolle und Situation gut eingefunden und einen eigenen Rhythmus für ihren Alltag entwickelt hat.

Was kann man gegen Stilldemenz tun?

Neben den oben genannten Tipps gibt es noch einiges, worauf frisch gebackene Mamas achten können, damit die Vergesslichkeit hoffentlich nicht zu schlimm wird:

  • Ausreichend viel Wasser trinken. Beim Stillen immer etwas zu trinken griffbereit haben.
  • Regelmäßig essen. Gerade in der Stillzeit ist der Nährstoffbedarf erhöht. Gleichzeitig vergisst man über die neuen Aufgaben oft, selbst etwas zu essen. Stillende Frauen brauchen laut Christine Maek drei Mahlzeiten am Tag plus zwei Zwischenmahlzeiten (zum Beispiel ein Stück Obst oder auch mal einen Müsliriegel). Auch während des Stillens darf Mama ruhig essen.
  • Gute Ernährung. Am besten vollwertig mit viel Gemüse und Obst. Auch eine Hühnerbrühe mit Nudeleinlage kann zu neuer Kraft verhelfen. 
  • Und vor allem – wie oben erwähnt – gut zu sich selbst sein! 

In vielen Ländern der Welt gibt es eine ausgeprägte Wochenbettkultur – anders als hier in Deutschland. Christine Maek hat zwei Jahre im Jemen als Hebamme gearbeitet: "Dort gibt es eine sechswöchige Schonfrist, in der die Nachbarschaft die frischgebackene Mutter versorgt." Hierzulande dreht sich hingegen alles ums Baby, jeder will das Neugeborene sehen, erkundigt sich nach ihm; doch was mit den Eltern ist, interessiert kaum. Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.

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